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Wandelbots Dresden baut Anlernschule für Roboter

Ein Wandelbots-Mitarbeiter testet die neuen Tracepens, mit denen auch Laien Roboter anlernen können. Foto: Wandelbots

Ein Wandelbots-Mitarbeiter testet die neuen Tracepens, mit denen auch Laien Roboter anlernen können. Foto: Wandelbots

Fühlende Stifte von Wandelbots Dresden sollen Laien zu Roboter-Lehrern machen

Dresden, 23. August 2019. Damit künftig auch kleine Betriebe Industrieroboter schnell, einfach und gewinnbringend einsetzen können, bietet das junge Dresdner Unternehmen „Wandelbots“ dafür ab 2020 spezielle Roboter-Anlernstationen an. Mit diesen „Trace Pens“ können dann selbst Laien die Roboter kinderleicht programmieren: Sie führen den stählernen Kollegen mit speziellen Sensorstiften einmal vor, wie man feilt, bohrt, entgratet oder fräst – und die lernen die Arbeitsschritte so binnen Minuten. „Dadurch wird der Robotereinsatz für viele Unternehmen, für die dies bisher unbezahlbar war, überhaupt erst möglich“, ist Wandelbots-Chef Christian Piechnick überzeugt.

Eigene Produktlinie entwickelt

Zugleich steht diese Anlerngarnitur für eine neue Stufe in der unternehmerischen Entwicklung von Wandelbots – vom Dienstleister zum Hightech-Produzenten: Hatte die Uni-Ausgründung bisher vor allem ihre Erfahrungen mit Robotik-Sensorkleidung mit Konzernen wie Volkswagen geteilt, bieten die Dresdner bald mit den „Trace Pens“ auch eigene Produkte an.

Blick ins Wandelbots-Hauptquartier in einer Gründerzeit-Villa in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick ins Wandelbots-Hauptquartier in einer Gründerzeit-Villa in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Fertigung in einer Foundry

Dafür baut Wandelbots allerdings keine eigene Fabrik, sondern setzt auf das heute weitverbreitete Konzept „fabrikloser Unternehmen“. Solche „Fabless Companies“ entwickeln Hightech-Produkte und verkaufen sie, lassen sie aber von spezialisierten Auftragsfertigern („Foundries“) herstellen. Das soll Kosten sparen und die Zeit bis zur Markteinführung verkürzen. Starten soll die Großserienproduktion Tausender „Trace Pens“ im Frühjahr 2020.

Wandelbots-Chef Christian Piechnick führt die neue "Trace Pens"-Anlernstation für Roboter vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Wandelbots-Chef Christian Piechnick führt die neue „Trace Pens“-Anlernstation für Roboter vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Interesse bis nach China

Gemessen daran, dass das Unternehmen vor erst zwei Jahren entstanden ist, klingt das nach einem ambitionierten Zeitplan. Bisher allerdings hat der Erfolg den Wandelbots recht gegeben: Unternehmen aus Deutschland, China und anderen Ländern reißen sich derzeit regelrecht um die Roboter-Anlerntechnologie aus Dresden.

Forschungen über intelligente Textilien und Roboter-Programmierung verschmolzen

Begonnen hatte dieser Aufstieg vor drei Jahren mit einem schlichten Freizeitprojekt der Gründer Christian Piechnick, Georg Püschel, Maria Piechnick, Jan Falkenberg, Sebastian Werner und Jan Falkenberg: „Ich hatte mich als Medieninformatiker an der TU Dresden unter anderem mit Programmieransätzen für Roboter beschäftigt“, erinnert sich der 33-jährige Wandelbots-Geschäftsführer. „Meine Frau Maria beschäftigte sich zu der Zeit mit intelligenter Kleidung. Irgendwann haben wir unsere Themen zusammengeführt.“

Roboter-Anlernjacke war ein Hit auf der Hannovermesse

Nach Feierabend entwickelten sie eine Jacke, deren eingenähte Sensoren die Bewegungen des Trägers erkennen und mittels einer Software in Anlernbefehle für einen Roboter übersetzen. „Das haben wir auf einer Wissenschaftsmesse den Leuten vom Roboterhersteller Kuka gezeigt.“ Die halfen den Dresdnern, ihre Ideen auf der Hannovermesse 2016 der Industrie vorzuführen. „Wir sind mit einem Stapel Kundenaufträge zurückgekommen“, erzählt Christian Piechnick. „Auf der Zugfahrt nach Hause ist uns klar geworden, dass unser Hobby eine Firmengründung wert war.“

Prof. Frank Fitzek will im Ceti-Exzellenzentrum mit moderner Roboter- Sensor- und Aktuator-Technologien eine "Demokratisierung der Fähigkeiten" vorantreiben. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Frank Fitzek. Foto: Heiko Weckbrodt

Professor vermittelte Kontakte in die Risikokapital-Szene

Und so taten sich die beiden mit vier weiteren Uni-Absolventen zusammen und gründeten 2017 „Wandelbots“. Schützenhilfe erhielten sie von ihren Dozenten: Informatik-Professor Uwe Aßmann förderte die jungen Gründer und brachte sie mit dem Kommunikationstechnik-Experten Prof. Frank Fitzek zusammen. Der wiederum vermittelte Kontakte zu Atlantic Labs aus Berlin und anderen Wagniskapitalgebern, die für die Anschubfinanzierung sorgten.

Das erste Entwicklungsprojekt fpr das neue VW-Software-Entwicklungszentrum Dresden: Sebastian Werner von Wandelbots hat auf der Produktionsschuppe in der gläsernen VW-Manufaktur Dresden einen Roboter angelernt. Der trägt zunächst eine "Primer" genannte Grundierungspaste dort auf. Bevor dann dort ein Seitenfenster am E-Golf eingeklebt wird, mustert der Roboter sein Werk mit einer Kamera. Die Bilder überträgt er zur Qualitätskontrolle per Funk in eine Rechnerwolke ("Cloud"). Foto: Oliver Killig für Volkswagen

Das erste Entwicklungsprojekt für das neue VW-Software-Entwicklungszentrum Dresden: Sebastian Werner von Wandelbots hat auf der Produktionsschuppe in der gläsernen VW-Manufaktur Dresden einen Roboter angelernt. Der trägt zunächst eine „Primer“ genannte Grundierungspaste dort auf. Bevor dann dort ein Seitenfenster am E-Golf eingeklebt wird, mustert der Roboter sein Werk mit einer Kamera. Die Bilder überträgt er zur Qualitätskontrolle per Funk in eine Rechnerwolke („Cloud“). Foto: Oliver Killig für Volkswagen

Pilotprojekte mit VW

Weil das Interesse aus der Industrie an der Wandelbots-Technik gleich groß war, realisierte das junge Unternehmen rasch Millionen-Umsätze. Wandelbots startete mehrere Pilotprojekte mit großen Partnern wie VW und trieb derweil die Entwicklung eigener Produkte voran. „Die Sensorjacke“, so verrät Christian Piechnick, „war nur der Anfang“.

Trace Pens simulieren Feilen, Entgraten und andere Arbeiten für den Roboter

Die neuen „Trace Pens“ sind bereits echte Hightech-Produkte, wie sich Besucher der mondänen Wandelbots-Villa an der Tiergartenstraße am Praxisbeispiel überzeugen können: Die Stifte sind mit Kraft-, Infrarot- und Beschleunigungssensoren ausgestattet, sie arbeiten bis auf einen Fünftel Millimeter genau. Die haben Wechsel-Aufsätze, die unterschiedliche Werkzeuge simulieren. Damit können die Arbeiter im Kundenbetrieb ihren Robotern dann zackig beibringen, wie sie ein Werkstück entgraten, zusammenschweißen oder lackieren sollen. „Wozu ein Roboterprogrammierer früher drei bis vier Stunden gebraucht hat, schafft man mit unseren Trace Pens in vier Minuten“, verspricht der Wandelboots-Chef.

Rechnerwolke in der Wandelbox

Dass die Konkurrenz dieses Konzept bald nachahmen könnte, glaubt er nicht: Zu viel besondere Dresdner Expertise stecke in den Stiften, in der Software und in der „Wandelbox“. Letztere ist ein kleiner leuchtender Mini-Computer. Der verarbeitet nach dem sogenannten „Edge Cloud“-Prinzip („Nahe Rechnerwolke“) all die funkübertragenen Sensordaten aus den Stiften in Sekundenbruchteilen. Die Box simuliert auch den Widerstand des Materials als fühlbare Impulse für den menschlichen Bediener und übersetzt die Abläufe für den angeschlossenen Roboter-Schüler in die Maschinensprache.

Die Wandelbots-Gründer (Von links nach rechts): Giang Nguyen, Christoph Biering, Georg Püschel, Sebastian Werner, Maria Piechnick, Christian Piechnick, Jan Falkenberg. Foto: Jörg Simanowski für Wandelbots

Die Wandelbots-Gründer (Von links nach rechts): Giang Nguyen, Christoph Biering, Georg Püschel, Sebastian Werner, Maria Piechnick, Christian Piechnick, Jan Falkenberg. Foto: Jörg Simanowski für Wandelbots

„Unser Ziel ist ein Börsengang“

Die ersten 20 Anlernstifte hat Wandelbots hergestellt und verteilt sie nun an Pilotkunden. Die demnächst anstehende Großserienproduktion wird auch wieder Geld verschlingen. Da die Gründer erst 2020 oder 2021 mit ersten Betriebsgewinnen rechnen, erwägen sie für Anfang 2020 eine weitere Finanzierungsrunde mit Risikokapitalisten. Noch mehr Geld erhoffen sie sich vom Aktienmarkt: „Unser Ziel ist ein Börsengang“, sagt Piechnick.

„Wir wollen ein Weltmarktführer in der Robotik werden“

Kein Zweifel: Die Dresdner möchten am ganz großen Rad drehen: „Wir wollen ein Weltmarktführer in der Robotik werden“, sagt der Geschäftsführer. „Unsere Technologie wird den ganzen Markt umkrempeln und zu einer Demokratisierung der Robotik führen.“ Gemeint ist: Mit den Anlerntechnologien aus Dresden soll es auch für kleine Handwerker und Minibetriebe erschwinglich werden, eigene Roboter zu verwenden. Denn etwa 70 bis 80 Prozent der Einsatz-Kosten gehen laut Wandelbots bisher nicht für den Roboter selbst drauf, sondern für dessen Einrichtung, Programmierung und für folgende Umprogrammierungen. Die „Trace Pens“ sollen diese „Umschulungen“ der Roboter auf immer neue Produkte nicht nur beschleunigen, sondern auch deutlich billiger machen.

Auch Hausroboter kommen noch dran

Den Fokus wollen die Wandelbots-Macher zunächst auf Industriekunden in Deutschland und Europa legen. Geplant sind zudem ab 2020 Vertretungen in China, Japan, Südkorea und in den USA. „Später wollen wir uns auch mit Robotern für den häuslichen und öffentlichen Bereich beschäftigen“, kündigt Christian Piechnick an. „Aber eins nach dem anderen.“

Kurzporträt:

  • Name: Wandelbots
  • Sitz: Dresden, Tiergartenstraße
  • Geschäftsfelder: Mensch-Maschine-Schnittstellen / Robotik
  • Belegschaft: 56 Mitarbeiter (Ziel Ende 2019: ca. 65)
  • Umsatz: knapp 1,5 Millionen Euro (2018), Ziel 2019: knapp vier Millionen Euro
  • Mehr Infos im Netz: wandelbots.com

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherche bei Wandelbots, Oiger-Archiv, Volkswagen

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt