News, Wirtschaft, zAufi

Fahrrad erlebt eine Renaissance in Sachsen

Das "Nemus"-Fahrrad der Dresdner Firma "LignoTube" ist zu großen Teilen aus Hlz gefertigt. Es soll Holperpisten besser wegstecken als Alu-Räder. Foto: Robert Gebler, LignoTube

Auch außergewöhnlicher Kreationen wie dieses hölzerne „Nemus“-Fahrrad von „Lignotube“ aus Dresden sind in Sachsen entstanden. Foto: Robert Gebler für Lignotube

Immer mehr Menschen radeln – zugleich gewinnt die Produktion hochwertiger Fahrräder im Freistaat wieder an Gewicht

Dresden, 26. Mai 2022. In Sachsen erlebt das Fahrrad eine Wiedergeburt – sowohl durch die, die selbst radeln, wie auch jene, die Fahrräder herstellen und aufwerten. „Die Renaissance des Fahrrades ist ein Megatrend, der auch in Sachsen deutlich spürbar ist“, meint Regierungssprecher Ralph Schreiber. Die Branche nehme weiter Fahrt auf und könne dabei auf eine lange Fahrradtradition im Freistaat bauen. Mit einer eigenen Werbekampagne will die Staatsregierung nun auf das Fahrradland Sachsen aufmerksam machen – sowohl als Ausflugs- und Tourenort für Radler, wie auch als Standort für hochwertiger Fahrradproduktion.

Viele Fahrrad-Innovationen in Sachsen generiert

Denn Sachsen gilt seit über 120 Jahren als einer der wichtigen Standorte für die deutsche Fahrradwirtschaft – gestützt auf Traditionen und Innovationen, Ingenieurskunst und handwerkliche Präzision. Mit „Diamant“ und „Wanderer“ entstanden Ende des 19. Jahrhunderts in Chemnitz die ersten Wachstumskerne für die industrielle Fahrradproduktion in Deutschland. Seither brachten die Mechaniker, Ingenieure und Tüftler aus Sachsen Erfindungen hervor, die die gesamte Zweirad-Branche international stark beeinflusst haben: die kerzenbetriebene Fahrradlampe, die Doppelrollenkette und viele andere Neuerungen. Manche dieser traditionsreichen Unternehmungen spielen auch heute noch eine wichtige Rolle für die sächsische Fahrradindustrie. „Wichtige Impulse gehen zudem von den vielen Start-ups und Manufakturen aus, die mit neuen Fertigungsverfahren, Ideen, Werkstoffen und Mobilitätskonzepten die Branche beflügeln“, betont Regierungssprecher Schreiber.

10.000 Jobs hängen am Fahrrad

In Sachsen sind heute schätzungsweise 10.000 Menschen in über 300 Unternehmen direkt in der Fahrradbranche beschäftigt, die ca. 1,5 Milliarden Euro Umsatz mit Bezug zur Fahrradwirtschaft generieren. Sie formen eine komplette Wertschöpfungskette von der Komponenten-Entwicklung bis hin zur Zweiradtouristik. Zwei Leuchttürme der Branche in Sachsen sind die Diamant-Fahrradwerke GmbH als Deutschlands ältester noch aktiver Fahrradhersteller und Bike24, eine führende elektronische Fahrradplattform in Kontinentaleuropa.

Aufgeschnittener Pendix-Motor. Foto: Pendix

Aufgeschnittener Pendix-Motor. Foto: Pendix

Viele Manufakturen und hochspezialisierte Unternehmen entstanden

In den vergangenen drei Dekaden haben sich aber eben auch allerlei innovative Manufakturen angesiedelt, die auf Kleinserien und Unikate individueller und besonders hochwertiger Gravelbikes (Hybridfahrräder fürs Gelände und die Straße), Rennräder und Mountainbikes spezialisiert sind. Auch daten- und elektronikgetriebene Geschäftsmodelle rund ums Rad spielen eine Rolle, wie die Leipziger „Dashfactory“ zeigt. Andere wiederum fokussieren sich auf den Wandel hin zur Elektromobilität. Ein Beispiel ist Pendix aus Zwickau, mit deren Nachrüstsätze sich klassische Drahtesel in Elektrofahrräder verwandeln lassen.

Leichtbau als Kernkompetenz

Besondere Stärken hat die hiesige Fahrradwirtschaft aber vor allem im Leichtbau und im Einsatz neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Materialauswahl und Konstruktion. Die Sachsen punkten außerdem mit ihren besonderen Kompetenzen in der Elektronik und Elektrotechnik. Für ihre Entwicklungen können all diese Unternehmer und Erfinder die dichtmaschigen Hochtechnologie- und Forschungsnetzwerke in der Region nutzen, deren Expertise in Leichtbau, Elektromobilität, Umwelttechnik und Ingenieurwissenschaften international geschätzt wird.

Werkstoffwoche Dresden 2017: Am Institut für Leich- und Kunststofftechnik haben die Ingenieure auch dieses leichte Verbundstoff-Elektrofahrrad konstruiert. Foto: Heiko Weckbrodt

Zur Werkstoffwoche Dresden 2017 hatten Ingenieure am Institut für Leich- und Kunststofftechnik dieses leichte Verbundstoff-Elektrofahrrad konstruiert. Foto: Heiko Weckbrodt

Organisiert haben sich die Akteure der sächsischen Fahrradwirtschaft im Verband „Cycling Saxony“. Ihre Vision: Sie wollen das Fahrradland Sachsen zu einem der weltweit wichtigsten Fahrradwirtschafts-Standorte weiterentwickeln und Wertschöpfung aus Fernost zurückholen.

Immer mehr Dresdner nutzen Fahrrad

Das geht einher mit einer wieder wachsenden Bedeutung des Fahrrads als Fortbewegungsmittel. In Dresden ist der Anteil des Radverkehrs an allen zurückgelegten Wegen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Lag er 2003 erst bei 11 Prozent, waren es 2018 bereits 18 Prozent.  2020 gaben bereits 22 Prozent aller Menschen in Dresden an, fast täglich mit dem Rad zu fahren. Gerade durch die forcierten Umweltschutz-Debatten und zuletzt auch durch indirekte Corona-Effekte hat das Fahrrad nochmals an Popularität gewonnen, vor allem in den Städten. Auch sachsenweit nimmt der Anteil des Radverkehrs und die Fahrrad-Ausstattung der Haushalte seit Jahren zu – allerdings nicht so stark wie in der Landeshauptstadt. Der Grund liegt auf der Hand: In der Stadt lassen sich angesichts oft kürzerer Distanzen als auf dem Land Autofahrten meist einfacher durch Radfahrten ersetzen.

Autor: hw

Quellen: WFS, SSK, LHD

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt