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Medizintechnik aus Dresden für den Kampf gegen Corona

Auch das gehört nun zum Firmenprofil:  "Coool Case-Chef Christian Michel mit einem für für die Firma Brita entwickelten Wasserspender.  Foto: Heiko Weckbrodt

Auch das gehört nun zum Firmenprofil: „Coool Case-Chef Christian Michel mit einem für für die Firma Brita entwickelten Wasserspender. Foto: Heiko Weckbrodt

„Coool Case“ baut in der neuen Fabrik in Reick derzeit an der Auslastungsgrenze wichtige Spezialgehäuse für Intensivstationen

Dresden, 18. März 2020. Kurz nach dem Umzug nach Dresden-Mickten nach Reick brummt die neue Fabrik des ehemaligen PC-Herstellers „Coool Case“ bereits in Überauslastung. „Andere fahren runter, wir fahren hoch“, sagt Geschäftsführer Christian Michel. Das habe aber keinen freudigen Anlass, sondern mit der Corona-Pandemie zu tun: Die Dresdner liefern die Spezialgehäuse für jene Medizintechnik, die jetzt dringend an den Beatmungsbetten auf den Intensivstationen der Krankenhäuser gebraucht wird. „Wir können uns vor Aufträgen kaum retten.“

In anderen Sektoren über ein drittel weniger Aufträge wegen Corona

Mit Wachstumssprüngen für sein Unternehmen rechnet der Chef dennoch nicht. Der Umsatz werde wohl auf dem Vorjahresniveau um die neun Millionen Euro verharren, schätzt er. „Im Moment mögen wir überlastet sein mit Medizintechnik-Aufträgen. Doch wir rechnen durch Corona-Effekte auch mit starken Einbrüchen um die 30 bis 40 Prozent in den anderen Sektoren, aus denen wir sonst Aufträge bekommen.“

Werkzeugmacher Michael Dreßler sortiert an einer CNC-Maschine in der neuen "Coool Case"-Fabrik ein Werkzeuglager. Foto: Heiko Weckbrodt

Werkzeugmacher Michael Dreßler sortiert an einer CNC-Maschine in der neuen „Coool Case“-Fabrik ein Werkzeuglager. Foto: Heiko Weckbrodt

Unternehmen wird aufgeteilt

Doch Michel bereitet schon den nächsten Schachzug vor. „Gegen Ende des Jahres will ich das Unternehmen aufteilen“, kündigt er an. „Mit etwa zehn bis 15 Spezialisten werde ich – als meine letzte unternehmerische Tätigkeit – die bisherige Auftragsentwicklung unter dem Namen ,Coool Design’ ausgliedern und zu einem eigenständigen Betrieb aufbauen“, sagt der 62-Jährige. „Wir werden dort mit geballtem Ingenieurwissen für unsere Kunden komplette Produkte entwickeln und sie vom Prototypenbau und die Zertifizierung zur Serienreife führen. Wenn der Kunde dann eine Serienproduktion wünscht, übernimmt das der neue ,Coool Case’-Betrieb, der sich auf die Auftragsproduktion innovationsgetrieber, hochwertiger Gehäuselösungen spezialisieren wird.“ Diese Firma mit etwa 70 Mitarbeitern soll dann sein Sohn Marvin leiten – der 32-jährige Betriebswirt und Wirtschaftspsychologe ist bisher Ko-Geschäftsführer bei „Coool Case“.

Die letzten PC-Gehäuse von "Coool Case" werden bis Anfang April 2020 ausgeliefert. Damit endet auch eine Ära, die mit der PC-fabrik von Robotron in den 1980ern Dresden mitgeprägt hatte. Foto: Heiko Weckbrodt

Die letzten PC-Gehäuse von „Coool Case“ werden bis Anfang April 2020 ausgeliefert. Damit endet auch eine Ära, die mit der PC-fabrik von Robotron in den 1980ern Dresden mitgeprägt hatte. Foto: Heiko Weckbrodt

Aus für PC-Fertigung

„Von der Lohnfertigung im Billigsegment wollen wir uns weitgehend verabschieden“, sagt Michel senior. „Und auch den PC-Sektor beerdigen wir: Bis April liefern wir noch eine Charge aus, dann demontieren wir die letzte Anlage dafür.“ Allerdings sei diese Entscheidung mit gemischten Gefühlen begleitet: Immerhin endet damit eine ganze Ära der Computer-Produktion, die die Dresdner Wirtschaft über Jahrzehnte geprägt hatte. Denn die Wurzeln von „Coool Case“ führen letztlich bis zur großen PC-Fabrik des DDR-Computerkombinats Robotron an der Bodenbacher Straße. Die entwickelte unter den Namen „Comped“ und „CED“ noch bis in die 1990er Jahre hinein Rechner wie den „Design-PC“, die ihrer Zeit voraus waren – allerdings mit Stückpreisen von 24.000 Mark auch viel zu teuer. 1996 übernahm die Siegerländer Gruppe „Schäfer IT“ den Betrieb, errichtet eine neue Fabrik an der Treidlerstraße in Mickten und montierte dort für einige Jahre recht erfolgreich PCs für Marken wie Vobis.

Noch aus der Robotron-Tradition heraus entstanden: Der Design-PC des "Coool Case"-Vorgängers Comped war in den 90ern seiner Zeit voraus - aber mit 24.000 D-Mark viel zu teuer. Foto: Heiko Weckbrodt

Noch aus der Robotron-Tradition heraus entstanden: Der Design-PC des „Coool Case“-Vorgängers Comped war in den 90ern seiner Zeit voraus – aber mit 24.000 D-Mark viel zu teuer. Foto: Heiko Weckbrodt

Die erstarkende Billig-Konkurrenz aus Fernost beerdigte dieses Geschäftsmodell schließlich. Der langjährige Geschäftsführer aus der Schäfer-Zeit, Christian Michel, übernahm das strauchelnde Unternehmen 2009, firmierte es als Coool Case um und rettete es über zwei Beinahe-Pleiten hinweg.

Von Coool Case produzierter Paket-Butler / das Konzept konnte sich aber für die Paketzustellung vor der Wohnungstür dann doch nicht recht durchsetzen. Foto: Heiko Weckbrodt  Foto: Heiko Weckbrodt

Von Coool Case produzierter Paket-Butler. Das Konzept konnte sich aber für die Paketzustellung vor der Wohnungstür dann doch nicht recht durchsetzen. Foto: Heiko Weckbrodt

Auf Spezialgehäuse umgepolt

Von PC-Produktion ist aber längst keine Rede mehr: „Coool Case“ produziert zwar auch noch Umhausungen für vernetzte Hochleistungscomputer, also für Server und Cloud-Speicher, beispielsweise für die Dresdner Firma „Cloud & Heat“. Vor allem aber hat sich der Betrieb auf den Spezialgehäuse-Bau und die Auftragsentwicklung komplizierter mechanischer und Metallbau-Produkte wie Wasserspender, Paket-Butler und dergleichen mehr spezialisiert.

Jobs auch für Behinderte

Neben den 70 Mitarbeitern Stammpersonal beschäftigt das Unternehmen am neuen, zum Jahresende 2019/20 bezogenen Standort in Reick auch bis zu 100 Behinderte aus der Werkstätten Weißig, die ebenfalls im neuen Fabrikgebäude arbeiten. Sie übernehmen die einfachen Arbeitsschritte, die Facharbeiter die komplexeren Tätigkeiten.

Die neue "Coool Case"-Fabrik von außen. Foto: Heiko Weckbrodt

Die neue „Coool Case“-Fabrik von außen. Foto: Heiko Weckbrodt

Konzept Miet-Fabrik

Diese Prinzipien der delegierten Aufgaben dominierten auch den jüngsten Standortwechsel: Das Unternehmen ist zum Jahresende im Gewerbegebiet Reick in eine neun Millionen Euro teure Mietfabrik eingezogen, die das Immobilien-Unternehmen „Aurelis Real Estate“ speziell nach „Coool Case“-Wünschen binnen 18 Monaten hochgezogen hat. Die Investition stottert die Firma gewissermaßen per Miete ab, hat aber rund 1,5 Millionen Euro selbst noch in den Umzug sowie neue Maschinen und Software investiert „Mit diesem Modell sind wir viel flexibler, als wenn wir selbst bauen würden“, ist Michel überzeugt. Und die alte Schäfer-Halle an der Treidlerstraße wiederum habe immer weniger gepasst, da dort das Solarunternehmen „Heliatek“ eigene Fabrikanlagen ausbaut.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherche Coool Case, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt