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Ostdeutsche Textilindustrie Ost unter Druck

Textilindustrie und Textilmaschinenbau haben in Sachsen lange Traditionen. Hier eine Nähmaschine von Seidel & Naumann Dresden im Industriemuseum Chemnitz. Foto: Heiko Weckbrodt

Textilindustrie und Textilmaschinenbau haben in Sachsen lange Traditionen. Hier eine Nähmaschine von Seidel & Naumann Dresden im Industriemuseum Chemnitz. Foto: Heiko Weckbrodt

Verband VTI: Abwanderung ins Ausland teils schon im Gange

Großschönau, 14. April 2024. Die ostdeutsche Textilindustrie steht zunehmend unter Druck durch hohe Kosten und schwache Umsätze. Viele Unternehmen verlagern daher Teile der Produktion ins Ausland. Das hat der „Verband der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie“ während seiner Jahresbilanz im sächsischen Großschönau (VTI) eingeschätzt. Dabei stützt sich der Branchenverband vor allem auf Rückmeldungen und Umfragen unter Mitgliedsunternehmen.

Umsätze durch Inflationseffekte verzerrt, Abschwung seit Jahresende

Insgesamt sei das Jahr 2023 zwar noch recht stabil verlaufen, informierte der Verband: Die Umsätze hätten in der nordostdeutschen Textilindustrie sogar um fünf Prozent zugelegt. Hinter dieser vermeintlich guten Entwicklung verstecken sich allerdings ernste Probleme. So gingen im Bekleidungssektor die Jahresumsätze um 16,7 Prozent zurück – dieser Sektor stehe „unter extremen Druck“, schätzt der VTI ein. Zweitens drehte sich für die gesamte Branche der Trend gegen Jahresende: So sei der Dezember-Umsatz neun Prozent abgesackt. „Regelrecht dramatisch präsentiert sich für beide Sparten der Januar 2024“, heißt es weiter: Zu Jahresbeginn sackten in allen Teilsektoren um über ein Zehntel ab.

„Teils exorbitanten Kostensteigerungen“

Und drittens sind steigende Umsätze in Zeiten starker Inflation wenig wert: „Die reinen Umsatzzahlen bilden die reale Situation in den Unternehmen nicht mehr ab“, betonen die VTI-Analysten. „Durch den Einfluss der Inflation in Form gestiegener Kosten in allen Bereichen, wachsen zwar die Umsätze, jedoch die Erträge schmelzen.“ Zu den Kostentreibern zählen demnach Strom, Erdgas und generell die Energieausgaben, Rohstoffe, Aufwendungen für Logistik und Transport sowie die Arbeitskosten. „Zwar sind nach teils exorbitanten Kostensteigerungen der Rohstoffe in 2022/2023 diese wieder auf niedrigere Niveaus gesunken, die Energiepreise bleiben jedoch auf einem historisch hohen und nicht wettbewerbsfähigen Niveau.“

Exortorientierte Textilbetriebe besonders gefährdet

Angesichts der hohen Energie- und Rohstoffkosten sei insbesondere die Textilindustrie im Nordosten mit einem Exportanteil von 48 Prozent „zunehmend gefährdet“, warnt der Verband. Zudem drohe eine Verlagerung der Textilindustrie ins Ausland, sei stellenweise auch schon im Gange: „Auch Textilunternehmen unseres Verbandsgebietes haben bereits in Produktionsstätten im Ausland investiert“, informiert der VTI. „Viele Betriebe lassen Produktionsschritte im osteuropäischen Ausland durchführen oder importieren Vorprodukte, die in Europa nicht mehr produziert werden.“

Verband fordert weniger Staatseingriffe in Löhne

Der Verband fordert nun eine mittelstands-freundlichere Wirtschaftspolitik, wobei sich die meisten Forderungen wohl an die Bundesampel richten dürften: „Wettbewerbsfähige Kostenstrukturen für Energie und Rohstoffe, Rücknahme des politischen Einflusses auf die Entwicklung der Arbeitskosten und die Beachtung der regionalen Produktion insbesondere bei der öffentlichen Beschaffung können dazu beitragen, auch weiterhin Wertschöpfung durch Industrieproduktion in Deutschland möglich zu machen.“ Und weiter heißt es vom VTI: „Ohne eine auf den Mittelstand ausgerichtete Wirtschaftspolitik besteht die Gefahr des Rückgangs und des Verlusts der industriellen Leistungsfähigkeit des Landes. Auch die Arbeitsplätze werden verloren gehen. Der zunehmende Bürokratieaufwand und Nachweispflichten müssen auf ein absolut notwendiges und für den Mittelstand ertragbares Maß reduziert werden.“

Viele ostdeutsche Textilbetriebe spezialisierten sich nach der Wende auf technische Textilien, die beispielsweise für Schutzanzüge - wie hier in der Ausstellung "Textil?Zukunft!" in Großschönau - oder im Autobau gebraucht werden. Foto (zugeschnitten): Wolfgang Schmidt für den VTI

Viele ostdeutsche Textilbetriebe spezialisierten sich nach der Wende auf technische Textilien, die beispielsweise für Schutzanzüge – wie hier in der Ausstellung „Textil?Zukunft!“ in Großschönau – oder im Autobau gebraucht werden. Foto (zugeschnitten): Wolfgang Schmidt für den VTI

Nach Zusammenbruch der DDR-Textilindustrie blieben kleine, spezialisierte Betriebe übrig

Die Textilindustrie auf dem Gebiet der ehemaligen DDR hatte nach der Wende bereits einen drastischen Schrumpfkurs erlebt. Großunternehmen im Textilsektor gibt es seither in Ostdeutschland kaum noch. Übrig blieben eher kleine und mittlere Betriebe, die sich auf Nischen spezialisierten, unter anderem auch technische Textilien und Industrie-Textilien, beispielsweise für die Autoindustrie. Laut VTI machen „Technische Textilien“ die Hälfte des Umsatzes der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsbranche aus, gefolgt von Heimtextilien mit rund 30 Prozent und dem Bekleidungssektor mit zirka zehn Prozent.

12.000 Jobs in Sachsen

Der VTI repräsentiert heute laut eigenen Angaben zirka 160 Unternehmen mit insgesamt 16.000 Beschäftigten. Davon sind 12.000 in Sachsen und 2.500 in Thüringen tätig. „Damit gehört diese Region neben NRW, Baden-Württemberg und Bayern zu den vier großen deutschen Textilstandorten“, so der VTI. „Sie verfügt über moderne Spinnereien, Webereien, Strickereien, Wirkereien, Vliesstoffhersteller, Stickereien, Veredelungsbetriebe und Konfektionäre sowie über leistungsfähige Forschungs- und Bildungseinrichtungen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: VTI, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt