Bücherkiste, zAufi

Krimi „Zeit der Angst“: Tote Huren und brutale Polizisten

Zeit der Angst von Christoffer Carlsson. Cover: Randomhouse, Bertelsmann

Zeit der Angst von Christoffer Carlsson. Cover: Randomhouse, Bertelsmann

Der Schwede Christoffer Carlsson hat das letzte Puzzle seines zerrütteten Ermittlers Leo Junker veröffentlicht

Im schwedischen Krimi „Zeit der Angst“ taucht beim Stockholmer Kripo-Ermittler Leo Junker ein Geist aus seiner Vergangenheit auf: Sein krimineller Jugendfreund Grim bittet ihn, einen fünf Jahre alten Fall noch einmal aufzurollen – den ungeklärten Mord an der Hure Angelica Reyes. Seine Recherchen stürzen Junker in einer Labyrinth der Zweifel: Er rätselt nicht nur an den Grims Interesse an diesem alten Fall, sondern schließlich auch an der Integrität der ganzen Polizei. Dabei spielen Spitzel, Passfälscher, vermeintliche Terroristen und Polizisten mit zuviel Machtanmaßung wichtige Rollen.

Die Würze liegt im Zweifel

Mit diesem finalen Puzzle schließt der Kriminologe und Autor Christoffer Carlsson seine Quadrologie über seinen alles andere als gradlinigen Ermittler Leo Junker ab. All diese Bücher haben einen ganz eigenen düsteren Charme, literarisch bewegt sich Carlsson damit auf Augenhöhe mit Mankell, Nesbro und Larsson: Er weiß nicht nur verwickelte Verbrechen und Ermittlungen spannend zu erzählen, sondern verschränkt sie auch raffiniert mit einer psychologischen Sicht auf die schwedische Gesellschaft, streut Zweifel an allem, was wir fest zu wissen glauben.

Christoffer Carlsson. Foto: Sara Arnald

Christoffer Carlsson. Foto: Sara Arnald

Nichts ist eindeutig, was bleibt verborgen?

Überhaupt würzt der Kriminologe seine Geschichten mit all jenen Fragen, die immer wieder tief in uns nagen: Was macht uns aus? Was macht meine Identität aus? Was können wir überhaupt gewiss über einen anderen Menschen wissen? Wo liegen die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit, was bleibt uns für immer verborgen? Der letzte Satz der Quadrologie ist Teil dieses Programms: „Und von dem Moment an wisst ihr nichts mehr von mir.“ Man fühlt sich an eine legendäre Internet-Sentenz erinnert, die sinngemäß sagt „Alles jenseits der zweiten Trefferseite von Google existiert überhaupt nicht.“

Weniger verschachtete Erzählweise

Ein Kritikpunkt noch: Leider hat Carlsson – ähnlich wie seinerzeit Adler-Olsen – seit dem furiosen Erstlingswerk stilistisch etwas zurückgeschraubt: Die vielschichtig-verschlüsselte und komplexe Erzählweise im „Turm der toten Seelen“ mag man in den Folgeromanen etwas vermissen.

Fazit: Ein Lesevergnügen

Dennoch ist ihm mit „Zeit der Angst“ wieder ein deutlich überdurchschnittlicher Krimi mit vielen Verästelungen und packendem Stockholmer Lokalkolorit gelungen – ein Lesevergnügen.

Kurzinfos:

  • Autor: Christoffer Carlsson
  • Titel: „Zeit der Angst“
  • Genre: Krimi
  • Deutsche Ausgabe: Bertelsmann/Randomhouse 2018
  • Umfang: 368 Seiten
  • Preis: 15 Euro
  • ISBN: 978-3-570-10344-9
  • Leseprobe: hier

 

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt