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Ostdeutsche Textilindustrie stagniert

Textilmaschinenführerin Heidi Gerber kontrolliert in der Produktion in Wilkau-Haßlau die neuen Garne. Foto: Wolfgang Schmidt

Textilmaschinenführerin Heidi Gerber kontrolliert in der Produktion in Wilkau-Haßlau die neuen Garne. Foto: Wolfgang Schmidt

Umsatz verharrt bei knapp 1,9 Milliarden Euro

Chemnitz, 4. Januar 2019. Die abkühlende Konjunktur der Weltwirtschaft, Handelsstreits und die Probleme der deutschen Autoindustrie gehen auch an der ostdeutschen Textilindustrie nicht spurlos vorbei, die mehr als die Hälfte ihrer Geschäfte mit technischen Textilien realisiert: 2018 verzeichnete die Branche nur noch stagnierende Umsätze. Das geht aus einer vorläufigen Einschätzung des „Verbandes der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie“ (VTI) in Chemnitz hervor. 2017 hatte die ostdeutsche Textilindustrie ihre Umsätze noch um drei Prozent auf 1,87 Milliarden Euro steigern können.

Jenz Otto ist Hauptgeschäftsführer des des Verbandes der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie. Foto: VTI

Jenz Otto ist Hauptgeschäftsführer des des Verbandes der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie. Foto: VTI

Weniger Nachfrage aus Autoindustrie

„Vor allem die Zulieferer von Technischen Textilien für den Fahrzeugbau berichten von spürbar rückläufiger Nachfrage“, berichtete VTI-Hauptgeschäftsführer Jenz Otto. „Angesichts der allgemeinen Konjunkturlage dürfte dieser Trend zumindest mittelfristig anhalten.“

Nach der Wende gingen 95 % aller Jobs flöten

Nach einem starken Schrumpfungsprozess nach der Wende hatte sich die Branche zuletzt durch die Ausrichtung auf technische und technologisch anspruchsvolle Textilien stabilisiert. Bot die DDR-Textilindustrie noch 318.000 Menschen Lohn und Brot, sind nach der Wende etwa 95 Prozent dieser Jobs verloren gegangen. Heute beschäftigt die ostdeutsche Textil-  und Bekleidungsindustrie rund 16.000 Mitarbeiter. Davon arbeiten 12.000 in Sachsen und 2500 in Thüringen. „Damit gehört diese Region neben NRW, Baden-Württemberg und Bayern zu den vier großen deutschen Textilstandorten“, schätzte der VTI ein.

Neuorientierung auf intelligente Textilien

Gerade in Chemnitz und Dresden setzen Textilforscher und teils auch Betriebe auf die Entwicklung von sogenannten „intelligenten Textilien“, die mit eingewobenen Sensoren und Aktuatoren aufgewertet sind. Daraus gefertigte Jacken und Handschuhe werden beispielsweise in der Robotik gebraucht, versprechen aber auch Marktpotenzial im Unterhaltungssektor.

Erste Ausführung eines multimodalen eGloves: Maßgeschneidertes Musikinstrument mit integrierter Sensorik zur Gestenerkennung und drahtlos angekoppeltem Tonwiedergabesystem sowie integrierter Leuchtfunktion für visuelles Feed-Back. Foto: ITM/TU Dresden

Erste Ausführung eines multimodalen eGloves: Maßgeschneidertes Musikinstrument mit integrierter Sensorik zur Gestenerkennung und drahtlos angekoppeltem Tonwiedergabesystem sowie integrierter Leuchtfunktion für visuelles Feed-Back. Foto: ITM/TU Dresden

1/2 des Umsatzes durch technische Textilien

Bereits jetzt entfalle weit mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes der ostdeutschen Branche auf die Technischen Textilien“, informierte der Verband. Darauf folgen die Heimtextilien mit rund 30 Prozent und der Bekleidungssektor mit unter 20 Prozent. „Über 40 Prozent aller Erzeugnisse gehen in den Export.“

Betriebe setzen verstärkt auf Mitarbeiter aus Vietnam, Indonesien und Syrien

Inzwischen hat der Sektor wachsende Probleme, alle Stellen zu besetzen. Die Betriebe setzen daher zunehmend auf die Akquise ausländischer Fachkräfte. „Gute Erfahrungen gibt es in unserem Industriezweig bereits mit Fachkräften aus Vietnam und Indonesien“, schätzte Jenz Otto ein.

Diplom-Textilingenieur Uwe Barth ist Ausbildungsverantwortlicher in der Zwickauer Kammgarn GmbH. Hier unterhält er sich gerade mit seinem Schützling Said Jalal Hussaini. Der 19-jährige Afghane absolviert in dem zur Berliner Peppermint-Gruppe gehörenden Unternehmen in Wilkau-Haßlau eine Berufsausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer "Textil". Foto: Wolfgang Schmidt

Diplom-Textilingenieur Uwe Barth ist Ausbildungsverantwortlicher in der Zwickauer Kammgarn GmbH. Hier unterhält er sich gerade mit seinem Schützling Said Jalal Hussaini. Der 19-jährige Afghane absolviert in dem zur Berliner Peppermint-Gruppe gehörenden Unternehmen in Wilkau-Haßlau eine Berufsausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer „Textil“. Foto: Wolfgang Schmidt

Peppermint-Betriebe bilden junge Flüchtlinge aus

„Wenn wir die Herstellung hoch qualitativer und innovativer Textilien in Deutschland aufrechterhalten wollen, müssen wir uns verstärkt um Arbeitskräfte bemühen“, ergänzte Personalchef Tino Vordank von der Textilgruppe „Peppermint“. „Deshalb bilden wir bei Peppermint gegenwärtig 25 junge Menschen aus sechs Ländern aus, darunter Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan.“ Diese Ausbildungsoffensive sei auch bei den Stamm-Mitarbeitern auf eine sehr positive Resonanz gestoßen. „Die ausländischen Jugendlichen erfahren große Solidarität und Hilfsbereitschaft.“

Autor: Heiko Weckbrodt

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