Vorausschauende Überwachung durch Sensoren soll Ausfallquote und Kosten der Verkehrsbetriebe senken
Dresden/Leipzig, 30. März 2022. Moderne „Industrie 4.0“-Technologien sollen in Dresden und Leipzig künftig dafür sorgen, dass die Straßenbahnen seltener ausfallen, drohende Gleisschäden prophylaktisch behoben werden können und die Wartungskosten für die Verkehrsbetriebe spürbar sinken. Das geht aus einer Ankündigung der Technischen Universität Dresden (TUD) hervor.
TU und Fraunhofer wollen öffentlichen Nahverkehr attraktiver und preiswerter machen
„Mit Hilfe der Digitalisierung wollen wir die Fahrzeugwartung ressourcengerecht stärken, um so die Verfügbarkeit für Kunden weiter zu erhöhen“, kündigte Projektleiter Prof. Markus Kästner vom TUD-Institut für Festkörpermechanik an. Dies könne den öffentlichen Personennahverkehr attraktiver und durch die eingesparten Wartungs- und Reparaturkosten letztlich auch preiswerter machen
Messstraßenbahn wird mit Sensoren gespickt und mit KI gekoppelt
Im ersten Schritt rüsten Forscher der TUD sowie des Fraunhofer-Keramikinstituts IKTS aus Dresden und Cottbus für das Pilotprojekt „LRVTwin“ eine Messstraßenbahn mit speziellen Sensoren aus und koppeln sie mit einer Künstlicher Intelligenz (KI). Die künstlichen Augen und Ohren sollen den Zustand der Bahn und der Gleise fortwährend überwachen. Eine Rechnerwolke von Robotron Dresden übernimmt dann die Datenanalyse.
Nahende Schäden erkennen, bevor das Bauteil bricht
Letztlich soll die dabei eingesetzte KI durch maschinelles Lernen imstande sein, nahende Brüche oder andere Schäden gewissermaßen vorausahnen. In solchen Fällen kann sie den zuständigen Ingenieuren prophylaktische Reparaturen empfehlen. Umgedreht lassen sich anhand der ermittelten „Gesundheitsdaten“ der Bahn auch überflüssige Turnus-Wartungen abblasen, wenn klar ist, dass das jeweilige Bauteil noch eine ganze Weile hält.
Vorausschauende Wartung kann in Fabriken bis zu 30 % der Wartungskosten sparen
Diese Technologie nennt sich „Vorausschauende Wartung“ („Predictive Maintenance“ = PM). Sie zählt zum Technologiekreis für die hochautomatisierten Fabriken der „Industrie 4.0“ und wird beispielsweise so ähnlich bereits im Dresdner Chipwerk von Globalfoundries eingesetzt, um Reinstwasser-Ventile und Wafer-Transportsysteme vorausschauend zu warten. Praktiker und PM-Experten gehen davon aus, dass sich mit dieser Technologie etwa 20 bis 30 Prozent der sonst üblichen Wartungskosten sparen lassen.
Digitale Zwillinge der Tramflotte
Diese Technologie wollen die Projektpartner im nächsten Schritt an je zehn Straßenbahnen der Dresdner und der Leipziger Verkehrsbetriebe in der Praxis testen. Wenn sie sich bewährt, könnte sie auf alle Straßenbahnen der beiden Stadtflotten ausgedehnt werden. Wenn perspektivisch alle Trams solche Technik an Bord haben, könnte die KI im Hintergrund automatisch „Digitale Zwillinge“ aller Straßenbahnzüge erstellen und fortlaufend erstellen. Die Flottenbetreiber könnten dann den aktuellen Zustand ihrer Bahnen und des Gleisnetzes stetig aus der Ferne im Auge behalten.
Nur zuverlässiger Nahverkehr ist attraktiv
Wenn sich das wiederum in Dresden und Leipzig eingespielt hat, wollen die Forscher diese Technologie auch in weiteren Städten – zum Beispiel in den Kohlerevieren von Sachsen und Brandenburg – einsetzen und auf andere Verkehrsmittel ausdehnen. Das Interesse seitens der Verkehrsbetriebe ist groß: „Nur durch einen leistungsstarken und zuverlässigen öffentlichen Nahverkehr lässt sich in Leipzig, Dresden und andernorts die Verkehrswende nachhaltig gestalten“, argumentiert Mario Blumstengel von den Leipziger Verkehrsbetrieben. „Die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge ist hier für unsere Kunden entscheidend, um die Attraktivität insgesamt zu steigern.“
Auch Robotron und andere Mittelständler an Bord
Mit an Bord sind beim Projekt „LRVTwin“ die Institute für Festkörpermechanik sowie für Leichtbau und Kunststofftechnik der TUD, das Fraunhofer-IKTS, die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), Robotron, der Instandhalter „IFTEC“ aus Leipzig, die „SDS Schwingungs Diagnose Service GmbH“, die „Estino GmbH“ und das „Leichtbau-Zentrum Sachsen“. In Summe rechnen die Partner mit Projektkosten um die drei Millionen Euro. Davon schießt das Bundesverkehrsministerium 2,2 Millionen Euro zu.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: TUD, Oiger-Archiv
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