Dresdner Mobilfunk-Guru Fettweis sieht zuviele Angriffspunkte
Dresden, 6. Mai 2021. Der Mobilfunk der 5. Generation (5G) eignet sich – anders als zunächst konzipiert – derzeit doch noch nicht für das autonome und funkvernetzte Fahren, etwa mit Robotertaxis. Das hat Prof. Gerhard Fettweis von der TU Dresden am Rande des digitalen Mobilfunk-Gipfels „2. IEEE 5G++ Summit Dresden“, an dem derzeit rund 500 internationale Fachbesucher teilnehmen, eingeschätzt. 5G sei immer noch zu schwach gegen mutwillige Angriffe und Ausspähversuche geschützt.
Plädoyer auf Mobilfunk-Gipfel in Sachsen für Upgrade auf 5G++
„Wir müssen deshalb nicht unbedingt auf 6G warten, müssen 5G aber weiterentwickeln“, sagte Fettweis, der als einer der führenden deutschen und internationalen 5G-Experten gilt. Auch mit Blick auf diesen „Upgrade“-Willen hat er inzwischen sein Mobilfunklabor von „5G Lab“ in „5G++ Lab“ umbenannt.
Angreifer könnten mit Jammer-Waffen vernetzte Autos und Fabriken lahmlegen
„Wir müssen die Resilienz und die Anonymisierungsfähigkeiten von 5G verbessern“, gab Fettweis im Oiger-Gespräch eine Marschrichtung aus. So gebe es inzwischen eine neue Generation besonders weitreichender Anti-Elektronik-Waffen. Diese „Radio Frequency Jammer Guns“ können mit ihren Störsignalen nicht nur Drohnen vom Himmel holen, sondern mit leichten Modifikationen auch 5G-vernetzte Autos oder 5G-Fabriken lahmlegen. Mit ein paar 100 Euro und etwas Fachkenntnis für Frequenzmodifikation können sich beispielsweise Konkurrenten großer Industrieunternehmen oder Hasser einer bestimmten Automarke solche Hochfrequenz-Gewehre auf chinesischen Plattformen wie „Alibaba“ kaufen und damit alles zum Erliegen bringen, was elektronisch und 5G-vernetzt ist und ihnen nicht in den Kram passt. „Wir haben diese Lücke damals einfach nicht bedacht“, räumt der Professor ein, der seinerzeit der Entwicklung dieses Mobilfunkstandards mitgearbeitet hatte.
Diese Angriffsflanke lasse sich aber durch 5G-Weiterentwicklungen von 5G mindern: Netzexperten könnten Basisstationen beispielsweise eine Angriffs-Früherkennung einprogrammieren sowie die Fähigkeit, bei Jammer-Attacken rasch auf andere Frequenzen auszuweichen. Auch wäre es denkbar, die Richtantennen von 5G-vernetzten Autos in so einem Fall neu ausrichten.
Immer engere Symbiose von Smartphone und Auto birgt Risiken
Als weiteres Problem hat sich die Smartphonitis der Menschheit herausgeschält: In China beispielsweise gelten Autos ab einer gewissen Preisklasse inzwischen als nahezu unverkäuflich, wenn sie keine organische Symbiose mit dem Handy des Fahrers eingehen können. Sprich: Der gemeine Chinese erwartet von seinem Fahrzeug, dass es die gewohnten Apps und ganze Oberfläche seines persönlichen Androiden oder iPhones auf allen Displays spiegelt, wenn er einsteigt. Zum Extrem hat das der indische Konzern Tata geführt, der sein Billigauto „Tata Nano“ in der Standardversion ohne alle Unterhaltungselektronik, sondern nur mit einer Handy-Schale ausgeliefert hat. Das Smartphone wird so zur alleinigen Navigations- und Unterhaltungsschaltzentrale des ganzen Fahrzeugs.
Für 2/3 ist Smartphone-Kompatibilität inzwischen wichtiges Autokauf-Kriterium
Und diese Trends schwappen längst auch hinüber nach Europa: Mehr als zwei Drittel der deutschen Automobilisten machen die Kaufentscheidung für ein Fahrzeug inzwischen auch davon abhängig, ob die Benutzeroberfläche im Autocockpit mit dem eigenen Smartphone kompatibel ist. Das hat jüngst eine Umfrage des deutschen Digitalwirtschaftsverbandes „Bitkom“ aus Berlin ergeben.
Neugierige Apps orten laufend mit
Diese immer engeren Symbiosen zwischen Auto und Mobiltelefon öffnen jedoch Angriffen durch verseuchte Apps auf dem Smartphone und über andere Wege neue Tore. Und: Auf den meisten Smartphones sind mindestens zwei bis drei Apps installiert, die den Standort des Nutzers ständig orten. Die so erfassten Bewegungsmuster geben sie über die nächste 5G-Basisstation am Straßenrand gen Übersee weiter – und diese Daten sind dann prinzipiell durch Unbefugte abgreifbar. „Nun mag es zwar niemanden interessieren, über welche Kreuzung ich gerade fahre“, sagt Fettweis. „Aber wenn über dadurch Politiker oder andere Promis ortbar werden, kann das zum Problem werden.“
Anonymisierungs-Schild vorgeschlagen
Daher müsse 5G künftig einen zusätzlichen Anonymisierungs-Schild bekommen. Der würde zwar die Weitergabe der Fahrzeugdaten noch an die nächstgelegenen lokalen Rechnerwolken und Funkstationen erlauben, damit zum Beispiel so ein vernetztes Robotertaxi überhaupt fahren kann. Aber die Anonymisierungsschicht müsste künftig verhindern, dass diese Daten weiter ins Netz geschleust werden.
6G kommt 2030
Solche Zwischenschritte und Teilverbesserungen von 5G seien zweifellos notwendig, denn bis zur nächsten Mobilfunk-Generation dauere es noch eine Weile, betonte der Professor. „Ich rechne damit, dass 6G erst 2030 kommt.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Videointerview Fettweis, 5G++ Lab Germany, Oiger-Archiv
Zum Weiterlesen:
5G-Gipfel in Dresden: Schub für KI-Technologien
TU baut superschnelles 5G-Modem
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