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Neuer Schutzanzug soll Feuerwehrleute gegen PAK-Gifte feien

In "3D-PAKtex" wollen Fraunhoferforscher und Industriepartner Feuerwehrleute durch neuartige Schutzanzüge vor PAK-Giften schützen. Foto: Veritas Medien GmbH, Blaulichtkanal via IWS

In „3D-PAKtex“ wollen Fraunhoferforscher und Industriepartner Feuerwehrleute durch neuartige Schutzanzüge vor PAK-Giften schützen. Foto: Veritas Medien GmbH, Blaulichtkanal via IWS

Fraunhofer-Strahlinstitut IWS aus Dresden entwickelt mit Industriepartnern intelligente Filter

Dresden, 22. September 2023. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gelten als gesundheitsschädlich, insbesondere auch als potenzielle Krebserreger. Entstehen können die molekularen Verbindungen aus Kohlen- und Wasserstoffatomen beispielsweise bei Hausbränden, wenn etwa Matratzen, Vorhänge, Holzbalken, Kunststoff oder andere Gegenstände aus organischen Materialien brennen. Um die Feuerwehr vor diesen Risiken besser zu schützen, hilft das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden Partnern aus der Wirtschaft, neuartige Anti-PAK-Schutzanzüge zu entwickeln. Das Bundesforschungsministerium fördert das Vorhaben im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ bis Dezember 2023 mit 1,24 Millionen Euro.

Vliese und Sensoren kombiniert

Diese Vliese darin verhindern den Kontakt zwischen Haut und den Schadstoffen. Die intelligenten Gewebe messen zudem mit modernen Ultraviolett-Sensoren aus, wann der textile Schutzschild mit PAKs gesättigt ist und ausgetauscht werden muss. Die ersten Feuerproben in Brandcontainern hat die neue Schutzkleidung auch schon bestanden.

Was sind Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe?

Hintergrund: PAKs gelangen über die Haut in den Körper und lagern sich dort im Fettgewebe ab. Weil die Abwehrsysteme diese ringförmigen Kohlenstoffverbindungen nicht kennen, baut der Mensch diese eingelagerten Schadstoffe auch nicht wieder ab – sie akkumulieren und konzentrieren sich. Dadurch steigt über die Jahre hinweg die Karzinom-Gefahr. Bei korrekt angelegter Schutzkleidung ist dieses Risiko laut Untersuchungen der „Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung“ (DGUV) zwar begrenzt. Wenn Feuerwehrleute aber über Jahrzehnte im Einsatz sind, können kleine Unachtsamkeiten eben doch zu problematischen Belastungen führen.

PAK-Anreicherung über ein ganzes Berufsleben hinweg erhöht Krebsrisiko

„Bei einem einzelnen Einsatz mögen es womöglich nur wenige Mikrogramm PAK sein, die durch Öffnungen im Schutzanzug auf die Haut gelangen“, erklärt Felix Spranger, der im IWS die Gruppe für Gas- und Partikelfiltration leitet. „Das Gefährliche an den PAK besteht darin, dass sie sich bei Feuerwehrleuten über ein ganzes Berufsleben hinweg immer weiter im Körper anreichern können. Studien aus Deutschland und den USA belegen verstärkt auftretende Krebserkrankungen in dieser Berufsgruppe. Daher war es so wichtig, Lösungen zu finden, die neue technologische Ansätze wie intelligente Textilien einbeziehen.“

Dafür hat sich das Fraunhofer IWS im Jahr 2020 mit vier weiteren Partnern zum Projekt „3D-Funktionsvliesstoffe mit integrierter Gassensorik für die Schutzbekleidung von Einsatzkräften“ (3D-PAKtex) zusammengetan. Um Feuerwehrleute künftig vor den schädlichen PAK in Rauchgasen und Rußwirbeln in brennenden Häusern zu schützen, verfolgten die Verbundpartner ein zweigleisiges Konzept: Einerseits stand die Entwicklung von vliesbasierten neuen Filtern im Fokus, andererseits ein Sensorkonzept, um deren Funktionsfähigkeit zu überwachen.

In die Feuerwehrkleidung integrierte Fließstoffe nehmen PAK wie ein Schwamm auf und elektrische Sensoren zeichnen die Kontamination im Einsatz auf. Foto: Veritas Medien GmbH, Blaulichtkanal via IWS

In die Feuerwehrkleidung integrierte Fließstoffe nehmen PAK wie ein Schwamm auf und elektrische Sensoren zeichnen die Kontamination im Einsatz auf. Foto: Veritas Medien GmbH, Blaulichtkanal via IWS

Aktivkohle-Vliese filtern Ringmoleküle aus dem Rauchgas

Die Fraunhofer-Forscher wählten zunächst passende poröse Aktivkohlen aus, die PAK besonders gut binden. Diese „Adsorbentien“ fixierte der Projektpartner „Norafin“ mit speziellen Bindern in für feuerfeste Vliesstoffe. Die neuen Zusatzvliese integrierte der Partner „S-GARD“ dann in einen Demonstrationsanzug: An Ärmelöffnungen, Bünden und anderen Stellen ergänzte der Hersteller kleine Verschlusstaschen, die per Druckknopf die neuen Zusatzfilter an jenen Punkten aufnehmen können, an denen die Rauchgase im ungünstigsten Falle trotz aller Isolierungen dennoch in den Schutzanzug gelangen könnten. Strömt dort Rauchgas vorbei, bindet das Vlies die Giftstoffe.

Mini-Spektrometer suchen nach Giften

Zudem versah Projektpartner JLM Innovation die neuen Filtervliese mit eigens entwickelten Überwachungssensoren, die auf dem Prinzip der Fluoreszenz-Spektroskopie basieren. Diese Mini-Spektrometer senden Ultraviolettlicht einer genau definierten Wellenlänge aus. Treffen diese UV-Strahlen auf PAK, absorbieren die Ringmoleküle zunächst deren Energie und senden dann auf einer leicht veränderten Wellenlänge andere UV-Strahlen zurück. Die Sensoren messen das zurückgesandte Licht aus: Je intensiver es ist, umso höher ist die PAK-Konzentration im Vlies. Eine elektronische Kontrolleinheit in der Brusttasche der Feuerwehrkraft wertet diese Daten aus und sendet sie per Bluetooth-Funk an ein Smartphone. Um die Software dafür kümmerte sich die „ATS Elektronik“. Damit können die Retter in Uniform in Echtzeit sehen, wie sich ihre PAK-Filter füllen und wann sie ausgetauscht werden müssen.

Test im Brandcontainer

In Labortests haben die neuen Vlies-Aktivkohle-Filter die PAK-Last im Rauchgas bereits erheblich gesenkt. Daran schlossen sich praxisnahe Simulationen in Brandcontainern an: Erfahrene Tester streiften die Anzug-Prototypen über, zündeten in einem abgeschirmten Container zunächst Matratzen, dann Gummireifen und weitere Testobjekte an, um die neue Schutzkleidung in unterschiedlichen Brandszenarien auszuprobieren.

Ergebnisse vielversprechend

„Wir werden diese Befunde gründlich auswerten und weiter den Markt beobachten, um fundiert über eine mögliche Serienproduktion entscheiden zu können“, kündigte Jonas Kuschnir von S-GARD an. Freilich sei der neue Schutzansatz gegen PAK auch mit gewissen Mehrkosten verbunden, doch die Projektergebnisse seien vielversprechend.

Hohes Marktpotenzial für intelligente Textilien erwartet

Wie auch immer diese Entscheidung ausgehen wird, „3D-PAKtex“ hat in jedem Fall zu einem erheblichen Expertise-Zugewinn der Verbundpartner geführt. Das Thema wird auch das Fraunhofer IWS weiter beschäftigen. Felix Spranger: „Wir sehen noch einige Ansätze, um beispielsweise die Sensoren und die Schnittstellen der neuen Schutztechnik weiter zu verbessern. Aus Rückmeldungen wissen wir, dass die Industriepartner noch großes Potenzial in derartigen smarten Textilien sehen, auch jenseits von Feuerwehrschutzkleidung.“

Das deckt sich auch mit den Befunden internationaler Beobachter. So gehen die Analysten des britischen Marktforschungs-Unternehmens „IDTechEx“ davon aus, dass der Markt für elektronisch aufgewertete beziehungsweise „intelligente“ Textilien bis 2033 auf umgerechnet rund 713 Millionen Euro wachsen wird. Zu erwarten seien jährliche Zuwachsraten von durchschnittlich 3,8 Prozent.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Fraunhofer-IWS, IDTechEx, Umweltbundesamt, DGUV

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt