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Freiberger Filterton gegen „Ewigkeits-Gifte“

Prof. Martin Bertau (links) und Doktorand Paul Scapan im Labor. Foto: Andreas Hiekel für die TU Bergakademie Freiberg

Prof. Martin Bertau (links) und Doktorand Paul Scapan im Labor. Foto: Andreas Hiekel für die TU Bergakademie Freiberg

Bergakademie will Kosten für PFAS-Filter auf ein Zehntel drücken

Freiberg, 4. Dezember 2023. Im Kampf gegen sogenannte „Ewigkeits-Gifte“ haben der Freiberger Chemie-Professor Professor Martin Bertau und sein Doktorand Paul Scapan eine billige Alternative zu den teuren Aktivkohle-Filtern gefunden: Er filtert mit organisch bestückten Ton-Stapeln Perfluorheptansäure (PFHpA) und andere „Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen“ (PFAS) aus Abfallströmen – und das zu einem Zehntel der Kosten von Aktivkohle-Lösungen. Das hat die Bergakademie Freiberg mitgeteilt, an der Scapan seine Promotions-Experimente vorantreibt.

Einst gefeiert, nun in der Kritik: PFAS-Moleküle

Hintergrund: Weil sie wasser-, fett- und schmutzabweisend sind, galten PFAS-Verbindungen lange Zeit als wahre Wunderstoffe. Sie sind vielerorts im Einsatz: in Kosmetika, Kochgeschirr, Packpapier und Kleidern beispielsweise. Doch seit einigen Jahren stehen diese Moleküle zunehmend in der Kritik, weil sie sich von selbst kaum auflösen, sich über lange Zeit in der Umwelt anreichern können und einige von ihnen die Gesundheit schädigen können. Daher gibt es wachsende Bestrebungen, sie zu ersetzen und bereits produzierte PFAS möglichst wieder aus den Stoffströmen herauszufiltern. Dies ist allerdings langwierig und teuer.

Organische bestückte Tonstapel

Daher haben die Forscher in Sachsen auch nach Alternativen zu den teuren Aktivkohle-Filtern für PFAS gesucht. Dabei haben sie auf Ton gesetzt, den sie mit speziellen organische „Greifer-Molekülen“ modifiziert haben. Die packen sich vorbeiströmende PFAS-Verbindungen und sammeln sie im Tonstapel. Dass solche „Organoclays“ (organisch modifizierte Tonmineralien) gut filtern können, ist schon länger bekannt. „Neu untersucht haben wir die Modifizierung des Materials mit Hilfe von organischen Zusätzen, die darauf spezialisiert sind, die PFAS ,einzufangen’“, erklärt Prof. Bertau.

Chemiker experimentieren nun mit verschiedenen Molekül-Greifzangen

Und das Konzept klappt im Labor auch schon recht gut: Mit ihren Organo-Tönen konnten die Freiberger bis zu 95 Prozent der Perfluorheptansäure aus Stoffströmen herausfiltern. Nun untersucht Doktorand Paul Scapan, welche biologisch abbaubaren Moleküle am Besten als „Greifzangen“ für die verschiedenen PFAS funktionieren. Mit den verschiedenen Zusätzen könne die Filterwirkung dieser innovativen Organoclays gezielt auf zahlreiche per- und polyfluorierte Alkylverbindungen zugeschnitten werden. „Im Vergleich zu derzeit auf dem Markt verfügbaren Filtern aus Aktivkohle würde sich bei den Organoclays bezogen auf die PFAS-Eliminierungsleistung rund ein Zehntel der Kosten ergeben, so unser aktueller Wissensstand“, schätzt Paul Scapan.

Freiberger sehen in veraschten Filtern auch eine Zement-Alternative

Die Freiberger Filter laufen zudem auch auf eine elegante Kreislauf-Lösung hinaus: Die Bentonit-Tonstapel lassen sich nämlich hinterher bei 1200 Grad samt der PFAS-Gifte veraschen. Und wenn umweltverträgliche organische Zusätze verwendet worden sind, lässt sich die Asche am Ende wiederverwenden. „Das Material eignet sich beispielsweise für eine Weiterverarbeitung zu Geopolymeren als umweltfreundliche Zementalternative“, erklärt Prof. Martin Bertau.

Schwer zu ersetzen: Industrie warnt vor schnellen Verboten

Bereits absehbar ist allerdings, dass solche Filter nur eine Seite der Lösung sein können. Denn geeignete Ersatzstoffe für die PFAS zu finden, wird wohl länger dauern als von Umweltpolitikern gewünscht. So haben beispielsweise der Elektroindustrie-Verband ZVEI sowie der „Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer“ (VDMA) vor überstürzten Verboten gewarnt: „Kein Windrad, kein Energiespeicher, kein E-Auto, keine Halbleiter. Ohne per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen lassen sich die Schlüsseltechnologien der Transformation zur Klimaneutralität nicht produzieren und damit die Energie- und Mobilitätswende nicht umsetzen“, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier. Auch in den Chipfabriken könnten PFAS nicht rasch ersetzt werden, haben zudem Vertreter der deutschen Mikroelektronik-Industrie eingeschätzt. Zudem betonen die Industrievertreter, dass längst nicht alle Stoffe dieser Gruppe als gesundheitsgefährdend gelten und einige so tief in Maschinen verbaut seien, dass ein Kontakt mit der Außenwelt unwahrscheinlich sei.

Von daher wird sich die Substitution der PFAS wohl noch eine Weile hinziehen. Der Bedarf an effizienten Filtern dürfte allerdings schon vorher rasch wachsen, um stillgelegte Anlagen, Haushaltsmüll und andere mehr mit PFAS darinnen vor der Entsorgung von den „ewigen“ Molekülen zu säubern.

Autor: Oiger

Quelle: TU Bergakademie Freiberg, Wikipedia, Bundesumweltministerium, ZVEI, VDMA

Wissenschaftliche Publikation:

„Organo-Pillared-Clay: Synthesis, Characterization, and Applications for Treatment of Perfluoroalkyl Substances“ von Paul Scapan, Jannis Hassler, Dr. Christoph Piribauer, Dr.-Ing. Sandra Pavón, Dr. Ines Aubel, Prof. Jan Werner und Prof. Martin Bertau, in: „Chemie Ingenieur Technik“, Oktober 2023, Fundstelle im Netz (Open Access): https://doi.org/10.1002/cite.202300097

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt