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Fraunhofer testet in Unterwasserlabor Sensoren von morgen

Das mobile Unterwasser-Labor "Minilab" von Fraunhofer testet unter Wasser neue Sensoren und Materialien. Foto: Fraunhofer-IKTS und -SOT

Das mobile Unterwasser-Labor „Minilab“ von Fraunhofer testet unter Wasser neue Sensoren und Materialien. Foto: Fraunhofer-IKTS und -SOT

Dresdner Keramikinstitut entwickelt an Ostsee-Außenposten maritime Innovationen

Dresden/Rostock, 10. November 2023. Damit sich neue Werkstoffe und Sensoren für Unterwasser-Anwendungen rascher und flexibler testen lassen, hat die Fraunhofer-Forschungsgruppe „Smart Ocean Technologies“ (SOT) in Rostock eine mobile Plattform für den Einsatz in Seen, Flüssen und Meeren entwickelt. Das „Minilab“ beginnt nun in der Ostsee und in Flüssen seine Arbeit, informierte das federführende Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) aus Dresden.

Algen-Delikatessen und Schiffsschutz im Blick

Das SOT-Team und das IKTS haben dieses mobile Labor als versenkbare Testplattform konzipiert, mit der sich beispielsweise umweltfreundlichere Schiffanstriche, Algen-Smoothie-Fabriken und andere maritime Innovationen praktisch erproben lassen. Das neue Unterwasser-Labor soll beispielsweise Mittelständler dabei unterstützen, wegweisende Unterwasser-Technologien möglichst unter realen Einsatzbedingungen zu testen, also auch im Salzwasser und bei starken Strömungen.

„Wir bringen für unsere Partner die zu untersuchenden Proben und Geräte ins Wasser“, erklärt SOT-Forschungsgruppenleiterin Dr. Kathrin Baumgarten. „Damit helfen wir ihnen, Innovationen schneller in den Markt zu bringen.“

Testplattform misst Temperatur, Druck, Chlorophyll und UV-Strahlen

Die Testplattform besteht aus einer offenen Stahlrohr-Konstruktion mit einer Sensoren- Basisausstattung, die sich flexibel mit Proben sowie weiteren Sensoren und Messgeräten bestücken lässt. Mit rund 70 Zentimetern Kantenlänge lässt sich das Minilab per Auto transportieren und dann ins Wasser versenken. Das Unterwasser-Labor ist für Tauchtiefen bis 100 Meter ausgelegt. In der Basiskonfiguration hat es vier Kameras sowie Temperatur- und Druckfühler. Außerdem sind Sensoren für gelösten Sauerstoff, Chlorophyll, Wassertrübheit sowie UV-Strahlung installiert. Durch pH-Sensoren kann das Minilab zudem ermitteln, wie sauer oder basisch ein Gewässer ist.

Nächste Generation nabelt sich ab

Die nötige Energie bezieht die Ausrüstung bislang über eine Stromleitung von Land. Die erfassten Daten sendet das Labor per Kabel an einen elektronischen Messkoffer über Wasser, der diese via LTE an die Bürorechner der Forschenden weiterleitet. „Wir planen auch schon eine autarke Nachfolgelösung“, verrät Kathrin Baumgarten. Die nächste Minilab-Generation wird durch Akkus in einer Boje mit Strom versorgt. Die Sensordaten kann es dann direkt an einen Mobilfunk-Router in der Boje weitergeleiten.

Abwehr gegen anhängliche Schnecken

Das Forschungsteam sieht mehrere Einsatzszenarien für das Minilab. So lässt sich beispielsweise untersuchen, wie lange eine verbesserte Antifouling-Schicht Schiffsrümpfe vor Algenbewuchs, Meeresschnecken und Kleinkrebsen schützt oder wie gut eine neue Legierung aggressivem Salzwasser standhält. Außerdem eignet sich Minilab für Unterwasser-Sensoren. Das können neuartige Magnetometer für Ortungstechnik oder Hydrophone für die Schiffslärm-Überwachung sein, die unter realen Bedingungen im Meer getestet werden. Darüber hinaus kann Minilab auch neben künstlichen Riffen oder Ankersteinen platziert werden, um zu beobachten, wie gut oder schlecht lokale Unterwasser-Ökosysteme auf neue Haltesteine für Bojen reagieren. Wichtig ist dies etwa für Betonbauer, die bessere Geometrien für ihre Steine im Meereseinsatz erproben möchten.

Grüne Ansiedlungen für die Algen-Smoothies von morgen

Auch für Betreiber von Aquakulturen und Meeresfarmen eröffnet die Plattform viele Möglichkeiten. Denn angesichts des Klimawandels, des weltweiten Bevölkerungswachstums und geänderter Essgewohnheiten hin zu fleischloser Kost versuchen Aquabauern, nun auch in der Ostsee verstärkt Zuckertang sowie genießbare Großalgen anzusiedeln. Dabei handelt es sich oft um Algenkulturen, die eher die kühlen Temperaturen der Weltmeere gewöhnt sind als die relativ warme Ostsee. Damit solche grünen Ansiedlungen dennoch gelingen, soll das Minilab die Wassertemperatur und andere lebenswichtige Parameter überwachen.

Auch in Kanada im Einsatz

Da es bei manchen dieser Erprobungen eher auf Tempo und viele unterschiedliche Testumgebungen, bei anderen aber auf Langzeiterkenntnisse ankommt, kooperiert Fraunhofer mit Partnern aus Kanada. In der Provinz Nova Scotia hat das „Centre for Ocean Ventures and Entrepreneurship“ (COVE) ein eigenes Unterwasser-Labor entwickelt. Die COVE-Partner haben ihren Testträger an der nordamerikanischen Küste im Atlantik ausgelagert und bieten dort vor allem Unterwassertests über einen längeren Zeitraum an. Beide Angebote ergänzen sich: Die COVE-Lösung an Kanadas Ostküste eignet sich besser für Langzeittests und Experimente unter Atlantik-Bedingungen, während das leicht transportable deutsche Minilab auf raschen Erkenntnisgewinn in ganz unterschiedlichen Gewässern zielt.

Premiere auf der Rostock Ocean Convention

Seine Premiere in der Fachwelt hat das Minilab nun auf der Messe „Rostock Ocean Convention“ am 14. und 15. November 2023. Dort will das SOT-Team das System einem breiteren Publikum vorstellen.

Die Fraunhofer-Forschungsgruppe „Smart Ocean Technologies“ hat ihren Sitz in Rostock. Ihr gehören Expertinnen und Experten aus vier Fraunhofer-Instituten an: das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), das Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik (IGP), das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) und das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB). Sie wollen gemeinsam neue Unterwassertechnologien entwickeln und praxisnah erproben. Das Minilab ist eines von mehreren Projekten der Gruppe.

Autor: hw

Quelle: IKTS

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt