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„Königsmörder“: Hatz durch die neue Welt

Robert Harris: Königsmörder. Abb.: Heyne-Verlag

Robert Harris: Königsmörder. Abb.: Heyne-Verlag

In seinem neuen Historienkrimi erzählt Robert Harris, wie aus vermeintlich gottauserwählten Kriegern gehetzte Flüchtlinge in Amerika werden

In seinem neuen Historienkrimi „Königsmörder“ taucht der englische Star-Autor Robert Harris („Vaterland“) in ein Ausnahmekapitel der britischen Geschichte ein: Jene Zeit, in der England für kurze Zeit eine Republik war. Eine Republik nur dem Namen nach allerdings, die von einem Militärdiktator und rücksichtslosen religiösen Fanatikern dominiert wurde, die König Charles köpfen ließ – und in sich zusammenbrach, kaum dass Lordprotektor Oliver Cromwell gestorben war. In der Folge wurde England wieder zur Monarchie. Die wiederum jagte erbarmungslos all jene, die direkt am Tod des alten Königs beteiligt gewesen waren.

Der Kronrat schickt seinen rachsüchtigen Häscher aus

Um diese „Königsmörder“ hat Harris seinen jüngsten Roman gesponnen. Darin lässt die neue-alte Herrscherkaste alle am Todesurteil gegen den König beteiligten Männer hängen, bei lebendigem Leibe kastrieren und ausweiden, um sie schließlich zu köpfen und zu vierteilen – das volle Programm eben. Nur den beiden Obersten Whalley und Goffe gelingt es, diesem grausamen Schicksal zu entgehen, indem sie sich in den englischen Kolonien in Amerika verstecken. Dort meinen sie zunächst, sich frei bewegen und ihre alten Predigten fortsetzen zu können. Doch in einer zunehmend globalisierten Welt haben sie da die Rechnung ohne den rachsüchtigen Oberhäscher Richard Nayler gemacht: Der jagt von London aus erst im Auftrag des Kronrats und dann auf eigene Faust die beiden Männer bis in die amerikanische Wildnis hinein: Die einst so selbstbewussten Offiziere, die sich für von Gott auserwählt hielten, müssen fortan ein klägliches Leben in Isolation führen, in ständiger Angst, wegen der auf sie ausgesetzten Belohnung durch den nächsten Mitmenschen verraten zu werden.

Verwoben mit der Frage, warum England zur Monarchie zurückkehrte

Aus diesem Stoff schneidert Harris eine faszinierende transatlantische Kriminalgeschichte, die auch Deutschland, Holland und die Schweiz streift. Harris, der sich in „Vergeltung“ zuletzt wieder der jüngeren deutschen Vergangenheit zugewandt hatte, nutzt diese Story für etwas Unterricht in englischer Geschichte: Wie das durch Luther in Wittenberg ausgelöste Schisma eben auch die britische Gesellschaft in „Papisten“, Königstreue, Parlamentarier und Puritanter spaltete. Und wie dies in Bürgerkrieg, Gewaltexzessen und einer kurzen Militärdiktatur unter Cromwell mündete. Ganz en passant liefert er dem kontinentalen Leser zudem ein paar Erklärungsansätze, warum die Briten am Ende doch lieber einen König zurückhaben wollten statt das, was ihnen da als Republik verkauft wurde. Wie üblich, listet Harris gegen des Buches ausgewählte wissenschaftliche Literatur rund um die historischen Königsmörder auf, die in seine fiktionale Geschichte eingeflossen ist.

Helden oder bigotte Schlächter?

„Königsmörder“ ist für den deutschen Leser auch angesichts des speziellen Themas womöglich nicht ganz so spannend wie etwa sein großer Was-wäre-wenn-Roman „Vaterland“, aber deutlich gelungener als die etwas belehrend wirkende „Vergeltung“. In seinem neuen Buch vermag der routinierte Romancier Harris zu fesseln – nicht zuletzt, weil er seine „Königsmörder“ eben als ambivalente Menschen schildert, die sich mal wie gotterwählte Helden gebärden, dann wieder als völlig ausgetickte religiöse Eiferer. Ständig schwankt man hin und her, auf welcher Seite man stehen soll oder vielmehr nicht stehen soll.

Robert Harris. Foto: Bernd Hoppmann für den Heyne-Verlag

Robert Harris. Foto: Bernd Hoppmann für den Heyne-Verlag

Fazit: lohnt sich

Harris hat hier wieder einen solide geschriebenen und dicht geflochtenen Historienkrimi abgeliefert. Der dürfte nicht zuletzt auch all jene ansprechen, die sich ohnehin für britische Geschichte, radikale religiöse Strömungen des Christentums sowie die Wurzeln der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung interessieren.

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Kurzüberblick:

  • Autor: Robert Harris
  • Titel: „Königsmörder“
  • Genre: Historienkrimi
  • Umfang: 544 Seiten
  • Preis und ISBN: Analogbuch 24 Euro, ISBN 978-3-453-27371-9, E-Buch: 19 Euro, ASIN ‎ B0B82DN34J bzw. EAN 9783641291617
  • Originaltitel: „Act of Oblivion“ (2022)
  • Deutsche Ausgabe: Heyne-Verlag 2022
  • Übersetzer: Wolfgang Müller
  • Eine Leseprobe gibt es hier

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt