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Hyperspektral-Augen durchleuchten Elektronikmüll

In Vorläuferprojekten hatten Bergakademie, HIF und Freiberg Instruments bereits Hyperspektral-Analysesysteme entwickelt. Foto: Detlev Müller für das HZDR

In Vorläuferprojekten hatten Bergakademie, Helmholtz Freiberg und Freiberg Instruments bereits Hyperspektral-Analysesysteme entwickelt. Foto: Detlev Müller für das HZDR

Freiberger „Helios Lab“ setzt auf KI und neue Sensorkonzepte, um Lithium, Kupfer & Co. aus alten Akkus und Leiterplatten zurückzugewinnen

Freiberg, 5. Dezember 2022. Um die Berge aus Elektro- und Akkuschrott in Deutschland abzubauen, entwickeln Freiberger Forscher derzeit neue Sortieranlagen. Durch intelligente Sensoren und „Künstliche Intelligenz“ (KI) sollen diese Maschinen künftig Hightech-Abfall vollautomatisch in seine Bestandteile sortieren können. Dadurch können dann Lithium, Alu, Gold und andere strategisch wichtige Rohstoffe aus den alten Batterien und Leiterplatten wiederverwendet werden. Das Konzept dafür hat Dr. Richard Gloaguen vom „Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie“ (HIF) auf der Tagung „Innovationstreiber Künstliche Intelligenz in Sachsen“ im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf vorgestellt.

Dr. Richard Gloaguen auf der Tagung „Innovationstreiber Künstliche Intelligenz in Sachsen“ im HZDR. Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Richard Gloaguen auf der Tagung „Innovationstreiber Künstliche Intelligenz in Sachsen“ im HZDR. Foto: Heiko Weckbrodt

Datenanalyse muss auch inmitten von Staub, Dreck und Feuchtigkeit funktionieren

„Wir müssen dabei viele Herausforderungen meistern“, räumte Richard Gloaguen ein. „Wir müssen Daten unterschiedlicher Sensoren kombinieren und zusammenführen.“ Immerhin produzieren Hyperspektralaugen, Laser-, Infrarot- und andere Sensoren an der Anlage einen einen stetigen Datenstrom aus fünf Gigabit je Sekunde. „Zudem gilt es, eine Vielzahl von Bestandteilen im Materialstrom zu analysieren und robuste Lösungen für Industrie-Umgebungen zu finden, die auch funktionieren, wenn Staub und Wasser auf die Anlagen wirken.“

Prototypen-Anlage in Freiberg installiert

Die Ressourcen-Forscher haben bereits eine prototypische Anlage in Freiberg gebaut, die zeigt, wo es in der Hightech-Abfallwirtschaft hingeht: Ein intelligentes Multisensorensystem analysiert dort die ausgemusterten Akkus und bestückten Leiterplatten – als Vorstufe für eine spätere Trennung.

Vorläufer waren die DDR-Multispektralkameras

Dafür setzen die Freiberger unter anderem Hyperspektralkameras ein. Die Vorstufe dafür kennen die meisten, die in der DDR großgeworden sind: Da hatte Carl Zeiss Jena seinerzeit eine Multispektralkamera für die sozialistische Raumfahrt gebaut, die das Licht von der Erde oder von Sternen in eine Handvoll Farbbänder zerlegte, um so mehr über deren chemische Zusammensetzung zu erfahren. Heutige Hyperspektralkameras können das Licht in Hunderte Farbbänder zerlegen und noch viel genauer herausbekommen, was sie da „sehen“. Im Freiberger Beispiel strahlt die Pilotanlage eben Energiespeicher und Elektronikschrott auf einem Förderband an, und analysiert dann das die Zusammensetzung des zurückgeworfenen Lichts.

Digitaler Zwilling des Müllstroms

Die Erkenntnisse der Hyperspektralkameras kombiniert die KI dann mit anderen Sensordaten, zum Beispiel von klassischen optischen Kameras, Laserfluoreszenz- und Infrarot-Sensoren. Daraus entsteht ein „digitaler Zwilling“ des Müllstromes auf dem Fließband, den nachfolgende Aggregate dann für die Demontage und Trennung der Bauteile nutzen können. Dies erproben die Freiberger einerseits mit alten Lithium-Akkus und anderseits mit Leiterplatten, wie sie beispielsweise in Personalcomputern und Notebooks verbaut sind. Letztlich soll es damit gelingen, aus den Millionen Alt-Akkumulatoren, die in den nächsten Jahren aus ausgemusterten Elektroautos zu erwarten sind, beispielsweise Lithium, Kupfer- und Alufolien wiederzugewinnen.

In Elektronikschrott tummelt sich ein wesentlicher Teil der Periodensystems der Elemente

Eine Herausforderung ganz eigener Art ist Elektronikschrott: Er ist komplex zusammengesetzt und daher noch schwieriger in Einzelteile zu zerlegen, andererseits findet sich darin ein wesentlicher Teil der Periodensystems der Elemente. So lassen sich aus Leiterplatten beispielsweise Zinn, Gold, Aluminium, Kupfer und ähnliche leitende Metalle zurückgewinnen, aber auch Seltene Erden.

Dies setzte aber voraus, die Bords entweder zu zerstückeln und dann aufzubereiten, oder eben alle Kontaktstellen aufzuschmelzen, Chips, Kondensatoren, Widerstände und andere Bauteile automatisiert zu demontieren und weiter aufzubereiten.

Helmholtz und Bergakademie haben gemeinsames „Helios Lab“ eingerichtet

Angesichts der komplexen Aufgaben, die sich dabei auftürmen, haben das HIF, die Bergakademie Freiberg und Freiberg Instruments aus Sachsen ein gemeinsames „Helios Lab“ eingerichtet, in dem Ingenieure, Chemiker, Informatiker und andere Experten ihre Pilotanlagen entwickeln und erproben können. Konkret beim Projekt „Intelligente Sensoren für die Kreislaufwirtschaft“ arbeiten Helmholtz und Bergakademie mit Partnern aus der Wirtschaft zusammen, darunter Telops aus Kanada und Sepcim aus Finnland.

Roboter, GPU-Cluster und weitere Sensoren geplant

Im nächsten Schritt wollen die Konsortialpartner die Pilotanlage weiter aufrüsten. Unter anderem bekommt die Linie dann noch Roboter, weitere Sensoren wie ein Raman-Spektrometer und ein leistungsfähiges Computersystem aus Grafikkarten-Chips (CPUs), das „Maschinelle Lernen“ beherrscht.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Tagungs-Vortrag Richard Gloaguen, HZDR, HIF

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt