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Professorin will 1. sächsischen Schreitroboter bauen

Die Chemnitzer Forscher arbeiten an einem humanoiden Schreitroboter. Foto: Jacob Müller für die TU Chemnitz

Prof. Ulrike Thomas (Mitte) und ihrer Kollegen arbeiten an einem humanoiden Schreitroboter. Foto: Jacob Müller für die TU Chemnitz

Forscherin der TU Chemnitz möchte Grundstein für eine Roboterindustrie im Freistaat legen

Chemnitz, 13. Februar 2020. Ingenieurinnen und Ingenieure der TU Chemnitz wollen den ersten sächsischen Laufroboter konstruieren – und eine breite Robotikindustrie im Freistaat begründen. „Wir wollen einen eigenen sächsischen Roboter-Hersteller etablierten“, kündigte Professorin Ulrike Thomas an – sie ist die Inhaberin des Lehrstuhls für Robotik und Mensch-Technik-Interaktion an der TU Chemnitz. „Der Grundstein ist schon gelegt.“

Großer Vorsprung der Japaner und Schweizer

Diese Ziel klingt angesichts des Vorsprungs großer Hardware-Hersteller wie Mitsubishi, Kawasaki und Fanuc aus Japan oder ABB in der Schweiz und Kuka aus Augsburg zwar zunächst arg ehrgeizig. Aber in Sachsen gibt es inzwischen mehrere Akteure mit innovativen Nischenprodukten für die Robotik. Dazu gehören die Roboter-Anlerner von Wandelbots Dresden, die Fabrik-Automatisierer von Fabmatics und Xenon Dresden sowie viele andere – und eben auch mehrere Lehrstühle an der TU Chemnitz.

Prof. Ulrike Thomas. Foto: Jacob Müller für die TU Chemnitz

Prof. Ulrike Thomas. Foto: Jacob Müller für die TU Chemnitz

Fühlende Roboter mit Tastsinn und elastischen Gelenken im Fokus

Die Forscher um Ulrike Thomas haben sich dabei unter anderem auf ein besseres und intuitiveres Miteinander vom Mensch und Maschine spezialisiert. Sie wollen Roboter „menschlicher“ machen, sie mit „fühlender“ Haut, elastischen Gelenken, Tastsinn und intelligentem Verhalten ausstatten. „Unsere Stärken sind unter anderem die Montageplanung und digitale Zwillinge, die Bilderkennung und Interaktion sowie neue Softwarelösungen für Roboter“, schätzt Prof. Thomas ein. Und Die Chemnitzer konstruieren neue, besonders flexible Roboter. „Und da spreche ich über eine ganz neue Generation von Industrierobotern, die sich auch gut für kleine und mittelständische Unternehmen eignen: Roboter, die mit Menschen problemlos zusammenarbeiten können, die flexibler sind und mehr Achsen haben als heutige Modelle“, sagte die Professorin.

Humanoider Roboter auf zwei Beinen soll balancieren und Treppen steigen können

Ihr wohl ehrgeizigstes Projekt ist der erwähnte Laufroboter: Unternehmen wie Boston Dynamics in Übersee haben zwar auch schon einige vielversprechende Schreitroboter – unter anderem fürs Militär – entwickelt. In Europa gibt es bisher aber kaum Vergleichbares jenseits der Industrierobotik. Daher arbeiten die Chemnitzer nun an einem humanoiden Roboter. Er soll sich auf zwei Beinen fortbewegen, Treppen steigen können, balancieren, nicht umfallen, wenn er angestoßen wird, und sich ähnlich flexibel orientieren wie ein Mensch. „Wir wollen dabei eventuell auch künstliche neuronale Netze einsetzen“, erklärte Ulrike Thomas an.

Zuerst Schlüsselkomponenten, dann komplette Roboter

Mit diesen und anderen technologisch anspruchsvollen Entwicklungen wollen die Chemnitzer Wissenschaftler auch den Weg zu einer starken sächsischen Roboter-Produktion ebnen. Zunächst sei an die Fertigung von Schlüsselkomponenten zu denken, später aber auch an die Herstellung kompletter Roboter, betont Prof. Thomas.

Dieser Roboter soll Marktbesuchern beim Einkauf helfen. Foto: Edeka

Dieser Roboter soll Marktbesuchern beim Einkauf helfen. Foto: Edeka

Auch Einkaufs- und Transportroboter geplant

Erfahrungen mit kompletten Roboterlösungen haben die Chemnitzer TU-Forscher bereits gesammelt. Mit Wirtschaftspartnern arbeiten sie beispielsweise an einem robotischen Einkaufshelfer für Supermärkte: I-RobEka soll Senioren zum Beispiel helfen, die gesuchte Thunfisch-Konserve zu finden, ihnen den Lieblingsjoghurt aus dem obersten Tiefkühlregal-Fach reichen – aber auch erkennen, wenn ein Kunde in Ruhe gelassen werden möchte.

So etwa sieht der Robotertransporter "Hubert" im Fabrikeinsatz aus. Visualisierung: Follow Me

So etwa sieht der Robotertransporter „Hubert“ im Fabrikeinsatz aus. Visualisierung: Follow Me

„Hubert“ orientiert sich mit 3D-Sensorik

Andere Projekte der TU Chemnitz sind industrienäher: Transportroboter „Hubert“ etwa schleppt für menschliche Lagerarbeiter Ersatzteile und nimmt ihnen selbstständig zeitraubende Tätigkeiten ab, indem er leere Kartons entsorgt. Damit er nicht mit Menschen zusammenstößt, hat Hubert ein 3D-Sensorsystem an Bord. Entwickelt haben diesen kollaborativen Roboter die Chemnitzer Softwareschmiede iFD, die Sensorfirma Sick sowie die Professur für Werkzeugmaschinenkonstruktion und Umformtechnik der TU Chemnitz. Seinen ersten großen Praxistest bestand Hubert bereits im neuen Logistikzentrum der KOMSA-Gruppe in Hartmannsdorf.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: NEXT (Silicon Saxony), Interview mit Professorin Ulrike Thomas, TU Chemnitz, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt