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Kommentar zum CNT: Abschied vom Hightech-Spitzenfeld auf Raten

Der Kompromiss, den Fraunhofer für das Nanoelektronik-Zentrum CNT in Dresden gefunden hat, erscheint vernünftig – jedenfalls im Vergleich zu einer Totalabwicklung. Denn das Erfolgsrezept der Fraunhofer-Institute beruht auch darauf, industrienah und – zumindest teilweise – nach den Gesetzen des Marktes zu agieren. Dass die FHG bei einem Zentrum mit hohen Kosten und geringen Erlösen irgendwann die Notbremse zieht, ist nachvollziehbar.

Gefahr: Europa steigt peu à peu aus dem Highend-Segment der Halbleiterei aus

Allerdings gehört die Degradierung zur Abteilung auch zu einem Abschied auf Raten – ein Abschied von Europas Anspruch, an vorderster technologischer Front mitzumischen. Denn die CNT-Auflösung ist eine Spätfolge der Qimonda-Pleite. Und mit Qimonda haben sich Sachsen und ganz Europa 2009 von der Jagd nach immer besseren Speicherchips, einer wichtigen Schlüsseltechnologie für andete Branchen, verabschiedet. Misst man das Spitzenfeld in der Halbleiter-Branche an den neuesten Ausrüstungen, den feinsten Strukturen, der höchsten Integration, so sind in Europa allein Globalfoundries in Dresden und Intel im irischen Leixlip noch in diesem Rennen vertreten. Kein Wunder insofern, dass gerade Globalfoundries auf einem Verleib der Front-End-Forschung des CNT im ehemaligen Qimonda-Reinraum institiert hat.

Jeder Schritt für sich verständlich – in der Summe ist der Weg bedenklich

Das Nanoelektronikzentrum allerdings – ähnlich wie seinerzeit die DDR-Chipschmiede ZMD – auf Staatskosten weiter zu alimentieren, dazu konnte sich Sachsen diesmal nicht durchringen. Dabei konnte man schon seinerzeit, als Qimonda pleite ging, durchaus die Scheu des Freistaates verstehen, Qimonda nach Art der Südkoreaner (Beispiel Hynix) finanziell durchzuschleppen und Steuergelder vielleicht in ein Fass ohne Boden zu schaufeln. Und auch für das CNT hat das Land eine institutionelle Förderung, eine Dauerfinanzierung, abgelehnt. Wie gesagt: Jeder Schritt auf diesem Weg ist für sich genommen verständlich – in der Summe jedoch bedenklich.

Luftbild vom Standort: Links die Infineon-Werke, ganz rechts der Reinraum und das Bürohaus, in dem das CNT sitzt. Abb.: FHG

Luftbild vom Standort: Links die Infineon-Werke, ganz rechts der Reinraum und das Bürohaus, in dem das CNT sitzt. Abb.: FHG

Denn der ideelle Wert des CNT für den Standort – etwa als Argument bei Hightech-Ansiedlungen – sollte nicht unterschätzt werden: Nanoelektronik-Forschung an vorderster Front in Reinräumen mit 300-Millimeter-Linien gibt es europaweit allenfalls noch am IMEC. Mit einem Zentrum wie dem CNT konnte das „Silicon Saxony“ insofern immer auftrumpfen – wie schlecht ausgelastet es auch immer war. Umso erfreulicher ist, dass Fraunhofer jetzt wenigstens eine Lösung zurecht gebastelt hat. Keine optimale, aber eine vernünftige. Und man weiß ja, wie das mit dem Spatz in der Hand ist… Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Fraunhofer degradiert CNT Dresden

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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