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Unternehmens-Rechtsform für Verantwortungseigentum gefordert

"Schlüssel zum Leben" liegen massenhaft am Eingang der Ausstellung herum. Damit können Besucher die Erklärungen zu den Exponaten aktivieren. Foto: Heiko Weckbrodt

Eine Grundidee des „Verantwortungseigentums“: Der Schlüssel zum Unternehmen sind die Menschen, die darin arbeiten. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsverbände plädieren für „Gesellschaften mit gebundenem Vermögen“

Berlin, 19. Juni 2023. 22 Wirtschaftsverbände haben von der Bundesampel gefordert, endlich den versprochenen Rechtsrahmen für Unternehmen in „Verantwortungseigentum“ einzuführen. Konkret plädieren sie als Lösung für die Rechtsform „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmgV). Dies werde den Standort Deutschland stärken, heißt es in dem Papier. Zudem könne ein solcher Schritt die Transformation der Wirtschaft zu modernen Formen fördern, in denen sich die Beschäftigten einfacher mit „ihrem“ Unternehmen identifizieren. Verantwortungseigentum könnte womöglich auch Antworten auf drängende Herausforderungen wie den Fachkräftemangel liefern.

BNW-Chefin: Reform soll Identifikation der Beschäftigte mit „ihrer“ Firma stärken

„Aus vielen Gesprächen mit unseren Mitgliedsunternehmen weiß ich, dass immer mehr Unternehmerinnen ihre Firmen als aktive Gestalterinnen einer nachhaltigen Transformation verstehen, als Gemeinschaften von Gleichgesinnten“, argumentierte beispielhaft Geschäftsführerin Katharina Reuter vom „Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft“ (BNW). „Die Rechtsform der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen gibt ihnen die Möglichkeit, die Identifikation für Beschäftigte sicherzustellen. So können ihre Unternehmen im Sinne der Werte-Orientierung selbstbestimmt weitergeführt werden.“

IT-Mittelständler sehen neue Lösung für Nachfolgeprobleme

„Die neue Rechtsform der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen ist dringend notwendig, um kleinen und mittelständischen Unternehmen mit ihrer Innovationskraft und Expertise eine weitere Option einer Nachfolgeregelung zu geben und sie in Deutschland zu halten“, schließt sich auch der „Bundesverband IT-Mittelstand“ (BITMi) diesen Forderungen an. „In Hinblick auf unsere mittelständig geprägte Digitalwirtschaft ist die Einführung der neuen Rechtsform also auch ein wichtiger Faktor für unsere digitale Souveränität. Denn nur mit fest im Markt verankerten IT-Unternehmen mit gesicherter Nachfolge können wir die Digitalisierung selbstbestimmt mitgestalten“, betonte BITMi-Präsident Oliver Grün.

Antworten auf wachsende Nachfolge-Probleme erwartet

Hintergrund für diese Argumentationslinie sind die wachsenden Probleme vieler Unternehmer, ihr Familienunternehmen an den Sohn oder die Tochter weiterzugeben, die eben lieber andere Lebenswege einschlagen. Laut der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) stehen demnächst für etwa 120.000 Unternehmen pro Jahr Unternehmensnachfolgen an. Doch in der Praxis gelingt dies nur noch in jedem zweiten Fall innerhalb der Familie. Von daher versprechen sich die Unterzeichner des jüngsten Papiers vom Verantwortungseigentum auch einen gewissermaßen erweiterten Familienbegriff: von der genetischen Familien hin zu einer „Werte- und Fähigkeiten-Familie“, innerhalb der das Unternehmen zum Nennwert weitergegeben wird.

Was ist eigentlich „Verantwortungseigentum“?

Die Diskussion um „Verantwortungseigentum“ hat in Deutschland in jüngerer Vergangenheit an Fahrt aufgenommen. Dahinter steht die Idee, den Zweck wirtschaftlicher Unternehmungen nicht primär im Profit zu sehen, sondern um bestimmte – unter Umständen auch gesellschaftliche beziehungsweise soziale – Ziele zu verfolgen. Auch wenn eine allseits anerkannte Definition bisher aussteht, gelten aber doch folgende wichtige Kerneigenschaften als entscheidend für „Verantwortungseigentum“:

  • Die Gründer dürfen das Unternehmen nicht an Betriebsfremde verkaufen.
  • Unternehmensführung und -eigentum sind immer in der Hand von Menschen, die im Unternehmen auch tätig sind.
  • Damit lässt sich solch ein Betrieb nicht mehr ohne weiteres vererben.
  • Auch kann allenfalls eine Anteils-Minderheit gehandelt werden.
  • Die Eigentümer dürfen Gewinne nicht beliebig vereinnahmen, sondern müssen sie größtenteils ins Unternehmen beziehungsweise dessen definierte Zwecke re-investieren.
  • Die Vermögensbindung überwacht ein Aufsichtsverband.

In Deutschland setzen Unternehmen bisher eher auf Stiftungen

Ein Teil dieser Ideen ist schon recht alt. Auch deshalb sind in Deutschland selbst einige recht große und bekannte Unternehmen etwa als Stiftungen organisiert. Dazu gehören zum Beispiel Zeiss und Bosch.

In Dänemark und anderen Ländern gibt es inzwischen auch weitergehende Rechtsformen, die stärker einem neueren Verständnis von „Verantwortungseigentum“ entsprechen. Unter diesem Eindruck hatte die aktuelle Bundesampel in Berlin in ihrem Koalitionsvertrag auf Seite 30 versprochen, solch einen Rechtsrahmen auch in Deutschland zu schaffen. Daran erinnern nun eben knapp zwei Dutzend Wirtschaftsverbände die Koalitionäre. Zu den Unterzeichnern gehören neben BNW und BITMi unter anderem der Mittelstandsverband BVMW, der Startup-Verband, der Blockchain-Bundesverband, die Stiftung Verantwortungseigentum, mehrere IHKs und weitere Organisationen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: BNW, BITMi, KfW, Oiger-Archiv, Wikipedia, Koalitionsvertrag SPD – Grüne – FDP

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt