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Fraunhofer Dresden säubert Grubenwasser im Erzgebirge

Die Archivaufnahme von 1980 zeigt DDR-Bergleute in der Zinngrube Ehrenfriedersdorf. Foto: Eugen Nosko, Deutsche Fotothek, Slub, Wikipedia, CC3-Lizenz, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Die Archivaufnahme von 1980 zeigt DDR-Bergleute in der Zinngrube Ehrenfriedersdorf. Foto: Eugen Nosko, Deutsche Fotothek, Slub, Wikipedia, CC3-Lizenz

Projekt „Terzinn“: In Ehrenfriedersdorf wollen IKTS-Forscher mit modernen Technologien Wertstoffe aus belastetem Wasser gewinnen

Dresden/Ehrenfriedersdorf, 30. März 2021. Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) Dresden testet mit Partnern aus Forschung und Wirtschaft in Ehrenfriedersdorf im Erzgebirge neue Umwelttechnologien. Das Projekt „Technologieentwicklung und Erprobung für nachhaltiges Wassermanagement und additive Rohstoffgewinnung am Modellstandort Zinnerzgrube Ehrenfriedersdorf“ (Terzinn) setzt sich mit den ökologischen Folgeschäden alter Bergwerke auseinander. Es zielt darauf, wertvolle Rohstoffe zurückgewinnen und letztlich die Lebensqualität in Bergbau-Gemeinden verbessern. Dafür hat sich das Institut nun die Nutzungsrechte an einer stillgelegten Zinngrube in Ehrenfriedersdorf gesichert, teilte das IKTS heute mit.

Forscher möchten Umweltbilanz und Akzeptanz von Bergbau verbessern

„Bergbau hinterlässt einen großen ökologischen Fußabdruck im Wasserhaushalt der Erde“, betont Fraunhofer-Projektkoordinator Hans-Jürgen Friedrich. „Wir hoffen, dass unser Projekt dabei hilft, die Akzeptanz und die Umweltbilanz von Bergbau wieder zu verbessern.“

Arsen aus Ehrenfriedersdorf ist sogar noch in Hamburg nachweisbar

Der Standort für „Terzinn“ ist bewusst gewählt, denn die Bergbautraditionen reichen im Erzgebirge bis ins 13. Jahrhundert zurück und die Folgeschäden sind bis heute spürbar. Im alten Bergwerk in Ehrenfriedersdorf förderten Bergleute vor der Wende tonnenweise Zinn, Wolfram und Arsen. Nach der politischen Wende in der DDR wurde der Betrieb stillgelegt – doch viele Altlasten sind geblieben. Heute belastet das Grubenwasser die Umwelt mit Eisen, Fluorid und Sulfat – sowie jährlich mit etwa 1,2 Tonnen Arsen-Verbindungen. In Hamburg sind rund vier Prozent des Arsens im Elbwasser auf das Bergwerk Ehrenfriedersdorf zurückzuführen. Erheblich sind die Auswirkungen auch in der unmittelbaren Nachbarschaft der alten Grube: Die Gemeinde Ehrenfriedersdorf muss ihren arsenhaltigen Klärschlämm seit Jahren als Sondermüll entsorgen.

Gemeinde hofft auf sauberes Wasser

Das wichtigste Ziel der Pilottests ist es, das kontaminierte Grubenwasser – einige Millionen Kubikmeter pro Jahr – so aufzubereiten, dass es als Brauchwasser nutzbar wird. Für die Region wäre der Nutzen groß. Die Ehrenfriedersdorfer Bürgermeisterin Silke Franzl (FWBF) begrüßt daher das Engagement des Projektkonsortiums ausdrücklich: „Die Menschen in Ehrenfriedersdorf und Umgebung hoffen auf Innovationen, die für sauberes Wasser sorgen. Der Fokus liegt für uns auf dem Wunsch, die Schadstoffe aus den Bergbauwässern und Böden zu entfernen, um die negativen Auswirkungen für Mensch und Umwelt, aber auch die enormen finanziellen Aufwendungen zu minimieren.“

Grubenwasser könnte Dünger und Akku-Metalle liefern

In den Pilottests wollen die Forscher und Forscherinnen zudem Wertstoffe aus dem Grubenwasser extrahieren. Das könnte helfen, die Betriebskosten einer späteren großtechnischen Anlage zumindest teilweise zu decken. Beispielsweise werden mit dem Wasser pro Jahr auch etwa acht Tonnen Fluoride aus dem alten Bergwerk gespült. Gelingt es, diese Verbindungen abzutrennen, könnten sie zu Flussspat – einem wichtigen Grundstoff für die Metall- oder Glasindustrie – weiterverarbeitet werden. Aus anderen Elementen im Wasser ließen sich einige Hundert Tonnen Ammoniumsulfat-Dünger pro Jahr erzeugen. Das Projektkonsortium wird ebenfalls untersuchen, inwieweit sich strategische Rohstoffe wie Lithium, Indium oder Tellur gewinnen lassen.

Die Fraunhofer-Experten wollen auch Elektrolyse und Elektrodialyse einsetzen, um aus dem kontaminierten Grubenwasser in Ehrenfriedersdorf die Wertstoffe herauszulösen. Foto (Hintergrund und Farbmodell bearbeitet): Fraunhofer IKTS Dresden

Die Fraunhofer-Experten wollen auch Elektrolyse und Elektrodialyse einsetzen, um aus dem kontaminierten Grubenwasser in Ehrenfriedersdorf die Wertstoffe herauszulösen. Foto (Hintergrund und Farbmodell bearbeitet): Fraunhofer IKTS Dresden

Koordinator setzt auf elektrochemische Trennverfahren

Bis Ende 2023 wollen die Projektpartner verschiedene Anlagenmodule im Stollensystem installieren und erproben. IKTS-Projektkoordinator Hans-Jürgen Friedrich setzt dabei unter anderem auf elektrochemischen Verfahren, um das besonders giftige dreiwertige Arsen in leichter abtrennbares fünfwertiges Arsen umzuwandeln und weitere Schadstoffe abzutrennen. „Diese elektrochemischen Technologien standen bisher im Ruf, zu teuer zu sein“, erklärte Fraunhofer- Gruppenleiter. „Wir wollen den Beweis antreten, dass dem nicht so ist.“

Ehrenfriedersdorf könnte Lösungen für Bergbau-Altstandorte weltweit liefern

Das Konsortium plant auch, die Arsenkonzentration im behandelten Grubenwasser künftig automatisiert hydrochemisch zu überwachen. Industrie 4.0-Technologien übernehmen die Steuerung der Module. Und die Partner möchten weitere innovative Ansätze ausprobieren, beispielsweise bepflanzte Kläranlagen („Constructed Wetlands“), die Abwasser mit naturnahen Methoden säubern. Die Ergebnisse sollen später in großtechnische Lösungen einfließen – in Ehrenfriedersdorf, aber auch an anderen Bergbaustandorten in Deutschland wie der Lausitz oder der ganzen Welt.

Über „Terzinn“

Am Forschungsvorhaben „Terzinn – Technologieentwicklung und Erprobung für nachhaltiges Wassermanagement und additive Rohstoffgewinnung am Modellstandort Zinnerzgrube Ehrenfriedersdorf“ beteiligen sich acht Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft: die Unternehmen Zinnerz Ehrenfriedersdorf, G.E.O.S. Ingenieurgesellschaft, Wismut, BIT Tiefbauplanung, ibes sowie das Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik Meinsberg, die Bergakademie Freiberg und das IKTS Dresden. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt mit rund einer Million Euro. „Terzinn“ gehört zum Bergbaualtlasten-Forschungsbündnis „Recomine – rethinking resources“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IKTS, Wikipedia

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