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Ein Schwede in Sachsen: „In Deutschland steht immer gleich der Weltuntergang bevor“

Der schwedisch-sächsische Halbleiterexperte und Chemiker Jonas Sundqvist reist mit seiner Familie gern und oft. Auf seiner persönlichen Weltkarte zeigt er, wo er besonders gern ist. Foto: Heiko Weckbrodt

Der schwedisch-sächsische Halbleiterexperte und Chemiker Jonas Sundqvist reist mit seiner Familie oft. Auf seiner persönlichen Weltkarte zeigt er, wo er besonders gern ist. Foto: Heiko Weckbrodt

Seit fast zwei Dekaden lebt der Mikroelektroniker Jonas Sundqvist in Dresden – und hat sich sogar an die direkte Art der Sachsen gewöhnt

Ein Leben im Zeichen von Chips, Stollen und Klassik-Volvos: Jonas Sundqvist wurde 1974 Jonas Sundqvist in Helsinki als „Schwedenfinne“ geboren, wuchs als Schwede in Schweden auf und promovierte dort als Chemiker in Uppsala. 2003 folgte er dem Ruf von Infineon und zog nach Dresden um. Seither lebt er – mit Unterbrechungen – in Sachsen und arbeitete in der Mikroelektronik, unter anderem für Infineon, Qimonda und Fraunhofer. Inzwischen hat er mit „Alixlabs“ ein eigenes Halbleiter-Unternehmen in Lund gegründet, das er von Dresden aus leitet. Oiger-Reporter Heiko Weckbrodt hat ihn in der inoffiziellen „Schweden-Siedlung“ nahe am Wachwitzer Fernsehturm besucht und ihn ausgefragt, wie er das Leben hier im Vergleich zu seiner Heimat empfindet, was er an den Sachsen mag und was nicht – und warum er immer wieder hierher zurückgekehrt ist.

Auf Facebook postest Du gerne Bilder von Deinem Uralt-Volvo, der aussieht, als ob er für die Ewigkeit gebaut wurde. Ein Bekenntnis zu Deiner Heimat?

Jonas Sundqvist: In dem kleinen schwedischen Dorf, in dem ich groß geworden bin, haben diese Volvos eine große Rolle im Alltag gespielt. So gut wie jeder fuhr dort Volvo. Und weil wir als junge Kerle kein Bier in der Kneipe bekamen, haben wir das Bier eben im Volvo getrunken, dazu Heavy-Metal-Musik gehört, gefeiert und sind damit herumgefahren. „Cruisen“ haben wir damals dazu gesagt. Der Punkt ist allerdings: Mein Volvo hat ein paar Modifikationen, mit denen ich ihn wohl nicht durch den deutschen TÜV kriege…

Ein echter Schwede braucht natürlich .... einen Volvo. Die sieht das jedenfalls Jonas Sundqvist und lässt auch die Facebook-Gemeinde an seinem automobilen Liebling teilhaben. Bildschirmfoto aus Sundqvists Facebook-Strom

Ein echter Schwede braucht natürlich …. einen Volvo. Die sieht das jedenfalls Jonas Sundqvist und lässt auch die Facebook-Gemeinde an seinem automobilen Liebling teilhaben. Bildschirmfoto aus Sundqvists Facebook-Strom (hw)

Du lebst nun schon zwei Jahrzehnte hier: Was gefällt Dir an Deutschland und den Sachsen – und was nicht?

Zwischen Schweden und Sachsen gibt es viele Parallelen, vielmehr als mit Westdeutschland, das ich immer noch als Ausland empfinde. Ich glaube, das liegt auch an der Vergangenheit: Das Schulsystem in der DDR und in Schweden war, glaub ich, recht ähnlich. Und manche fanden sogar, Schweden sei so eine Art DDR light. Oder umgekehrt. Aber man muss dazu sagen: Das Schweden, das ich 2003 verlassen habe, so à la Bullerbü und Volksheim und man verschließt die Haustieren nicht – das gibt es so heute auch nicht mehr mehr.

Du hast dich aber anfangs schwer damit getan, nach dem Studium und der Promotion in Schweden nach Dresden zu gehen, hast Du mir erzählt. Wieso?

Abgesehen davon, dass viele Schweden nicht besonders viel von Deutschland halten, hatte ich auch ein völlig falsches Bild von Dresden. Alle haben mir gesagt, dass die Engländer und Amerikaner dort im Krieg alles völlig zerstört haben, sich in 40 Jahren Staatssozialismus dann auch nichts getan habe und die Stadt bis heute ein völliges Ödland sei. Umso größer war der Wow-Effekt, als ich nach dem Vorstellungsgespräch bei Infineon hier in einem Mercedes herumgefahren wurde und die Stadt mal richtig gesehen habe. Vor allem in die Neustadt habe ich mich sofort verliebt, dort hatte ich dann auch meine erste Wohnung.

Trotzdem noch mal die Frage: Was gefällt Dir hier nicht?

Diese pessimistische Weltsicht der Deutschen. Hier steht immer gleich der Weltuntergang bevor. Und an Sachsen … (überlegt) … Die Dresdner haben eine sehr direkte Art. Anfangs wurde ich zum Beispiel mal auf der Straße angeschrien und wusste gar nicht, wie mir geschah.

Wer schreit Dich an und warum?

Ach, da hat mich damals einer lautstark zur Rede gestellt, weil ich im Parkverbot stand. In Schweden wär das undenkbar gewesen. Da hätten alle Leute ringsum betreten weggeguckt und irgendwann, wenn ich gegangen wäre, hätte mir einer einen höflichen Zettel unter den Scheibenwischer geklemmt. Hier dagegen kann es Dir passieren, dass dich ein völlig Fremder auf der Straße anspricht. Anfangs war ich sehr verwirrt darüber. Inzwischen finde ich diese direkte Art der Dresdner aber sogar ganz gut.

Was isst Du gerne hier, was nicht so gerne?

Frische Brötchen und der Kuchen vom Bäcker sind hier wirklich gut. Was ich aber vermisse, ist der Fisch aus Schweden.

Empfang mit Schwedenfahne, Dresdner Stollen und schwedischen Lebkuchen bei den Sundqvists in der Dresdner "Schwedensiedlung". Foto: Heiko Weckbrodt

Empfang mit Schwedenfahne, Dresdner Stollen und schwedischen Lebkuchen bei den Sundqvists in der Dresdner „Schwedensiedlung“. Foto: Heiko Weckbrodt

Du hast mir hier neben deine Schwedenfahne einen Stollen und schwedische Lebkuchen hingestellt. Den Stollen rührst Du aber gar nicht an…

Inzwischen esse ich auch gelegentlich mal Stollen. Aber die Lebkuchen aus der Heimat mag ich eigentlich viel lieber. Die machen süchtig: Wenn eine Packung hier angekommen ist, dann hält die nie lange (grinst und greift sich eines der zugegebenerweise wirklich leckeren Lebkuchen-Herzen).

Interview: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt