Neben akademischer Ausbildung in „Künstlicher Intelligenz“ sind auch Nachwuchs-Förderung, Weiterbildung und internationale Akquise gefragt
Dresden, 30. November 2022. Eine bessere Nachwuchsgewinnung für die Schlüsseltechnologie „Künstliche Intelligenz“ (KI), aber auch eine stärkere Aus- und Weiterbildung in diesem Sektor dürften darüber entscheiden, ob Sachsen seine KI-Strategie umsetzen kann. Wieviel KI-Experten genau Wirtschaft und Verwaltung in den nächsten Jahren brauchen, hat zwar noch niemand so genau ausgerechnet – es dürfte sich aber um einige Tausend handeln. „Wir werden die Frage beantworten müssen, wie wir die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich organisieren“, betonte erst kürzlich der sächsische Wissenschafts-Staatssekretär Andreas Handschuh während der Tagung „Innovationstreiber Künstliche Intelligenz in Sachsen“ im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).
Bisher keine reinen KI-Studiengänge in Sachsen
Zwar hatte es in Sachsen bereits in den 1960ern einen kurzen Kybernetik- und KI-Boom gegeben, der nach dem Sturz von SED-Chef Walter Ulbricht jedoch wieder abebbte. Erst seit der Jahrtausendwende hat dieses Forschungsgebiet und damit auch die KI-Ausbildung wieder an Gewicht gewonnen. Doch immer noch gibt es in Sachsen – anders als etwa im bayrischen Deggendorf, in Ulm, Regensburg, oder bald auch in Magdeburg – keine reinen KI-Studiengänge. Auf Künstliche Intelligenz (KI), Maschinelles Lernen (ML) und neuronale Netze spezialisieren können sich angehende KI-Experten hier allerdings im Zuge von Informatik- oder Elektronik-Studiengängen. Akademische Ausbildung vermitteln in diesem Sektor derzeit unter anderem das Institut für Künstliche Intelligenz, die Lehrstühle für „Hochparallele VLSI-Systeme und Neuromikroelektronik“ und für „Wissensbasierte Systeme“ sowie das Zentrum für Hochleistungsrechnen an der TU Dresden, das „Co-Creation-Lab (CCL) Künstliche Intelligenz (KI)“ an der HTW Dresden und an der „Westsächsische Hochschule Zwickau“ (WHZ) sowie das KI-Kompetenzzentrum „ScaDS.AI“ an den Unis Dresden und Leipzig.
Spezielle Zuse-Schule für KI-Absolventen ist noch im Aufbau
Eine spezielle „Konrad-Zuse-Schule“ für KI-Studien befindet sich in Sachsen gerade erst im Aufbau. Gefördert mit rund acht Millionen Euro vom Bund, wird diese „Konrad Zuse School of Excellence in Embedded Composite Artificial Intelligence“ (SECAI) von den Unis Dresden und Leipzig, vom „Center for Advancing Electronics Dresden“ (Cfaed), vom „Center for Tactile Internet with Human-In-The-Loop“ (Ceti), vom Else-Kröner- Fresenius-Center for Digital Health, vom Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften und vom Scads.AI organisiert.
Helmholtz und „Jugend hackt“ wollen Schüler für KI-Karrieren begeistern
Derweil haben auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das HZDR und der Dresdner Ableger des Verbundes „Helmholtz AI“ hierzulande eigene Bildungs-Formate aufgebaut. Gemeinsam mit „Jugend hackt“ bietet das Team um HZDR-Forscher Dr. Peter Steinbach beispielsweise KI-Veranstaltungen für Schüler an. Außerdem haben die Helmholtz-Wissenschaftler eigene KI-Beratungs-Teams gebildet. Die unterstützen andere Forscher dabei, „Maschinelles Lernen“, Muster- und Anomalie-Erkennung sowie andere KI-Ansätze in der Praxis einzusetzen.
HZDR-Direktor: „Ein Forschungszentrum heute so etwas wie ein großes Datenzentrum“
Ein weiteres Reservoir an KI-Experten entsteht gewissermaßen automatisch: So bilden sich in der freien Wirtschaft viele Informatiker mit der alten „Learning by doing“-Methode selbst zu KI-Spezialisten weiter. Ähnliches gilt für viele Wissenschaftler, die mit großen Datenmengen aus Großforschungsanlagen zu tun haben: Sie programmieren ihre Software oft gleich selbst und generieren dabei oft auch ganz originäre KI-Lösungen. „Im Grunde ist ein Forschungszentrum heute so etwas wie ein großes Datenzentrum“, erklärt HZDR-Wissenschaftsdirektor Prof. Sebastian Schmidt. Die schnelle Datenauswertung – auch durch KI-Methoden – sei dabei das A und O. Besonders hervorgetan hat sich in dieser Hinsicht das Team um Dr. Michael Bussmann, das vom jungen Casus-Institut in Görlitz aus ständig die schnellsten Supercomputer in aller Welt mit selbstgeschriebenen komplexen Simulationsprogrammen zum Schwitzen bringt.
Mehrgleisige Strategie notwendig
Dennoch dürften all diese bisher verfügbaren Quellen für KI-Fachkräfte im Freistaat kaum reichen, um den großen Bedarf an versierten Experten in der sächsischen Mikroelektronik, Autoindustrie, im Maschinenbau, im Banken- und Versicherungsgewerbe, in Behörden und bei anderen KI-Anwendern zu decken. Und das heißt: Um zu einem führenden KI-Standort in zumindest einigen ausgewählten Segmenten zu werden, wie in der KI-Strategie vorgesehen, muss Sachsen zweigleisig klotzen: seine Studienangebote weiter ausbauen, zugleich aber auch Fachkräfte aus dem Ausland anlocken.
Fraunhofer-Experte: Brauchen hier ambitionierte KI-Projekte, damit internationale Talente herkommen und bleiben
Damit bahnt sich allerdings ein „Henne-Ei-Problem“ an: Sächsische Unternehmen und Institute werden internationale Talente nur anlocken können, wenn die hier auch an richtig herausfordernden KI-Projekten an vorderster Front arbeiten können. Solche Top-Vorhaben rund um eigene KI-Sprachmodelle, universelle Wissensgraphen, Sprachassistenten und dergleichen müssen aber eben erst mal gestemmt werden – der Vorsprung der USA und der Chinesen ist bereits enorm. „Wir brauchen hier Cutting-Edge-Forschung“*, meint Dr. Nicolas Flores-Herr vom noch jungen Dresdner Standort des „Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme“ (IAIS), das sich mit eben solchen Projekten beschäftigt. „Denn mit spannenden Themen schaffen wir es auch, dass die richtig guten Forscherinnen und Forscher hierher kommen und hier bleiben und nicht alle zu Amazon oder Google gehen.“
*Cutting-Edge-Forschung = Spitzenforschung an vorderster Front
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Tagung „Innovationstreiber Künstliche Intelligenz in Sachsen“, SMWK, HZDR, Fraunhofer-IAIS, Casus, KI-Strategie Sachsen, Oiger-Archiv
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