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Immer mehr Flugzeug-Teile aus dem 3D-Drucker

Galvaniseur René Grüttner reinigt ein Los mit Bauteilen in der Flugzeuggalvanik-Fabrik. Foto: Heiko Weckbrodt

Galvaniseur René Grüttner reinigt ein Los mit Bauteilen in der Flugzeuggalvanik-Fabrik. Foto: Heiko Weckbrodt

Beschichtungsspezialisten der Flugzeuggalvanik Dresden planen größere Elektrobäder für additiv erzeugte Bauteile

Dresden, 20. November 2023. Ein elektrisch unterstütztes Bad in Chrom, Cadmium und anderen Metallen kann die Lebensdauer von Badarmaturen, Flugzeugteilen oder Kühlergrillen drastisch erhöhen. Zu den wenigen Unternehmen in Sachsen, die diese Galvanik-Technologie noch vollständig beherrschen und sich immer wieder durch Vorschriften-Dschungel und Energiepreis-Schocks durchgekämpft haben, gehört die „Nehlsen-BWB Flugzeug-Galvanik Dresden“. Nach der Wende aus der Dresdner Flugzeugindustrie heraus entstanden, hat sich der Betrieb in Flughafennähe als einer jener unter Laien wenig bekannten „geheimen Champions“ etabliert, auf die Branchengrößen wie Airbus, Diehl oder die Elbe-Flugzeugwerke schwören.

Aus Resten des DDR-Düsenjet-Programms entstanden

Die Galvaniker im Dresdner Norden stützen sich dabei auf jahrzehntelange Erfahrung. Denn auch nachdem die DDR 1961 ihr eigenes Düsenflugzeug-Bauprogramm aufgegeben hatte, blieb mit den Flugzeugwerken Dresden ein Kern dieser Industrie erhalten. Neben vielen anderen Sparten unterhielt dieser Betrieb eine Abteilung für Chemikalien-Entsorgung und Galvanik. Auf die wurde 1993 der Entsorgungsspezialist Nehlsen aufmerksam. Galt das Interesse der neuen Eigentümer zunächst nur dem Recycling, gewann der anfangs eher kleine Betriebsteil für elektrochemische Beschichtungen von Flugzeugteilen in den Folgejahren rasch an Bedeutung. Diese Sparte entwickelte sich so erfolgreich, dass Nehlsen daraus 1998 eine eigene Tochtergesellschaft mit dem Schwerpunkt Galvanik formte, an der sich schließlich auch der Schweizer Oberflächenspezialist „BWB“ beteiligte. 2011 bekam die Flugzeuggalvanik Dresden noch eine eigene Dependance in Rumänien, weil dort ein Großkunde eine Galvanikstrecke vor Ort haben wollte.

70 % der Aufträge kommen aus der Luftfahrt

Wie es das „Flugzeuggalvanik“ in der Firmierung schon erahnen lässt, veredelt der Dresdner Betrieb vor allem Griffe, Bolzen, Scharniere und viele andere Kleinteile für Passagier-Jets, Turboprop-Maschinen und Hubschrauber. Rund 70 Prozent der Aufträge kommen aus der Luftfahrt. Daneben hat sich das Unternehmen aber auch als elektrochemischer Alleskönner für die regionale Industrie in Sachsen und darüber hinaus einen Namen gemacht. „Unsere Kunden wissen zu schätzen, dass wir schnell reagieren, kleine Serien ebenso wie große übernehmen, viele verschiedene Prozesse beherrschen und dafür auch zertifiziert sind“, meint Technik-Geschäftsführer Alexander Nerowski.

„Der Aufwand ist riesig geworden“

Hinzu kommt: Während früher recht viele metall- und kunststoffverarbeitende Betriebe jeweils eigene kleine Galvanik-Abteilungen hatten, haben steigende Energiekosten, Störfall-Risiken, immer strengere Umweltschutz-Standards und andere Regulierungshürden dazu geführt, dass viele deutsche Unternehmen die Galvanik aufgegeben haben. „Nahezu alles, was wir in unseren Produktionslinien machen und verändern, ist genehmigungspflichtig“, erklärt Nerowski. Dann sind da noch die zahlreichen Berichtspflichten, Arbeitsschutzauflagen und dergleichen mehr. Kurz gesagt: „Der Aufwand für ein Galvanikunternehmen ist riesig geworden.“

Energie macht ein Fünftel der Gesamtkosten aus

Hinzu kommt ein Problem, das die deutsche Wirtschaft schon lange umtreibt, die Galvaniker mit ihrem immensen Stromverbrauch aber ganz besonders trifft: die hohen Energiekosten in Deutschland. „Lüftung, Pumpen, Abwasseranlage und natürlich die Galvanikbäder verbrauchen viel Strom“, betont der Technik-Geschäftsführer. „Allein in den vergangenen zwei Jahren hat sich der Anteil der Energieausgaben an unserem Gesamtkosten von zehn auf 20 Prozent verdoppelt.“

Alles unterhalb der Verlagerungsmenge

Weil diese Probleme die gesamte Branche unter Druck gesetzt haben, machten nach und nach immer mehr Galvanik-Betriebe und -Abteilungen dicht. Diese „Flurbereinigung“ hatte indes für die, die durchhielten, auch Vorteile: Wer hierzulande Bauteile galvanisieren will und nicht gerade so riesige Serien hat, dass sich eine Auslagerung nach China oder anderswo nach Asien lohnt, klopft eben eher oder später bei Unternehmen wie der Flugzeuggalvanik Dresden an die Tür. „Wir müssen uns um Kunden-Akquise vorerst nicht kümmern“, skizziert Nerowski die Folgen dieser Entwicklung. „Die Kunden schätzen unsere Expertise.“

Das heißt freilich nicht, dass sich die Flugzeug-Galvaniker entspannt zurücklehnen können: Angesichts steigender Kosten und neuer Chemiestandards, die demnächst zum Beispiel bestimmte Chrom-Verbindungen verbieten, entwickeln die Dresdner fortwährend gemeinsam mit Kunden und Forschungspartnern neue Verfahren, spannen Künstliche Intelligenz für die Produktion ein und suchen innovative Ansätze, um Energie zu sparen. „Energieeffizienz ist für uns ein ganz großes Thema.“

Airbus & Co. setzen zunehmend auf additive Fertigung

Derweil werfen neue Entwicklungen bei den großen Flugzeug-Herstellern ihre Schatten voraus: „Airbus und andere Luftfahrtunternehmen stellen immer mehr Bauteile in 3D-Druckern her“, erzählt der kaufmännische Geschäftsführer Mark Schreckenbach. „Das sind vor allem komplexe Komponenten, deren Produktion mit herkömmlichen Fertigungsmethoden ewig dauern würde.“ Auf dieses Entwicklungs-Thema werde sich die Flugzeuggalvanik Dresden künftig noch mehr einstellen müssen – nicht zuletzt, weil solche „additiv“ im Metall-3D-Drucker erzeugten Bauteile immer größere Dimensionen haben und damit auch größere Galvanikbäder brauchen.

Alexander Nerowski (links), Eckehard Thuss und Mark Schreckenbach von der alten und neuen Geschäftsleitung der Flugzeuggalvanik. Foto: Heiko Weckbrodt

Alexander Nerowski (links), Eckehard Thuss und Mark Schreckenbach von der alten und neuen Geschäftsleitung der Flugzeuggalvanik. Foto: Heiko Weckbrodt

Generationswechsel in der Geschäftsführung

Auch personell tut sich einiges im Unternehmen. So hat es nun an der Spitze einen Generationswechsel vom langjährigen Geschäftsführer-Duo Birgit Fischer und Eckehard Thuss hin zum Gespann Alexander Nerowski und Mark Schreckenbach gegeben. Beibehalten wurde dabei die Kombination aus technologischer und unternehmerischer Expertise: Der 39-jährige Nerowski promovierte an der TU Dresden Materialwissenschaft und ist nun der „technische Kopf“ der Flugzeuggalvanik. Der 48-jährige Schreckenbach wiederum ist BWLer, bringt also besonderen ökonomischen Sachverstand in die Führung ein. Was beide Geschäftsführer-Generationen verbindet, sind vor allem zwei Fokusthemen: Nachhaltigkeit gehört dazu, ebenso das „menschliche Kapital“ des Unternehmens. „Die Basis für unsere Entwicklung und unsere Erfolge waren und sind unsere Leute“, sagt Schreckenbach.

Kurzporträt

  • Firmenname: Nehlsen-BWB Flugzeug-Galvanik Dresden GmbH & Co. KG.
  • Sitz: Grenzstraße in Dresden
  • Branche: Elektrochemische Veredelung
  • Belegschaft: 260 Beschäftigte (170 in Dresden und 90 in Rumänien)
  • Umsatz: rund 20 Millionen Euro (2022)
  • Weitere Infos im Netz: flugzeuggalvanik.de

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Besuch, Auskünfte Geschäftsführung, Oiger-Archiv

Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt