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Sachsen testen digitale Finanzierungsmodelle per Blockchain-Token

Die Reignite-Plattform verwaltet digitale Spieleridentitäten in Kartenform und soll stets die aktuelle Persönlichkeits-Entwicklung des Spieler-Avatars repräsentieren. Grafik: Reignite

Die Reignite-Plattform verwaltet digitale Spieleridentitäten in Kartenform und soll stets die aktuelle Persönlichkeits-Entwicklung des Spieler-Avatars repräsentieren. Grafik: Reignite

Corpus und Reignite organisieren Finanzierungsrunde – per Mausklick sollen sich künftig auch Fans und Mitarbeiter an „ihrem“ Unternehmen beteiligen können

Chemnitz/Mittweida, 19. Juli 2023. Um jungen Unternehmen neue Zugänge zum Kapitalmarkt zu eröffnen, die eigene Belegschaft zu binden, aber auch Risikokapitalisten und anderen Finanziers derartige Geld-Anlagen zu erleichtern, setzen Firmen aus Sachsen auf digitale Beteiligungsmodelle, die sie durch geblockte virtuelle Ketten (Blockchains) absichern. So hat die Softwarefirma „Corpus“ aus Mittweida nun für die Chemnitzer Spiele-Firma „Reignite GmbH“ sogenannte „GmbH-Token“ auf der Plattform „Tokenize.it“ ausgegeben, mit der sich Finanziers digital an dem Unternehmen beteiligen können. Darüber haben Reignite und Corpus in einer gemeinsamen Mitteilung informiert.

Reignite-Chef Johannes Herbig. Foto: Johannes Herbig

Reignite-Chef Johannes Herbig. Foto: Johannes Herbig

Reignite will Token-Einnahmen in Team und Entwicklungsprojekte stecken

„Das enorme Wachstum und das Interesse der Nutzer haben es uns ermöglicht, eine erfolgreiche Finanzierungsrunde abzuschließen“, schätzte Reignite-Chef Johannes Herbig ein. „Durch eine Finanzierung mittels GmbH-Token auf der Tokenize.it-Plattform haben sich völlig neue Use Cases ergeben.“ Reignite will die Token-Gegenwerte einsetzen, um seine Geschäftsaktivitäten und das bisher sechsköpfige Team auszubauen und die eigenen technologischen Entwicklungsprojekte zu forcieren. Wieviel das Unternehmen dadurch umgerechnet in Euro und Cent konkret eingenommen hat, wollten die Partner allerdings nicht verraten.

Token-Käufer erwerben stimmlose GmbH-Anteile

Token sind in diesem Fall eine Art symbolische digitale Anteilsscheine am Unternehmen, die in der internetgestützten „Ethereum“-Blockchain so verknüpft sind, dass sie nicht manipuliert werden können. Die nun ausgegebenen geldwerten „GmbH-Token“ können in andere Werte transferiert und für Investitionen sowie andere Ausgaben verwendet werden, erklärte Corpus-Sprecherin Juliane Demuth auf Oiger-Anfrage. „Im Jahr 2024 ist geplant, einen Zweitmarkt aufzubauen, um die Handelbarkeit der Token zu ermöglichen“, informierte sie. Die Käufer wiederum haben mit den Token „Genussrechte“ an der Reignite GmbH erworben. Sie werden dadurch zu Gesellschaftern des Unternehmens, haben allerdings keine Mitbestimmungsrechte.

Alternative zu Aktienbörse oder Schwarmfinanzierung

Im Prinzip lässt sich das Konzept als Versuch werten, eine Art niederschwellige Börse für junge Firmengründungen zu schaffen. Im Fokus stehen dabei GmbHs, die von einer AG-Gründung oder einem Börsengang noch weit entfernt sind, aber dennoch Kapital von einer größeren Menge Investoren einsammeln wollen, wie es an Aktienmärkten üblich ist. Dabei kann es sich – je nach ausgegeben Token-Werten – durchaus auch um Kleinanleger oder die Fan-Gemeinde eines Unternehmens handeln. Anders als bei der bereits etablierten Schwarmfinanzierung („Crowd-Funding“) werden die Kleinfinanziers hier auch zu echten Anteilseignern am Unternehmen.

Chemnitzer spiegeln mit ihren digitalen Karten die Persönlichkeiten von Avataren

Gerade für solche Finanzierungsrunden mögen sich eben eben Geschäftsmodelle wie das der Chemnitzer besonders anbieten: „Reignite“ entstand 2020 als Plattform und Smartphone-App. Die verwaltet digitale Spieler-Identitäten und verwandelt sie in „dynamische digitale Karten, die so einzigartig sind wie die Spielerinnen und Spieler selbst“.

Werbevideo von Reignite
für das Kartensystem:

reignite cards explained from reignite.gg on Vimeo.

 

150.000 Spieler nutzen Reignite

Das „Reignite“-Sextett vertraut dabei auf die Eigendynamik in vielen erfolgreichen internetbasierten Spielen, in denen sich Spieler jahrelang engagieren, zu virtuellen Kampfesbünden und Gilden zusammenschließen, digitale Schätze anhäufen und oft auch ihrem Avatar in der Spielewelt eine ganz besondere Persönlichkeit zu verleihen versuchen. Dafür dienen dann die digitalen Karten, die die Chemnitzer erstellen und verwahren. Mittlerweile nutzen laut Reignite-Angaben bereits über 150.000 Spieler die Plattform aus Sachsen, die inzwischen über 214.000 Karten verwaltet.

Christoph Jentzsch. Foto: Corpus.Venture

Christoph Jentzsch. Foto: Corpus.Venture

„Mein Investmentprozess brauchte nur ein paar Klicks“

Und so eine Spielergemeinde ist eben womöglich auch für neue, digitale Finanzierungsmodelle wie eben die Blockchain-Token zu begeistern. Daneben setzt Reignite aber auch auf Profi-Anleger wie den „Geschäftsengel“ („Business Angels“) Christoph Jentzsch, den man schon von Slock.it und anderen Blockchain-Unternehmungen mit Wurzeln in Mittweida kennt. Er ist inzwischen Corpus-Chef, hat sich nun auch als Investor an „Reignite“ beteiligt und sieht in dem Token-Modell eine Zukunftslösung, um junge Unternehmensgründungen in Deutschland künftig leichter in der Anfangsphase zu finanzieren. „Mein Investmentprozess brauchte nur ein paar Klicks“, erklärt Jentzsch. „Dies eröffnet auch die Möglichkeit, Mitarbeiter und künftig auch die Community zu beteiligen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Reignite, Corpus. Creditreform, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt