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Uniklinik Dresden automatisiert Mikrobiologie

Die medizintechnische Assistentin Susanne Schubert belädt den neuen Laborautomaten in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden mit einem Proben-Träger. Foto: Heiko Weckbrodt

Die medizintechnische Assistentin Susanne Schubert belädt den neuen Laborautomaten in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden mit einem Proben-Träger. Foto: Heiko Weckbrodt

Neue Labormaschine soll für schnellere Keim-Diagnosen sorgen

Dresden, 16. Oktober 2020. Die Uniklinik Dresden automatisiert schrittweise ihre mikrobiologische Analytik. Das Team um Instituts-Chef Prof. Alexander Dalpke erhofft sich dadurch schnellere Befunde für bakteriell infizierte Patienten, genauere Diagnosen und eine Arbeitsentlastung für die medizintechnischen Assistentinnen. „Durch die Automatisierung bisher händisch erledigter Routinearbeiten gewinnen mehr Zeit und Personalkapazitäten für anspruchsvollere Aufgaben“, betont Uniklinik-Medizinvorstand Prof. Michael Albrecht.

Petrischalen mit Bakterien-Kulturen in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Petrischalen mit Bakterien-Kulturen in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Deutschlandweit einzigartiger Petrischalen-Automat

Dafür hat das Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Fiedlerstraße im ersten Schritt eine rund 300.000 Euro teure Laboranlage der Firma „BD Kiestra“ gekauft. Sie verteilt Proben verkeimter Patienten mit Hilfe einer wirbelnden Magnetkugel besonders schnell und gleichmäßig auf Petrischalen, damit sich dort Bakterienkulturen für spätere Analysen vermehren. Die Uniklinik ist laut eigenen Angaben deutschlandweit das erste Krankenhaus, das solch einen Automaten der neuesten Generation bekommen hat. Ältere Modelle davon stehen noch in Jena, Heidelberg und Graz.

Professor Alexander Dalpke leitet das Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene im Uniklinikum Dresden. Die Grafik im Hintergrund zeigt, wie die Tentakel einer Fresszelle ein Bakterium umschlingen. Foto: Heiko Weckbrodt

Professor Alexander Dalpke leitet das Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene im Uniklinikum Dresden. Die Grafik im Hintergrund zeigt, wie die Tentakel einer Fresszelle ein Bakterium umschlingen. Foto: Heiko Weckbrodt

Weitere Automatisierungsschritte sollen Folgen

Später will Prof. Dalpke noch Transportanlagen, einen automatischen Inkubator für das Bakterienwachstum und Analysegeräte andocken. Letztlich soll so eine durchgängig automatisierte Analysestrecke für Infektionen entstehen, die einfache Diagnosen gleich selbst übernimmt und nur noch bei schwer durchschaubaren Verkeimungen den Arzt rufen muss.

Die medizintechnische Assistentin Susanne Schubert entlädt fertig bestrichene Petrischalen aus dem neuen Laborautomaten in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Die medizintechnische Assistentin Susanne Schubert entlädt fertig bestrichene Petrischalen aus dem neuen Laborautomaten in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Späterer Diagnostik-Neubau soll genug Platz bieten

Dieser finale Ausbau muss indes noch warten: „In unserem Labor haben wir nicht genug Platz dafür“, sagt Prof. Dalpke, der die Automatisierung der Mikrobiologie seit seinem Amtsantritt als Institutschef 2019 vorantreibt und extra dafür Berufungsgelder beiseite gelegt hat. „Dafür brauchen wir voraussichtlich ein neues Gebäude.“ Geplant sei, auf dem Uniklinik-Campus einen neuen Diagnostik-Komplex für mikrobiologische, virologische und chemische Analysen zu bauen. Bis dahin werden Dalpkes weitere Automatisierungspläne allerdings warten müssen.

Pertischale mit angesetzten Bakterienkulturen in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Pertischale mit angesetzten Bakterienkulturen in der Mikrobiologie im Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

10 bis 15 % der angesetzten Kulturen scheitern bisher

Doch auch die jüngste Anschaffung dürfte für deutliche Fortschritte sorgen. „Im Jahr beimpfen wir etwa 560.000 Petrischalen mit Bakterien“, erklärt Prof. Dalpke die Hintergründe. „Pro Tag sind das etwa 500 Proben, die dann jeweils auf mehrere Platten verteilt werden.“ Bisher machen das Assistentinnen manuell, wobei etwa zehn bis 15 Prozent der angesetzten Bakterienkulturen scheitern. Die Maschinen haben da weit niedrigere Fehlerquoten. Zudem macht den Automaten monotone Arbeit nichts aus, auch können sie die Proben viel gleichmäßiger verstreichen als ein Mensch. Und die Assistentinnen werden natürlich nicht vor die Tür gesetzt, sondern kümmern sich nun mehr um analytische Aufgaben. Auch hofft Vorstand Albrecht, durch den Automateneinsatz den Fachkräftemangel etwas dämpfen zu können.

Prof. Michael Albrecht. Foto: hw

Prof. Michael Albrecht. Foto: hw

Langer Krankenhaus-Aufenthalt nicht selten mit bakteriellen Infektionen verbunden

Ohnehin führt langfristig kaum ein Weg an Robotern und Automaten im Krankenhausalltag herum – allein schon wegen des wachsenden Pensums. „Jedes Jahr bekommen wir im Schnitt acht Prozent mehr Proben zur Untersuchung“, berichtet Institutschef Dalpke. Das hängt unter anderem mit dem demografischen Wandel und den Fortschritten der modernen Medizin zusammen: Die Zahl der älteren Patienten und Schwerkranken steigt, denen eben anders als früher doch geholfen werden kann. Längere Krankenhaus-Aufenthalte etwa wegen Krebstherapien oder aufwendigen OPs bringen aber auch problematische Begleiteffekte mit sich: Viele dieser Patienten bekommen zusätzlich zum ursprünglichen Leiden noch bakterielle Infektionen ab, die von den Dresdner Mikrobiologen ganz genau bestimmt werden müssen, um ein geeignetes Antibiotikum zu finden.

Wettlauf mit der Antibiotika-Schwemme

Und gerade Letzteres wird immer schwerer. „Multiresistente Keime, gegen die klassische Antibiotika wie Penicillin versagen, sind ein wachsendes Problem“, erzählt der Professor. Das gelte vor allem für Krankenhäuser und Kliniken mit vielen internationalen Patienten. Grund: In vielen Ländern Nordafrikas, Südostasiens, teilweise aber auch in Südeuropa können Patienten Antibiotika rezeptfrei in Apotheken kaufen. Pumpen sich aber Laien aufs Gradewohl bei jeder Kleinigkeit mit Antibiotika voll und beenden die Selbstmedikation dann auch noch verfrüht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Bakterien übrig bleiben und sich weiterentwickeln, gegen die kein Mittel mehr hilft.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: Vor-Ort-Termin UKD

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