Wo eigentlich massenhaft Digitalpapier entstehen sollte, forschen ab 2022 die CNT-Nanoelektroniker – und machen so auch Platz für Infineon Dresden
Dresden, 28. August 2019. Für den Technologie-Standort Dresden kristallisiert sich eine gute und eine schlechte Nachricht heraus. Zuerst die schlechte: Das einst britische Unternehmen Plastic Logic (PL) beerdigt wohl endgültig die Vision, in seiner sächsischen Fabrik noch eine Massenproduktion von elektronischem Papier anzukurbeln. Die gute Nachricht: Statt dessen zieht dort bis 2022 das Fraunhofer-Centrum für nanoelektronische Technologien (CNT) ein, das bisher noch in den Infineon-Reinräumen in Dresden-Klotzsche residiert. Den Umzugsplan haben Direktor Hubert Lakner vom CNT-Mutterinstitut für Photonischen Mikrosysteme (IPMS) und Infineon-Standortsprecher Christoph Schumacher auf Oiger-Anfrage bestätigt. Von Plastic Logic gab es dazu bisher keine Stellungnahme.
Lakner spricht von „Triple-Win-Situation“
„Wir haben damit eine Lösung gefunden, die allen drei Beteiligten hilft“, erklärte Lakner. „Infineon kann nach dem Umzug seine Reinräume für eigene Projekte verwenden. Das CNT bekommt dadurch eine neue Perspektive, die künftige Erweiterungen einschließt. Und für die Plastic-Logic-Immobilie haben wir damit auch eine sinnvolle neue Nutzung gefunden. Das ist gewissermaßen eine Triple-Win-Situation.“
Infineon Dresden braucht seine Reinräume nun selbst
Infineon hatte bereits im Januar 2019 avisiert, dass der langjährige Forschungspartner Fraunhofer aus den Reinräumen in Dresden-Klotzsche 2021 ausziehen muss. Grund für die Kündigung: Wegen steigender Nachfrage für die Elektronik aus Dresden will der Halbleiterkonzern dort seine eigene Produktion ausbauen.
Das CNT mit seinen rund 65 Mikroelektronik-Experten ist aber auch gut ausgelastet. Das Zentrum ist ein wichtiger Partner für Globalfoundries und andere Hightech-Firmen im „Silicon Saxony“, wenn es darum geht, neue Chiptechnologien auf 300 Millimeter großen Siliziumscheiben zu entwickeln.
Plastic Logic startete mit ehrgeizigen Plänen – doch die Fabrik in Sachsen rentierte sich nie
Anders sieht die Lage für Plastic Logic aus: Das im Jahr 2000 durch Forscher der Uni Cambridge gegründete Unternehmen hatte 2007 mit hochfliegenden Plänen und staatlichen Millionenbeihilfen seine erste und einzige Fabrik für biegsames elektronisches Papier gebaut. In dem 100 Millionen Euro teuren Werk wollten die Briten zunächst ein innovatives Lesegerät für digitale Dokumente im A4-Format bauen. Doch Apple war 2010 mit seinem iPad schneller und damit starb diese Idee.
PL rang in den Folgejahren um neue Geschäftsmodelle und Kunden, spaltete sich zudem in eine britische Entwicklungsfirma und ein deutsches Produktionsunternehmen auf. Doch zu einer echten Massenproduktion und Vollauslastung kam es in der Dresdner Fabrik nie. Im Oktober zog PL-Chef Tim Burne die Notbremse. Seitdem ruht die Fertigung bei PL Dresden – während die Nachbarschaft boomt: Gleich nebenan wächst die neue Bosch-Halbleiterfabrik aus dem Boden und das Chipmaskenzentrum AMTC hat sich eben erst erweitert.
Direktor: Bund und Land haben Hilfe versprochen
Bevor mit dem CNT wieder Leben in die weitgehend verlassenen PL-Hallen einziehen kann, werden allerdings millionenteure Umbauten nötig sein: Die Mikroelektronik-Versuche von Fraunhofer brauchen eine höhere Reinraumklasse als eine E-Papier-Produktion, auch benötigen die 300-mm-Anlagen des CNT eine etwas andere Infrastruktur. „Der Bund und der Freistaat haben uns aber dabei Hilfe versprochen“, bestätigte Direktor Lakner.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Fraunhofer IPMS, Infineon, Oiger-Archiv und andere
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