Dresdner Ökonom Thum sieht gesellschaftliche Nachteile im „GmbH-gebV“-Konzept / IHK Dresden sieht Pro und Contra
Dresden, 20. Juni 2023. Die jüngste Erinnerung von 22 Wirtschaftsverbänden an die Bundesampel, in Deutschland die versprochenen „Unternehmen mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) als neue Rechtsform für das viel diskutierte „Verantwortungseigentum“ einzuführen, stößt in Sachsen auf ein geteiltes Echo. Neben Zustimmung gibt es auch skeptische Stimmen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, während die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden Vor- wie auch Nachteile sieht.
Beirats warnt vor Steuerlücken und Kontrollverlust
Verantwortungsvolles Unternehmertum sei gewiss zu unterstützen, betonte beispielsweise der Dresdner Ökonom Prof. Marcel Thum auf Oiger-Anfrage. Doch die gewünschte neue Rechtsform berge erhebliche wirtschafts- und wettbewerbspolitische sowie steuerrechtliche Risiken. Dabei verwies Thum einen 32-köpfigen wissenschaftlichen Beirat, den er selbst geleitet hatte, und der in einem Gutachten vom April 2022 für das Bundesfinanzministerium zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen war. „Wir haben in dem Gutachten auch auf mögliche Governance-Probleme hingewiesen, das heißt, dass die eingesetzten Mittel nicht wirklich effizient verwendet würden.“ Dabei meint „Governance“ die Kontrolle und Korrektur von Fehlentwicklungen im Unternehmen, vor allem durch eine zu sehr dominierende Geschäftsleitung.
Thum: „Gegenteil von gesellschaftlich verantwortungsvollem Umgang“ droht
„Natürlich spricht nichts gegen verantwortungsvolles Unternehmertum“, betonte der Wirtschaftsforscher der TU Dresden und Leiter der Dresdner Außenstelle des Ifo-Institut. „Allerdings bringt die neue Rechtsform zahlreiche Nachteile, ohne wirklich verantwortungsvollen Umgang mit unternehmerischem Vermögen zu verbessern.“ Insbesondere sei zu befürchten, dass in den geplanten „Unternehmen mit gebundenem Vermögen“ die Einnahmen wenig effizient verwendet und Steuerlücken ausgenutzt werden könnten. „Über die neue Rechtsform könnten Körperschafts-, Erbschafts- und Schenkungssteuer umgangen werden“, warnte Thum. „Das wäre geradezu das Gegenteil von gesellschaftlich verantwortungsvollem Umgang.“
GmbH-gebV würde ganze Steuerebenen sparen
Einerseits könne die neue Rechtsform für „Verantwortungseigentum“ als Steuersparmodell miss braucht werden, argumentiert auch die Mehrheit der Experten im Beirat. Denn weil es bei dieser neuen Unternehmensform keine Ausschüttungen gibt, würde für eine GmbH-gebV die dafür vorgesehene Steuerlast wegfallen. Auch würde durch die Nennwert-Bewertung der größte Teil der Erbschaft- und Schenkungssteuern wegfallen.
Beirat votiert gegen neue Unternehmensform
Zudem überhöhe das Modell „die Gründerfreiheit zulasten der Freiheit späterer Generationen“, warnt der Beirat. Und die erwartbare Kapitalmarkt-Abschirmung klinge auch nur im ersten Moment gut: Externe Investoren sind nämlich nicht per se nur „Heuschrecken“, sondern in vielen Fällen auch ein Korrektiv für Fehlentwicklungen innerhalb eines Unternehmens. Zum anderen schränkt dies die Möglichkeiten ein, das Unternehmen in Krisenzeiten liquide zu halten. In der Konsequenz votiert der Beirat gegen die geplante Rechtsform der GmbH-gebV. „Die bestehende Rechtsordnung bietet bereits ausreichend Raum für verantwortungsvolles Unternehmertum“, heißt es in der Expertise.
Beiratsmitglied: Probleme lassen sich durchaus heilen
Allerdings gab es in dem von Thum geleiteten Expertengremium zum Thema auch eine zustimmende Meinung: Die angesprochenen Lücken lassen sich durchaus schließen, argumentierte ein Beiratsmitglied und verwies eben auch auf die möglichen Vorteile der neuen Rechtsform: Sie könnte viele Nachfolgeprobleme heutiger Familienunternehmen entspannen. Auch würde sie Gründern entgegenkommen, die durch den Einstieg von Risikoinvestoren die Eigenständigkeit neu gegründeter Firmen gefährdet sehen.
Die geplante neue Rechtsform „als Angebot einer weiteren Gesellschaftsform zu verstehen“ sei in Ordnung, meint derweil der Dresdner IHK-Sprecher Lars Fiehler auf Oiger-Anfrage. „Man muss aber davor warnen, diese Gesellschaftsform als besser oder ethisch wertvoller zu bezeichnen, als andere.“
IHK-Sprecher: Für Mitarbeiter-Bindung taugt das kaum
Eine Gesellschaft mit gebundenen Vermögen sei eine einfache Möglichkeit, Erfolg und Misserfolg von den Eigentumsverhältnissen am Unternehmen zu entkoppeln, meint Fiehler. „Es profitieren nur die Beschäftigten am Erfolg des Unternehmens, in erster Linie die Geschäftsführer. Die Gesellschaftsform eignet sich aber nicht, um Mitarbeiter zu binden, denn selbst wenn die Mitarbeiter Gesellschaftsanteile bekämen, haben sie daraus keine finanziellen Vorteile.“ Und: „Gerade Gründer sollten sich die Wahl dieser Gesellschaftsform gut überlegen: Sie haben dann nämlich keine Möglichkeit mehr, das aufgebaute Gesellschaftsvermögen im Alter zu verwerten oder vorher schon als erfolgreiches Unternehmen zu veräußern.“
Befürworter: Durch Verantwortungseigentum wächst der Familienbetrieb zur Fähigkeiten- und Werteverwandtschaft
Die Befürworter sehen hingegen in „Verantwortungseigentum“ und „GmbH-gebV“ zahlreiche gesellschaftliche Vorteile und ein Schritt hin zu einer ethischen Transformation der Wirtschaft. Im Kern komme dieses Konzept „einer Erweiterung des Verständnisses von Familienunternehmen gleich“ und bilde eine „Fähigkeiten- und Werteverwandtschaft” ab, argumentiert unter anderem die „Stiftung Verantwortungseigentum„. Gewinne seien hier nur Mittel zu einem vorher definierten Unternehmenszweck. „Die Stimmrechte und damit die Kontrolle über das Unternehmen liegt bei Menschen, die mit dem Unternehmen verbunden sind und die Werte des Unternehmens langfristig tragen – damit ist das Unternehmen selbstbestimmt.“
Stiftungsmodell taugt eher für Großunternehmen
Bisher gibt es mit dem Stiftungsmodell zwar schon eine Form von Verantwortungseigentum in Deutschland, das beispielsweise Zeiss und Bosch verfolgen. Die Befürworter der GmbH-gebVs wünschen sich jedoch eine einfachere Rechtsform, die auch zu kleinen und mittleren Betrieben passt.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Marcel Thum (TUD), Lars Fiehler (IHK Dresden), Oiger-Archiv, Stiftung Verantwortungseigentum
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