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Handwerker im Digitalzeitalter

HTS-Chef Thomas Vogel. Foto: Heiko Weckbrodt

HTS-Chef Thomas Vogel. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Haustechnik-Firma HTS geht neue Wege bei Fachkräfte-Bindung

Dresden, 28. November 2023. Während viele Handwerker ein Lehrstellenangebot nach dem anderen in den sogenannten „sozialen Medien“ absetzen, weil ihnen der berufliche Nachwuchs ausgeht, kann sich Thomas Vogel seine Auszubildenden auswählen. Eine inzwischen seltene Situation, die sich der Chef der auf Heizungs- und Badbau sowie Reparaturen spezialisierten „HTS Haustechnik & Service GmbH“ in Dresden gemeinsam mit seinem Team aber eben langfristig erarbeitet hat: „Unser Fokus liegt auf den Mitarbeitern“, betont Vogel. „Wir wollen, dass sie gerne bei uns arbeiten.“

Zulieferer belädt Autos der Monteure über Nacht vor der Haustür

Dazu gehört beispielsweise, dass die Beschäftigten mit ihren Lebensentwürfen und familiären Konstellationen nicht allein gelassen werden: „Da muss man sich eben auch solchen Themen wie Elternzeit oder kranken Kindern stellen“, sagt der Chef. „Aber das bekommt man mit vernünftiger Organisation geregelt.“ Ein weiteres Beispiel: Damit die Monteure nicht für bloße Beladeroutine extra ins Firmenlager fahren müssen, hat die HTS zusammen mit einem Großhändler ein deutsches Pilotprojekt umgesetzt. Dabei belädt der Zulieferer über Nacht die Transporter der HTS-Monteure vor deren Wohnungstür, so dass die am nächsten Morgen etwas mehr Zeit für die Familie haben – und mit genau den richtigen Bauteilen und Werkzeugen sofort zum Kunden starten können.

Hauseigene Mitarbeiter-App der Dresdner deutschlandweit gefragt

„Möglich ist das freilich nur, weil wie bei der Digitalisierung schon recht weit sind“, meint der Geschäftsführer. Denn auch das gehört für Vogel zum Rezept, um einen Handwerksbetrieb im 21. Jahrhundert erfolgreich zu führen: Durchgängig elektronische Auftrags- und Ressourcenplanung bis hin zu einer eigenen App, die Vogel extra für die Belegschaft hat entwickeln lassen, damit die Beschäftigten Urlaubsscheine aus der Ferne einreichen, ihre Einsatzorte sehen und Arbeitszeiten komfortabel per Smartphone planen können. „Das ist unsere eigene Software-Lösung, die wir auch an andere Handwerker deutschlandweit vertreiben“, erzählt Vogel. Der strikte Digitalkurs im Unternehmen schlägt sich ebenso sichtbar an den Arbeitsplätzen von Disponenten und Lagerverwaltern nieder. Wo früher Zettelwirtschaft herrschte, thronen diese Mitarbeiter heute in Rondells aus gewölbten Monitoren, Computer und Telefonen, die an den Leitstand einer großen Fabrik erinnern.

HTS-Disponent Martin Tutlewski in seiner "Schaltzentrale". Foto: Heiko Weckbrodt

HTS-Disponent Martin Tutlewski in seiner „Schaltzentrale“. Foto: Heiko Weckbrodt

„Damals hatte die Branche ein ganz schlechtes Rating“

All dies wirkt auf Besucher wie ein gut geöltes, schnurrendes Uhrwerk, das die ganze Zeit wie von selbst läuft. Diese Abläufe aufzubauen und immer weiter zu modernisieren, hat indes fast drei Jahrzehnte gedauert. Und es hat eben auch für den gelernten Anlagenmechaniker aus Freital seine Zeit gedauert, bis er das Unternehmen auf Wachstumskurs gebracht hatte. Im Januar 1996 gründete er in Dresden seinen eigenen Haustechnik-Betrieb mit einem Darlehen von 650.000 Mark – „wir Ossis haben damals gesagt: mit 650.000 D-Mark Schulden“, erinnert er sich. Seinerzeit sei es gar nicht so leicht gewesen, die Banken zu bewegen, ihm einen Kredit zu geben. „Heute haben alle erkannt, wie wichtig wir Haustechniker für die Energiewende sind. Damals aber hatte die Branche ein ganz schlechtes Rating.“

Schnell wachsende Branche

Heute gehört diese Handwerkssparte zu den besonders schnell wachsenden: Setzte die deutsche Haus- und Gebäudetechnikbranche im Jahr 2013 weltweit 51,6 Millionen Euro um, so haben diese Umsätze laut Statista seither auf 77,7 Milliarden Euro zugelegt. Insgesamt umfasst diese Sparte in der Bundesrepublik rund 49.800 Unternehmen mit 543.000 Beschäftigten.

Reminiszenz an frühere Zeiten der Haustechnik: alter Gasherd als Exponat im HTS-Stammsitz in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Reminiszenz an frühere Zeiten der Haustechnik: alter Gasherd als Exponat im HTS-Stammsitz in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Zurück in die 1990er: Letztlich bekam Vogel doch den Kredit und spezialisierte sein junges Unternehmen auf die Wartung und den Service an Heizungen, Gas- und Sanitäranlagen. Nach und nach kamen der eigene Anlagenbau, Heizungs- und Badausstattung sowie Solartechnik und Lösungen für das vernetzte Heim hinzu. Außerdem entstand eine Abteilung, die sich eigens um die Begutachtung und Reparatur von Wasserschäden kümmert.

Bad als „Wohlfühlraum“ statt „Nasszelle“

Parallel dazu wurden und werden die Aufträge komplexer: „Bei den Bädern zum Beispiel ist ein Trend hin zum barrierefreien Umbau zu erkennen“, berichtet der HTS-Geschäftsführer. Denn viele, die nach der Wende mit 40 ein Eigenheim gebaut oder erworben haben, sind jetzt im Rentenalter – und da wird manche bauliche Extravaganz von früher zum immer schwerer überwindbaren Hindernis. „Außerdem ist das Bad längst nicht mehr nur die schlichte Nasszelle wie früher, sondern bekommt mehr und mehr den Status eines ,Wohlfühlraums’, in dem dann eben auch viel zu installieren ist.“

Heizungs-Trend geht zu Hybridanlagen

Anspruchsvoller sind über die Jahre hinweg auch die Heizungsprojekte geworden: Will beispielsweise ein Eigenheimbesitzer eine Wärmepumpe haben, müssen Heizkörpergrößen, Dämmung und Wärmeverteilung ganz anders geplant werden als in fossilen Zeiten. Diese Lösungen funktionieren wiederum in größeren Gebäuden nicht unbedingt genauso. Gerade in diesem Marktsegment stieg in jüngster Zeit die Nachfrage für gasbetriebene Großkesselanlagen der Klasse 250 bis 500 Kilowatt, die manche Wohnungsgesellschaft noch vor dem nahenden Gebäudeenergiegesetz installiert haben möchte. Derweil zeichnet sich aber auch ein wachsendes Interesse an Mischlösungen ab, die Gas und Wärmepumpe kombinieren, um große Wohngebäude doch mit dem geforderten Ökoenergie-Anteil heizen können. Denn Wärmepumpen, so meint Vogel, werden in neuen Eigenheimen in Zukunft zwar meist recht gut die Heizlast abdecken können. Doch in vielen großen Altbau-Komplexen mit Hunderten Wohnungen werde das kaum mit vertretbarem Sanierungsaufwand zu schaffen sein. „Daher geht der Trend zu Hybridanlagen.“

Auf der anderen Seite stehe die Entwicklung hin zum „Smart Home“: „Wenn man Heizung, Wärme- und Energieerzeugung, Energieverbraucher, Photovoltaik und Wärmepumpe in einem Gebäude richtig verknüpft, sind erhebliche Effizienzgewinne möglich“, sagt Vogel. Auch hier hat die HTS inzwischen viel Expertise aufgebaut.

„Nicht nur Kritik von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben“

Und derart anspruchsvolle Projekte zu realisieren, braucht ein moderner Haustechnik-Handwerksbetrieb allerdings nicht mehr nur eine Handvoll Klempner, sondern auch Anlagenmechaniker, Sanitärtechniker, Elektriker, Fliesenleger, Maler, Trockenbauer, ja sogar Gutachter und Software-Experten. So ist die HTS-Belegschaft inzwischen auf knapp 70 Beschäftigte gewachsen. Und weil die benötigten Fachkräfte rar gesät sind, bildet die HTS selbst aus: 15 Auszubildende hat das Unternehmen derzeit, die nach dem Abschluss meist bleiben. Das sorgt für eine junge Belegschaft mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren – und für eine flexible Unternehmensführung: „Bei uns gibt es nicht nur Kritik von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben“, sagt Vogel. Damit müsse ein Unternehmer klar kommen und es sogar fördern, um sich stetig zu erneuern. „So sichern wir uns die Zukunft.“

Kurzüberblick

  • Firma: HTS Haustechnik & Service GmbH

  • Geschäftsfelder: Installation, Wartung und Reparatur von Heizungen, Bädern, Klimatechnik, Solartechnik und „Smart Home“-Technik sowie Wasserschäden-Reparatur

  • Hauptsitz: Behringstraße in Dresden

  • Belegschaft: knapp 70 Beschäftigte inkl. 15 Auszubildende

  • Umsatz: rund acht Millionen Euro (2022)

  • Mehr Infos im Netz: hts-dresden.de

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: Vor-Ort-Besuch HTS. ingenieur.de, statista, Wikipedia

Hinweis: Dieser Bericht ist in einer ähnlichen Version zuerst in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt