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Bär & Co. waren in Corona-Zeit mehr unterwegs

Eine Kodiak-Braunbärin im Winterschnee. Foto: Lisa Hupp / USFWS via HZDR, Lizenz: public domain

Eine Kodiak-Braunbärin im Winterschnee. Foto: Lisa Hupp / USFWS via HZDR, Lizenz: public domain

Forscher haben Berichte überprüft, dass Wildtiere während der Ausgangssperren weiter in die Städte vorgedrungen sind

Nimwegen/Görlitz, 10. Juni 2023. Dystopische Filme wie „12 Monkeys“ oder „I Am Legend“ haben womöglich eine Zukunft ohne Menschen auf der Erde vorexerziert – und die Corona-Ausgangssperren einen kleinen Vorgeschmack darauf gegeben, wie es wohl aussieht, wenn sich die Natur verlassene Städte zurückholt: Zwar ziehen noch keine wilden Rudel durch die Häuserschluchten von New York wie im Heimkino. Aber während der „Lockdowns“ der jüngsten Pandemie häuften sich in der Tat Berichte über Pumas, die durch die die Straßen von Santiago in Chile schweiften, über Wildschweine und anderes Getier, das sich auch durch deutsche Vorgärten grub.

Und das waren mehr als nur Legenden oder einzelne Anekdoten: Tatsächlich sind Wildtiere weltweit während der Corona-Ausgangssperren für die Menschen viel weiter unterwegs gewesen als sonst. Das hat ein 174-köpfiges weltweites Forscherteam um die niederländische Ökologin Prof. Marlee Tucker von der Radboud-Universität Nimwegen gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Zentrum für datenintensive Systemforschung „Casus“ in Görlitz ermittelt.

Planet verwandelte sich durch Lockdowns kurz in ein ökologisches Labor

„Es gab viele Medienberichte, dass sich die Natur während dieser ersten Lockdowns erholte“, erzählt Marlee Tucker. „Aber wir wollten wissen: Gibt es dafür wissenschaftliche Beweise? Oder waren die Menschen einfach aufmerksamer, während sie zu Hause waren?“ Und für die Ökologen und Naturforscher hatte sich der Planet durch die Pandemie gewissermaßen in ein großes Labor verwandelt: „Es gibt nur sehr selten eine Gelegenheit, in Form eines natürlichen Experiments auf globaler Ebene anhand von so vielen Säugetierarten nachzuvollziehen, wie Tiere ihr Bewegungsmuster in Reaktion auf eine Verhaltensänderung des Menschen anpassen“, erläutert Studien-Co-Autor Justin Calabrese vom Casus Görlitz. Dies sei eine einmalige Gelegenheit gewesen, weil die Welt während der ersten Phase der Pandemie quasi stillstand.

2300 Tiere weltweit per Satellit verfolgt

Das Team sammelte Daten zu den Bewegungsmustern von 43 Arten von auf Land-Säugetieren aus der ganzen Welt. Dazu gehörten von Elefanten und Giraffen bis hin zu Bären und Hirschen – insgesamt mehr als 2.300 Individuen, die mit GPS-Sendern verfolgbar waren. Die Forscher verglichen den Aktionsradius der Säugetiere während des ersten Zeitraums des Lockdowns von Januar bis Mitte Mai 2020 mit dem in denselben Monaten des Vorjahrs. „Wir konnten feststellen, dass die besenderten Tiere während der strengen Lockdowns in einem Zeitraum von zehn Tagen bis zu 73 Prozent längere Strecken zurücklegten als im Jahr zuvor, als es noch keine Beschränkungen gab“, informiert Tucker. „Wir haben auch festgestellt, dass sich die Tiere im Durchschnitt 36 Prozent näher an den Straßen aufhielten als im Jahr zuvor. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es während der strengen Lockdowns weniger Straßenverkehr gab.“

„Im Gegensatz dazu haben wir in Gebieten mit weniger strengen Lockdowns beobachtet, dass die Tiere kürzere Strecken zurücklegten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Menschen während der Lockdowns ermutigt wurden, in die Natur zu gehen. Infolgedessen waren einige Naturgebiete stärker frequentiert als vor der Covid-19-Pandemie“, sagt Prof. Thomas Müller vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe-Universität Frankfurt, der die Studie zusammen mit Tucker konzipiert hat.

Quellen: Radboud-Universität, Casus, HZDR

Wissenschaftliche Publikation:

Marlee A. Tucker, Justin Calabrese u. a.: „Behavioral responses of terrestrial mammals to COVID-19 lockdowns“, in: „Science“ (2023), DOI: 10.1126/science.abo6499

In der Corona-Zeit häuften sich Berichte über Pumas, Bären und andere Wildtiere in den Städten. Tatsächlich haben die Tiere während der Ausgangssperren mehr Gebiete erforscht als sonst, haben Wissenschaftler aus Nimwegen und Görlitz nun bestätigt.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt