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Forscher suchen nach Physik jenseits von Einstein

Die Visualisierung zeigt, wie sich das "Nationaal instituut voor subatomaire fysica" (NIKHEF) aus Amsterdam das künftige Einstein-Teleskop vorstellt. Neben den Niederländern bewerben sich auch die Lausitz und Sardinien um den Standort für dieses aufwendige neue Graviationswellen-Teleskop. Grafik: NIKHEF

Die Visualisierung zeigt, wie sich das „Nationaal instituut voor subatomaire fysica“ (NIKHEF) aus Amsterdam das künftige Einstein-Teleskop vorstellt. Neben den Niederländern bewerben sich auch die Lausitz und Sardinien um den Standort für dieses aufwendige neue Graviationswellen-Teleskop. Grafik: NIKHEF

Astrophysiker wollen in Potsdam dafür spezielle Suchmuster fürs die Gravitationswellen-Teleskope der nächsten Generation entwerfen

Potsdam/Görlitz, 11. Juni 2023. Bisher hat Albert Einstein immer wieder recht behalten: Wie sich die Zeit bei hohen Geschwindigkeiten streckt, schwere Objekte im All die Raumzeit krümmen, die Gravitationswellen und dergleichen mehr. Alle Erfahrung mit Theorien besagt aber, dass vermutlich auch Einsteins Relativitätstheorie letztlich nur eine Annäherung an Naturgesetze ist, die die Menschen noch nicht vollends durchschauen. Mitte Juni wollen sich nun Astrophysiker in Potsdam zur Tagung „Connecting the dots“ treffen, um eine mögliche Physik jenseits von Einstein konkret am Beispiel der Gravitationswellen auszuloten.

Aufgefangene Grav-Wellen-Signale erzählen von Superfusionen im All

So galt es als als großer Schritt nach vorn und eine erneute Bestätigung für Einstein, als es 2015 gelang, die von ihm vorhergesagten Schwerkraft-Wellen, die ähnlich wie sichtbares Licht, Gamma- und Röntgenstrahlung und andere Wellen das All durchstreifen. Seither haben extrem empfindliche Gravitationswellen-Teleskope bereits 90 Gravitationswellensignale aufgefangen, die vor langer Zeit entstanden sind, als extrem massereiche kosmische Objekte wie beispielsweise Schwarze Löcher und Neutronensterne verschmolzen sind.

Auch Lausitz will Heimat des Einstein-Teleskops werden

„Obwohl bisher keine Abweichung von der allgemeinen Relativitätstheorie beobachtet wurde, gibt es sowohl aus der Kosmologie als auch aus der Quantengravitation gute Argumente dafür, nach Alternativen Ausschau zu halten“, meinen jedoch Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (MPI-AEI) in Potsdam. Und das wird wohl möglich sein, wenn die nächste Generation noch empfindlicherer Gravitationswellen-Teleskope in einigen Jahren in Betrieb geht. In Europa ruhen da vor allem viele Hoffnungen auf dem künftigem Einstein-Teleskop. Der Standort für diesen riesigen unterirdischen Schwerkraft-Wellen-Detektor steht allerdings noch nicht fest. Neben den Niederlanden wollen sich auch Sardinien und das neue Großforschungszentrum für Astrophysik in der Lausitz für den Zuschlag bewerben.

Hochzeit mit Quantenphysik bisher immer noch nicht gelungen

Damit das Einstein-Teleskop aber sinnvoll arbeiten kann, muss es unter anderem im All ganz gezielt nach bestimmten Gravitationswellen-Mustern suchen, die die Astrophysiker zuvor entwerfen, um ihre Theorien, die möglicherweise auch über Einstein hinausgehen werden, überprüfen zu können. Und eben dies wollen die Wissenschaftler im Potsdam beim besagten Workshop vorbereiten: „Um Ereignisse nachzuweisen und ihre Eigenschaften zu ermitteln, müssen der LIGO-Virgo-KAGRA-Kollaboration bzw. ihren Nachfolgern im nächsten Jahrzehnt wie dem Einstein-Teleskop, dem Cosmic Explorer und LISA genaue Wellenformvorlagen zur Verfügung gestellt werden“, heißt es dazu vom MPI-AEI. „Bislang gibt es jedoch nur für die allgemeine Relativitätstheorie Bibliotheken mit solchen Wellenformvorlagen.“ Trotz der Erfolge von Einsteins Theorie gebe es gute Gründe, sie zu modifizieren, „und zwar sowohl aufgrund von Beobachtungen in der Kosmologie, zum Beispiel dunkle Energie und dunkle Materie, als auch aufgrund von theoretischen Fragestellungen in der Quantengravitation, zum Beispiel fehlende quantenmechanische Beschreibung der Gravitation und das Paradox des Informationsverlusts“.

Offene Fragen:

In dem Workshop wollen die Astrophysiker daher unter anderem folgende Fragen diskutieren:

  • Welche modifizierten Gravitationstheorien sind am besten begründet?
  • Wo liegen die Grenzen der derzeitigen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie mittels Gravitationswellenbeobachtungen?
  • Was ist der Stand der Dinge bei der Modellierung des Aufeinanderzufallens, der Verschmelzung und des Abklingens jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie?
  • Wie lassen sich diese Entwicklungen zusammenführen, um vollständige Wellenformen jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie zu ermitteln?
  • Können wir die Gravitation mit solchen Wellenformen auf neue Weise testen, und gibt es neue Effekte jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie?
  • Was sind die Herausforderungen für den Nachweis einer Physik jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie mit Detektoren der nächsten Generation?

Autor: hw

Quellen: MPI-AEI, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt