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Trendforce: US-Chipgesetz bremst China Mikroelektronik auf Jahre aus

Die Restriktionen aus dem US-Chipgesetz werden die Entwicklung der chinesischen Halbleiterindustrie auf Jahre ausbremsen, prognostiziert Trendforce. Visualisierung: Dall-E

Die Restriktionen aus dem US-Chipgesetz werden die Entwicklung der chinesischen Halbleiterindustrie auf Jahre ausbremsen, prognostiziert Trendforce. Visualisierung: Dall-E

Biden-Administration nutzt Chips Act verstärkt für ihre Wirtschaftskriege

Washington/Taipeh/Peking, 14. April 2023. Dass die Biden-Administration mit ihrem „US Chips and Science Act“ die im internationalen Wettbewerb zurückgefallene eigene Halbleiterindustrie wieder aufpäppeln will, war von Anfang an klar. Die Europäer versuchen mit ihrem Chip-Gesetz nichts anderes. Doch inzwischen offenbart sich immer mehr die protektionistische Seite des amerikanischen Chip-Gesetzes, das Washington eben auch für Wirtschaftskriege gegen ökonomische Wettbewerber einsetzt. Denn Unternehmen, die vom Chips Act profitieren wollen, müssen sich verpflichten, in den nächsten zehn Jahren keine fortschrittlichen Technologien an China, Russland, Nordkorea und den Iran zu liefern oder dort Hightech-Investitionen zu tätigen. Könnte man bei den drei letztgenannten Ländern sicherheitspolitische Bedenken vielleicht noch nachvollziehen, liegt im Falle Chinas sehr der Verdacht nahe, dass hier ein aufstrebender Konkurrent mit allen Mittel ausgebremst werden soll – auch gegen alle Freihandelsregeln der Welthandelsorganisation WTO.

Wer Geld in Amerika will, darf keine Hightech in China investieren

Auf jeden Fall wird der US Chips Act der aufstrebenden chinesischen Mikroelektronik ganz besonders schaden und sie auf Jahre ausbremsen, während die Chip-Foundries im benachbarten Taiwan davon profitieren dürften. Das hat eine Analyse des taiwanesischen Marktforschungs-Unternehmens „Trendforce“ aus Taipeh ergeben. Der Druck der Regierung in Washington auf Chipproduzenten und Chipwerkausrüster in den USA, in Japan und in den Niederlanden bremse bereits das Wachstum chinesischer Mikroelektronik-Auftragsfertiger wie auch die Investitionspläne internationaler Foundries in China aus. TSMC zum Beispiel will große Chipfabriken in den USA (und vielleicht auch in Dresden in Deutschland) bauen. Wenn die Taiwanesen dafür aber Geld aus dem US Chips Act wollen, verpflichten sie sich damit automatisch dazu, ihre Expansionspläne im Reich der Mitte einzudampfen, zumindest soweit sie Chips der Strukturklasse unterhalb von 18 Nanometern betreffen.

Blick in einer der 300-mm-Chipwerke von Foundry-Primus TSMC in Taiwan. Foto: TSMC

Blick in ein 300-mm-Chipwerk von TSMC in Taiwan. Foto: TSMC

Auftragsverlagerung könnte vor allem Taiwan nützen

Der Druck aus den USA beginnt bereits die globalen Wertschöpfungsketten anderer Länder mit chinesischen Auftragsfertigern aufzulösen: „Seit dem 1. Halbjahr 2023 ist ein Trend zu beobachten, dass Schaltkreis-Designunternehmen bestehende und neue Aufträge an taiwanesische Foundries verlagern – unter dem Druck der Kunden sowie ihrer eigenen Notwendigkeit, Risiken zu minimieren“, berichtet Trendforce. Dies werde voraussichtlich vor allem TSMC, UMC und andere Foundries in Taiwan stützen, die derzeit eigentlich etwas straucheln, weil die globale Chipnachfrage gesunken ist.

Die Produktion von "merkfähigen" Speicher (Nand-Flash), wie er zum Beispiel in Chipfestplatten und USB-Sticks steckt, wird sich bis 2025 spürbar aus China wegverlagern, prognostiziert Trendforce. Tabelle: Trendforce

Die Produktion von „merkfähigen“ Speicher (Nand-Flash), wie er zum Beispiel in Chipfestplatten und USB-Sticks steckt, wird sich bis 2025 spürbar aus China wegverlagern, prognostiziert Trendforce. Tabelle: Trendforce

Auch zeichne sich ab, dass SK Hynix und Samsung ihre dRAM- beziehungsweise Flash-Speicherfabriken in China in nächster Zeit zumindest nicht modernisieren werden, um Konflikte mit den Amerikanern zu vermeiden. „Alles in allem wird erwartet, dass Chinas Anteil an der globalen NAND-Flash-Kapazität bis 2025 von 31 % auf 18 % sinken wird“, prognostizieren die Trendforce-Analysten.

Hardeware-verschlüsselter Speicher-Stick, wie er an der TU zum Transport sensibler Daten verwendet wird. Foto (freigestellt): Heiko Weckbrodt

Nand-Flash-Speicher steckt zum Beispiel in USB-Speicher-Sticks. Foto (freigestellt): Heiko Weckbrodt

US-Unternehmen verlangen von Foundries, aus China abzuziehen

Die Marktforscher sind davon überzeugt, dass hier ein längerfristiger Entkoppelungsprozess begonnen hat: „Viele US-Unternehmen verlangen von Foundries, ihre Produktionsstätten aus China zu verlegen, um geopolitische Konflikte zu vermeiden“, meint Trendforce und prognostiziert „die Bildung von zwei unterschiedlichen Produktionsregionen: chinesische Fabriken, die sich hauptsächlich auf die Befriedigung der Inlandsnachfrage konzentrieren, und Fabriken außerhalb Chinas, die andere Märkte bedienen werden“.

Die großen deutschen Autokonzerne und andere Industrieunternehmen zeigen sich zwar bisher wenig begeistern von der Idee, sich zu deglobalisieren. Abzuwarten ist aber, ob sie sich dauerhaft dem derzeit ähnlich zielenden Druck von Washington und Brüssel in dieser Frage entziehen können.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Trendforce, Oiger-Archiv, Fokus.de, Handelsblatt.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt