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Fraunhofer will Steak aus der Proteinfabrik kredenzen

So etwa sollen die hoch stapelbaren Produktionscontainer für Fisch, Pilz & Co. in den Städten aussehen. Viualisierung: Cubes Circle

So etwa können hoch stapelbare Produktionscontainer für Fisch, Pilz & Co. in Städten aussehen – hier eine. Viualisierung des Projektverbundes Cubes Circle

Institute arbeiten bei „Futureproteins“ an Speisen-Massenproduktion aus Kartoffeln, Würmern, Pilzen und Algen, um Tier und Umwelt zu schonen

Schmallenberg/Chemnitz, 22. März 2021. In der französischen Komödie „Brust oder Keule“ („L’aile ou la cuisse“) aus dem Jahr 1976 mit Louis de Funes galt die Synthese-Speisen-Fabrik des Bösewichts Tricatel seinerzeit noch als dystopische Warnung. Doch allzu weit weg ist solch Industrieessen nicht mehr: Um Tier und Umwelt zu schonen und die wachsende Menschheit dauerhaft billig zu ernähren, will Fraunhofer nun eine neue Generation von Proteinfabriken entwickeln, die massenhaft künstliche Schnitzel und andere Industriespeisen aus Pflanzen, Würmern, Pilzen und Algen erzeugen. Beteiligt sind an diesem Leitprojekt „Futureproteins“ insgesamt sechs Fraunhofer-Institute. Darunter ist auch das „Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik“ (IWU), das den Kunstnahrungsfabriken vor allem den Energiehunger austreiben will. Das geht aus einer IWU-Mitteilung hervor.

Diesmal steht für IWU Chemnitz Agrar statt Auto auf der Agenda

„Für uns ist die Ernährungswirtschaft auf den ersten Blick Neuland – beschäftigen wir uns sonst doch eher mit Fragen der wettbewerbsfähigen Fertigung im Automobil- und Maschinenbau oder der Luftfahrt“, räumt IWU- Projektleiter Maximilian Stange ein. „Wenn man das Forschungsfeld der Agrarsysteme aber näher betrachtet, sieht man, dass wir die Expertise aus unseren klassischen Forschungsbereichen transferieren können, zum Beispiel wenn es um Energiekreisläufe und die Sektorkopplung in der Fabrik geht.“

Die 4 Fabrikkonzepte

Das Projekt zielt auf ganzjährige und wetterunabhängige Proteinquellen, die nur wenige Antibiotika und keine Pestizide brauchen und Essen effizient und billig produzieren. Entstehen könnten diese Fabriken womöglich gleich dort, wo Speisen auch massenhaft verzehrt werden nämlich in den Städten statt auf dem Lande. Im Fokus der Forschungspartner stehen dabei vier Anbausysteme:

1. Vertikaler Anbau („Vertical Farming“):

Möglich machen sollen dies unter anderem hohe Türme, in denen Kartoffeln, Weizengras, Luzerne und andere Pflanzen vertikal übereinander angebaut werden statt auf einem Acker mit all seinem Flächengebrauch. Diese „Vertical Farming“-Türme brauchen laut IWU im Vergleich zum Ackerbau nur halb so viel Dünger, 95 Prozent weniger Wasser und gar keine Pestizide. Eine Herausforderung im Futureproteins-Projekt ist es beispielsweise, die Pflanzen in diesen Fabriktürmen mit kombiniertem LED- und Sonnenlicht zu versorgen.

2. Insect Farming:

Insektenbruthöhlen für Mehlwürmer – dafür will Fraunhofer unter anderem ein Überwachungssystem entwickeln, dass die Würmer vor Infektionskrankheiten schützt.

3. Pilzfarmen

Anbau fadenförmiger Ständerpilze wie Seitling oder Shiitake. „Bei der Kultivierung filamentöser Pilze als Proteinquelle besteht die entscheidende Aufgabe darin, kostengünstige Nährmedien für die Pilze bereitzustellen“, so das IWU.

4. Algenfabriken

Reaktoren für Algen-Smoothies und als Zutat für Protein-Speisen – auch hier gelte es, die Lichtausbeute mittels künstlicher Beleuchtung zu verbessern und durch eine Künstliche Intelligenz zu regeln.

Ingenieure wollen der Kartoffel die Bitterstoffe austreiben

Weitere Schwerpunkte: Fraunhofer will in die Systeme Energiewandler einbauen, um die Abwärme biologischer Prozesse weiterzunutzen. Auch müssen die Zutaten und Rezepte für die Kunststeaks noch verbessert werden: „So eignen sich beispielsweise Kartoffelproteine sehr gut für die Herstellung pflanzlicher Fleischalternativen“, betont Fraunhofer. Durch das bittere Solanin darin seien diese Proteine bisher für die Nahrungsmittelindustrie ungeeignet. Im Futureproteins-Projekt wollen die Ingenieure und Ingenieurinnen daher auch versuchen, den Kartoffeln die Solanin-Erzeugung auszutreiben.

Die "Agrar Energie Obernhausen" in Niedersachsen ist ein Modell-Projekt in Zusammenarbeit mit Georg Fischer, LGEM B.V. und der TH Wildau. Die Algen einer PBR-Anlage werden über die Einspeisung von CO2 aus dem Blockheizkraftwerk der angebundenen Biogasanlage versorgt. Foto: Mint Engineering

Die „Agrar Energie Obernhausen“ in Niedersachsen ist ein Modell-Projekt in Zusammenarbeit mit Georg Fischer, LGEM B.V. und der TH Wildau. Die Algen einer PBR-Anlage werden über die Einspeisung von CO2 aus dem Blockheizkraftwerk der angebundenen Biogasanlage versorgt. Foto: Mint Engineering

An ähnlichen Konzepten arbeiten im Übrigen Institute und Unternehmen weltweit. Dazu gehört zum Beispiel das Projekt „Cubes Circles“ für das „Vertical Farming“ in Containern, an dem die TU Chemnitz gemeinsam mit anderen Partnern forscht. Parallel dazu arbeitet das Dresdner Unternehmen „Mint“ an Algenbrutreaktoren einer neuen Generation, die Abwärme für ihren Betrieb nutzen.

Das Projekt „Futureproteins“

Die Federführung im vierjährigen Leitprojekt „Futureproteins“ hat das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) aus Schmallenberg übernommen. Außerdem sind folgende Institute dabei:

  • Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV
  • Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB
  • Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
  • Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT

Autor: hw

Quelle: Fraunhofer-IWU, IME, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Gegen den Hunger: Stadt wird zum Bauerhof

IWU-Forscher wollen in Dresden ausbauen

Medizin und Speise aus der Algenfabrik

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt