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Sprungagentur will Produktion künstlicher Organe anleiern

Biologische Zellen zu züchten, künstliche Organe zu produzieren das andere. Visualisierung: Dall-E

Biologische Zellen zu züchten, künstliche Organe zu produzieren das andere. Visualisierung: Dall-E

Vier Teams bekommen je eine halbe Million Euro, um Leber, Knorpel, Muskel und Pankreas zu züchten

Leipzig, 9. Januar 2024. Damit Schwerkranke keine halbe Ewigkeit mehr auf Spenderorgane warten müssen, will die Bundesagentur für Sprunginnovationen („Sprind“) aus Leipzig die Produktion künstlicher Lebern, Bauchspeicheldrüsen, Knorpel und Muskeln anleiern. Für dieses Projekt unter dem Code-Namen „Funke – Tissue Engineering“ schickt sie nun vier ausgewählte Forschungsteams aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden in die Spur und macht dafür bis zu einer halben Million Euro pro Kollektiv locker. Das hat Sprind heute angekündigt.

„ Gewebe soll dem natürlichen Vorbild so nahe wie möglich kommen“

Durch die Wettbewerber soll jetzt „ein fortschrittliches Konzept entwickelt werden, welches das bisher am weitesten entwickelte künstliche Gewebe hervorbringt“, erklärt Sprind-Projektbetreuer Dr. Jano Costard. „Das Gewebe soll dem natürlichen Vorbild so nahe wie möglich kommen, um Patientinnen als Transplantat eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Dafür braucht es Innovationen im Engineering von Zellen, der Entwicklung von Gewebearchitekturen oder technischen Materialien.“

Schwerkranke müssen jahrelang auf Spenderorgane warten

Hintergrund: Schwerkranke Diabetiker zum Beispiel müssen in Deutschland im Schnitt acht bis neun Jahre auf eine Spender-Niere warten. Ähnliche, teils sogar noch längere Wartezeiten sind für andere Organe fällig. An künstlichen Gewebe und Organen arbeiten Wissenschaftler zwar schon seit Jahren. Aber bis zur Serienreife und zum Praxiseinsatz am Menschen haben es diese „Ersatzteile für Menschen“ bisher noch nicht geschafft. Das soll sich durch den Sprind-Wettbewerb endlich ändern.

In den acht Monaten von Stufe 1 sollen die Teilnehmer demonstrieren, wie ihr künstliches Gewebe hergestellt wird und welche Eigenschaften es hat. In der Stufe 2 gibt es für vielversprechende Ansätze noch mal bis zu 100.000 Euro, um Versuche am Menschen zu planen.

Die 4 Teams und ihre Projekte

Konkret hat die Agentur für folgende vier Bewerber in der ersten Stufe ausgesucht darunter übrigens auch einen Forscher aus Sachsen:

Künstliche Leber von der Cellbricks GmbH

Ohne eine funktionierende Leber bricht der Stoffwechsel des Körpers zusammen. Deshalb hat sich das Team von Cellbricks zum Ziel gesetzt, fehlende oder gestörte Leberfunktionen zu ersetzen. Gemeinsam mit ihren klinischen Partnern an der Charité Berlin wollen sie menschliches Lebergewebe in großem Maßstab nachbilden. Mittels 3D-Bioprinting soll komplexes Lebergewebe aus Biotinten mit extrazellulärer Matrix und menschlichen Leberzellen hergestellt werden. Diese Gewebetherapeutika werden im Labor biotechnologisch hergestellt und schließlich in den Körper der Patienten implantiert, damit diese ein längeres und gesünderes Leben genießen können.

Künstliche Knorpel von ZonalcartHT und Bizonal cartilage grafts

Fehlender oder beschädigter Knorpel verursacht enorme Schmerzen und macht unsere Gelenke oft unbrauchbar. Das Team von ZonalcartHT um Dr. Solvig Diederichs (Orthopädie Universitätsklinikum Heidelberg) und Dr. Uwe Freudenberg (Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden) entwickelt einen neuartigen Knorpelersatz, der Gelenkfunktionen wiederherstellen soll. Durch die Kombination aus biohybriden Hydrogelen und Stammzellen wird eine komplexe zweischichtige Matrix entwickelt, die den natürlichen Übergang zwischen Knochen und Knorpel spiegeln soll. Gleichzeitig sollen die eingesetzten Materialien eine nachhaltige Funktion und Belastbarkeit ermöglichen, um Gelenkfunktionen wiederherzustellen und mehrmaligen Gelenkersatz zu verhindern.

Künstliche Muskeln („Muscle Engineering for Human Transplant“)

Trotz ihrer Plastizität können Verletzungen und Krankheiten die Regenerationsfähigkeit des Muskelgewebes an ihre Grenzen bringen. Um Muskelverletzungen und -krankheiten besser behandeln zu können, will das Team von Dr. Bruno Cadot (Institut de Myologie, Paris), Dr. Francisco Fernandes (Sorbonne Université, Paris) und Dr. Léa Trichet (Sorbonne Université Paris) große transplantierbare Muskeleinheiten herstellen. Das vom Team genutzte Ice-Templating ermöglicht die Herstellung makroskopischer und komplexer Gewebearchitekturen aus Kollagen und Fibrin. Diese sollen anschließende mit verschiedenen Zelltypen des Muskelgewebes besiedelt werden, um funktionale und Muskeleinheiten zu erhalten, die anschließend beschädigtes Gewebe ersetzen sollen.

Künstliches Bauspeicheldrüsen-Gewebe (Functional Bioprinted Pancreas Tissue)

Obwohl Insulin vielen Menschen mit Typ 1 Diabetes eine wirksame Behandlung bietet, besteht bis heute keine Aussicht auf eine Heilung, da das körpereigene Gewebe für die Insulin-Produktion fehlt. Riccardo Levato (Utrecht University Medical Center) und sein Team wollen der Heilung einen entscheidenden Schritt näherkommen. Mit Hilfe des Licht-induzierten Bioprinting kombinieren sie zeitgleich Stammzellen, biologisch aktive Moleküle und Extrazellulär-Matrix zu einer funktionalen Gewebeeinheiten. Das entstehende Gewebe ähnelt der endokrinen Bauchspeicheldrüse und kann ebenfalls Insulin produzieren. Weitere Funktionalisierungen sollen das neue Gewebe aber auch vor der Zerstörung durch das Immunsystem schützen, um so das Grundproblem von Typ 1 Diabetes zu lösen.

Autor: Oiger

Quelle: Sprind, Projektbeschreibungen der Teams, Uniklinik Stuttgart

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt