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Mit Quantencomputern in Riesenplaneten hineinhorchen

Diese künstlerische Visualisierung zeigt die europäische Raumsonde "Jupiter Icy Moons Explorer" (Juice), die sich 2022 dem Riesenplaneten Jupiter und seinen Monden nähert. Ins Innere des Gasriesen können die Sonden aber nicht hineinsehen. Die Astrophysiker gehen davon aus, dass darin heiße dichte Materie herrscht, deren Eigengesetze womöglich Quantencomputer ergründen können. Visualisierung: ESA/ATG medialab, Nasa/JPL, J. Nichols

Diese künstlerische Visualisierung zeigt die europäische Raumsonde „Jupiter Icy Moons Explorer“ (Juice), die sich 2022 dem Riesenplaneten Jupiter und seinen Monden nähert. Ins Innere des Gasriesen können die Sonden aber nicht hineinsehen. Die Astrophysiker gehen davon aus, dass darin heiße dichte Materie herrscht, deren Eigengesetze womöglich Quantencomputer ergründen können. Visualisierung: ESA/ATG medialab, Nasa/JPL, J. Nichols

Superrechner-Experten aus Rossendorf simulieren mit exotischen Systemen das Innere von Jupiter & Co.

Dresden, 12. Februar 2020. Mit Hilfe von Teleskopen und Raumsonden hat die Menschheit bisher nur ein paar oberflächliche Blicke auf Jupiter und Saturn werfen können. Weniger noch wissen die Wissenschaftler über das Innere dieser Riesenplaneten. Sie ahnen nur, dass Jupiter & Co. – aber auch die mit ihnen verwandten braunen Zwergsterne draußen im All – ein ganz eigenes Physiksüppchen kochen: „Warme dichte Materie“ nennen die Physiker diesen bisher kaum erforschten Aggregatzustand irgendwo zwischen superheißem Plasma und festen oder flüssigen Stoffen. Bekannt ist nur, dass diese Materie etwa 10 000 bis 100 000 Grad heiß ist und in ihr Quanteneffekte, elektromagnetische und elektrische Kräfte wild durcheinander tanzen. Mit Hilfe von Quantencomputer-Technologien wollen nun Experten vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) genau da hineinhorchen, wo wahrscheinlich nie ein Mensch lebend hingelangen wird.

Dr. Michael Bussmann ist der Casus-Projektleiter. Foto: Stephan Floss/ HZDR

Dr. Michael Bussmann. Foto: Stephan Floss/ HZDR

Selbst für Supercomputer eine Herausforderung

„Die Zustände in warmer dichter Materie zu simulieren, ist selbst mit Supercomputern kompliziert“, erklärt Dr. Michael Bussmann, der am HZDR die international renommierte Forschungsgruppe für computergestützte Strahlenphysik leitet. „Wir wollen nun ermitteln, ob wir mit Quantencomputer-Rechenmethoden weiter kommen.“ Mit spezieller Software wie „Qiskit“ können die Forscher all dies zunächst auf „normalen“ Supercomputern ausprobieren. „Mittelfristig wollen wir dann aber auch auf echten Quantencomputersystemen rechnen.“

Warum Quantencomputing?

Anders als klassische Computer „denken“ Quantencomputer nicht nur in Nullen und Einsen. In ihren Qubit-Zellen können sie vielmehr zahlreiche Problemlösungen auf einen Schlag durchspielen. Beim Code-Knacken in Simulationen und Optimierungsaufgaben sind sie dadurch traditionell konstruierten Supercomputern überlegen.

IBM-Forscher Stefan Filipp kontrolliert das Kühlsystem. das den Quantencomputer nahe bei Weltraum-Temperatur hält, damit der Supraleit-Effekt nicht zusammenbricht. Foto: IBM Research

IBM-Forscher Stefan Filipp kontrolliert das Kühlsystem, das einen Quantencomputer des Unternehmens nahe bei Weltraum-Temperatur hält, damit der Supraleit-Effekt nicht zusammenbricht. Foto: IBM Research

Allerdings steckt diese Technologie noch immer in den Kinderschuhen. Weltweit gibt es erst wenige Quantencomputer. Sowohl in der Anschaffung wie auch im laufenden Betrieb bei sehr tiefen Temperaturen sind sie noch weit teurer als normale Digitalrechner. Zudem müssen für diese Systeme spezielle Quantencomputer-Programme entwickelt werden. Diese Algorithmen zu entwerfen, gilt bereits als wichtiges und wachsendes Teilgebiet des Quantencomputings.

Bei Quantencomputer-Software gibt es noch viele Trophäen zu gewinnen

Gerade in diesem Segment könnten die Forscher aus Sachsen punkten: Der Vorsprung von IBM, Google, Intel und den Chinesen beim Bau tiefgekühlter Quantencomputern mag inzwischen kaum noch einholbar sein. Dafür können die Experten aus dem Freistaat aber ihre anerkannte Expertise bei der Supercomputer-Programmierung und -Optimierung einbringen.

Sachsen wollen in der Quantentechnologie mitmischen

Zudem bemüht sich die sächsische Regierung derzeit darum, mit der abhörsicheren Quantenkommunikation eine nahe verwandte Schlüsseltechnologie zu besetzen. So richten Freistaat und die Fraunhofergesellschaft demnächst in Dresden ein „Laborzentrum für Quantenkommunikation“ ein. Auch wollen die Sachsen und die Bayern die abhörsichere Behörden-Kommunikation per Quantenverschränkung testen. Kurz: In den neuen Quantentechnologien sind noch viele Nischen zu besetzen und die Sachsen lauern schon.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interview Bussmann, HZDR, Oiger-Archiv, Esa

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt