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Chinas wachsende Elektroauto-Industrie schreckt Westen auf

Elektroauto "Robocar Ji Yue" des chinesischen Autokonzerns Geely. Foto: Zhejiang Geely Holding Group

Elektroauto „Robocar Ji Yue“ des chinesischen Autokonzerns Geely. Foto: Zhejiang Geely Holding Group

Trendforce-Analyse: USA und EU reagieren zunehmend mit Abwehrpaketen gegen asiatische Wettbewerber

Taipeh, 26. Februar 2024. Die zwar immer noch eher bescheidenen, aber doch wachsenden Exporterfolge der chinesischen Autoindustrie rufen immer mehr Gegenreaktionen westlicher Regierungen hervor. Darauf hat das taiwanesische Marktforschungs-Unternehmen „Trendforce“ aus Taipeh hingewiesen. Wegen des Vorsprung der chinesischen Elektroauto-Industrie sorgen sich Politiker in EU und USA zunehmend um die Zukunft der eigenen Autobranche – und greifen al Antwort in die protektionistische Mottenkiste.

Chinesen exportieren 1,2 Millionen Stromer, Hybride und H2-Autos

So hat China im Jahr 2023 rund 4,8 Millionen Autos exportiert. Ein Viertel – also 1,2 Millionen – davon waren Autos mit Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffantrieb. Das sind zwar noch eher bescheidene Zahlen, aber der Aufwärtstrend ist unübersehbar.

Vorsprung über Jahre aufgebaut

Einen Vorsprung in puncto Markterfahrung und Technologie haben die Chinesen insbesondere in der Elektrofahrzeug-Produktion. Er entstand durch mehrere Faktoren: Einerseits sind die Hersteller im Reich der Mitte schon vor vielen Jahren in die Fertigung von einfachen Elektrofahrrädern, dann auch elektrischen Bussen, Autos und anderen Vehikeln eingestiegen. Dadurch haben sie über Dekaden hinweg eine besondere Expertise aufgebaut. Unterstützend wirkten dabei nach „Trendforce“-Einschätzung auch frühere Regierungs- und Industrieinitiativen. Zudem kommen sie durch die große Binnennachfrage auf ihrem Heimatmarkt auf hohe Stückzahlen – was wiederum die Stückkosten drückt. Mittlerweile habe „Chinas Elektrofahrzeugindustrie eine vollständige Lieferkette und Kostenvorteile aufgrund der schnellen technologischen Entwicklung und einen intensiven Wettbewerb“ entwickelt, betonen die Analysten.

VW-Stromer in China nicht wettbewerbsfähig

Und all dies macht zunehmend den Wirtschaftspolitikern in Europa und den USA Sorge: Sie sehen die Felle für ihre nationalen Autoindustrien davon schwimmen, die erst viel später als die Chinesen ernsthaft in eine Massenproduktion elektrischer Autos eingestiegen sind. Folge: Auf dem chinesischen Markt sind die Stromer einstiger Branchenführer wie Volkswagen kaum wettbewerbsfähig, da zu teuer und zu wenig an chinesische Bedürfnisse geeicht. Und viele dieser angestammten Autokonzerne im Westen fürchten nun großangelegte Großoffensiven chinesischer Elektroauto-Hersteller, die zu niedrigeren Preisen längst Fahrzeuge mit mehr Funktionen und besseren technischen Daten liefern – auch wenn die Qualität wohl immer noch nicht so ganz mit westlichen Standards mithalten kann.

Westliche Politiker ringen um Balance aus Protektionismus und Umweltschutz-Agenda

Daher versuchen viele Regierungen, die Chinesen von den westlichen Märkten möglichst weitgehend auszusperren. Diese protektionistische Politik, die ein freies Angebot billiger Stromer behindert, läuft allerdings der umweltpolitischen Agenda der EU und vieler US-Bundesstaaten zuwider, die Autofahrer zu einer Abkehr von Verbrennern zu bewegen. Von daher stecken viele westliche Politiker in einem Dilemma fest: „Für Regierungen auf der ganzen Welt ist es eine dringende Aufgabe, den Schutz lokaler Unternehmen, die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und die Verwaltung der Verbraucherkosten in Einklang zu bringen“, heißt es in der Trendforce-Analyse.

Amerikaner belegen chinesische Autos mit 25 % Abwehrzoll

In der Praxis läuft dies auf einen Abwehrkampf gegen chinesische Exportkraft hinaus: „Beispielsweise erheben die USA einen Zoll von 25 % auf Fahrzeugimporte aus China und diskutieren über weitere Erhöhungen“, so die Analysten. „Zu den von den USA ergriffenen Maßnahmen – insbesondere für Elektrofahrzeuge – gehört die Anforderung, dass Elektrofahrzeuge und ihre Batterien in Nordamerika montiert werden müssen. Darüber hinaus müssen kritische Mineralien in den Batterien aus Ländern stammen, die Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnet haben, um Subventionen in Höhe von insgesamt 7500 US-Dollar zu erhalten. Daher ist die chinesische Lieferkette ausgeschlossen.“ Auch die EU-Kommission versucht sich auf Umwegen aus der von ihr sonst gerne vertretenen Freihandelspolitik heraus zu manövrieren, um die eigenen Industrien zu schützen. „Die EU hat eine Antisubventionsuntersuchung gegen in China hergestellte Elektrofahrzeuge eingeleitet“, erinnern die Trendforce-Forscher. „Und Frankreichs neues Subventionssystem für Elektrofahrzeuge erfordert die Einhaltung von CO2-Emissionsstandards bei der Herstellung, wodurch viele aus China importierte Elektrofahrzeuge effektiv ausgeschlossen werden.“

Drehen Chinesen den Spieß um?

Abzuwarten bleibt, ob es damit gelingt, die chinesischen Wettbewerber dauerhaft von den Westmärkten fernzuhalten. Zudem könnten die Chinesen zu ähnlichen Verlagerungs-Strategien greifen, wie sie früher westliche Autokonzerne genutzt hatten, um im Reich der Mitte einen Fuß in die Tür zu bekommen: So wie seinerzeit VW & Co. Autofabriken in China bauten, könnten die Chinesen in Zukunft verstärkt auch in Autofabriken im EU-Raum oder in den Vereinigten Staaten investieren, um deren Abwehrzölle, Schutzgesetze und andere neo-merkantilistische Maßnahmen zu vermeiden.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Trendforce, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt