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Fachkräfte-Reservoir in Thüringen fast ausgeschöpft

In den nächsten Jahren verlassen weit mehr Menschen das Arbeitsleben als neue hinzukommen. Visualisierung: Dall-E

In den nächsten Jahren verlassen weit mehr Menschen das Arbeitsleben als neue hinzukommen. Visualisierung: Dall-E

Ifo Dresden: Reserven reichen nicht, um zukünftigen Fachkräftebedarf zu decken

Dresden/Erfurt, 21. Juni 2023. In Thüringen hat in absehbarer Zeit nicht genug Fachkräfte, um den Wirtschaftsbedarf zu decken. Das haben Wirtschaftswissenschaftler vom Ifo Dresden ausgerechnet. „Das regionale Potenzial an Fachkräften ist nicht so groß, wie es oft dargestellt wird, und wird voraussichtlich nicht ausreichen, um den zukünftigen Fachkräftebedarf zu decken“, schätzt Ifo-Forscher Ernst Glöckner im Aufsatz „Mit regionalen Potenzialen gegen den Fachkräftemangel?“ ein.

385.000 gehen bis 2035 in Rente

Demnach verlassen bis zum Jahr 2035 rund 385.000 Menschen in Thüringen das Arbeitsleben. Aber nur 247.000 Stellen können von Nachwuchskräften besetzt werden. Um die Lücke von 138.000 Stellen zu besetzen, haben die Ifo-Forscher Vorschläge parat. Demnach lassen sich noch etwa 15.200 Langzeitarbeitslose reaktivieren, schätzt Glöckner. Weitere Potenziale lassen sich erschließen, wenn künftig mehr Frauen arbeiten, Teilzeit-Arbeiter sich zur Vollzeit überreden lassen und Fernpendler dauerhaft in den Freistaat zurückkehren. Auch Zuwanderung werde die Lücke nicht schließen können, heißt es in dem Aufsatz: „Zuwanderung in den bisherigen Größenordnungen reicht bei weitem nicht aus, den auch in Zukunft weiter negativen Saldo von Geburten und Sterbefällen zu kompensieren.“

In der Praxis schrumpfen rechnerische Potenziale zusammen

Das sieht zwar rechnerisch nach genug Potenzial aus. Allerdings warnt Glöckner vor übergroßem Optimismus: „Die öffentliche Debatte zielt oft darauf ab, darzulegen, welches dieser Potenziale am besten aktiviert werden sollte“, betont er. „Es zeigt sich aber, dass in vielen Fällen unter realistischen Annahmen alle zusammen nicht ausreichen würden, um wesentlich zur Deckung des Fachkräftebedarfs beizutragen. Rechnerische Potenziale schmelzen schnell zusammen, sobald man Qualifikationen und Altersstruktur betrachtet.“ Zudem stehe Thüringen bei der Fachkräfte-Akquise in der Konkurrenz zu anderen Bundesländern. „Dabei sind die ökonomischen Pull-Faktoren Thüringens eher negativ“, schätzt der Forscher ein. „Niedrigere Löhne und eine Wirtschaftsstruktur, die durch viele eher unbekannte Kleinunternehmen und durch in der Wertschöpfungskette eher ,nachgelagerte‘ Betriebe geprägt ist und deswegen nur geringe Aufstiegschancen bietet, machen das Land im Vergleich zu anderen Standorten eher unattraktiv.“ Seine Folgerung: „Umso sinnvoller ist es, alternative Strategien zu verfolgen – zum Beispiel eine schnellere Digitalisierung.“

Quelle: Ifo Dresden

Wissenschaftliche Publikation:

Ernst Glöckner: „Mit regionalen Potenzialen gegen den Fachkräftemangel?“, in: „Ifo Dresden berichtet“, 3/2023, hier im Netz zu finden

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt