Superrechner-Experten aus Rossendorf simulieren mit exotischen Systemen das Innere von Jupiter & Co.
Dresden, 12. Februar 2020. Mit Hilfe von Teleskopen und Raumsonden hat die Menschheit bisher nur ein paar oberflächliche Blicke auf Jupiter und Saturn werfen können. Weniger noch wissen die Wissenschaftler über das Innere dieser Riesenplaneten. Sie ahnen nur, dass Jupiter & Co. – aber auch die mit ihnen verwandten braunen Zwergsterne draußen im All – ein ganz eigenes Physiksüppchen kochen: „Warme dichte Materie“ nennen die Physiker diesen bisher kaum erforschten Aggregatzustand irgendwo zwischen superheißem Plasma und festen oder flüssigen Stoffen. Bekannt ist nur, dass diese Materie etwa 10 000 bis 100 000 Grad heiß ist und in ihr Quanteneffekte, elektromagnetische und elektrische Kräfte wild durcheinander tanzen. Mit Hilfe von Quantencomputer-Technologien wollen nun Experten vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) genau da hineinhorchen, wo wahrscheinlich nie ein Mensch lebend hingelangen wird.
Selbst für Supercomputer eine Herausforderung
„Die Zustände in warmer dichter Materie zu simulieren, ist selbst mit Supercomputern kompliziert“, erklärt Dr. Michael Bussmann, der am HZDR die international renommierte Forschungsgruppe für computergestützte Strahlenphysik leitet. „Wir wollen nun ermitteln, ob wir mit Quantencomputer-Rechenmethoden weiter kommen.“ Mit spezieller Software wie „Qiskit“ können die Forscher all dies zunächst auf „normalen“ Supercomputern ausprobieren. „Mittelfristig wollen wir dann aber auch auf echten Quantencomputersystemen rechnen.“
Warum Quantencomputing?
Anders als klassische Computer „denken“ Quantencomputer nicht nur in Nullen und Einsen. In ihren Qubit-Zellen können sie vielmehr zahlreiche Problemlösungen auf einen Schlag durchspielen. Beim Code-Knacken in Simulationen und Optimierungsaufgaben sind sie dadurch traditionell konstruierten Supercomputern überlegen.
Allerdings steckt diese Technologie noch immer in den Kinderschuhen. Weltweit gibt es erst wenige Quantencomputer. Sowohl in der Anschaffung wie auch im laufenden Betrieb bei sehr tiefen Temperaturen sind sie noch weit teurer als normale Digitalrechner. Zudem müssen für diese Systeme spezielle Quantencomputer-Programme entwickelt werden. Diese Algorithmen zu entwerfen, gilt bereits als wichtiges und wachsendes Teilgebiet des Quantencomputings.
Bei Quantencomputer-Software gibt es noch viele Trophäen zu gewinnen
Gerade in diesem Segment könnten die Forscher aus Sachsen punkten: Der Vorsprung von IBM, Google, Intel und den Chinesen beim Bau tiefgekühlter Quantencomputern mag inzwischen kaum noch einholbar sein. Dafür können die Experten aus dem Freistaat aber ihre anerkannte Expertise bei der Supercomputer-Programmierung und -Optimierung einbringen.
Sachsen wollen in der Quantentechnologie mitmischen
Zudem bemüht sich die sächsische Regierung derzeit darum, mit der abhörsicheren Quantenkommunikation eine nahe verwandte Schlüsseltechnologie zu besetzen. So richten Freistaat und die Fraunhofergesellschaft demnächst in Dresden ein „Laborzentrum für Quantenkommunikation“ ein. Auch wollen die Sachsen und die Bayern die abhörsichere Behörden-Kommunikation per Quantenverschränkung testen. Kurz: In den neuen Quantentechnologien sind noch viele Nischen zu besetzen und die Sachsen lauern schon.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Interview Bussmann, HZDR, Oiger-Archiv, Esa
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