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Textilforscher der TU Dresden weben künstliche Herzklappen

Herzklappen und andere Herz-Kreislauf-Implantate werden in Dresden gewebt. Abb.: ITM/TU Dresden

Herzklappen und andere Herz-Kreislauf-Implantate werden in Dresden gewebt. Abb.: ITM/TU Dresden

Maßgeschneiderte Prothesen für jeden einzelnen Patienten möglich

Dresden, 12. Oktober 2020. Damit künstliche Herzen künftig länger halten, ohne dass sich der Patient lebenslang mit Medikamenten vollstopfen muss, haben Textilforscher der TU Dresden neuartige Herzklappen gewebt. Diese Prothesen können genau auf die anatomische Form des jeweiligen Patienten zugeschnitten werden und sind sogar relativ preisgünstig herstellbar. Die deutsche „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen“ (AiF) hat dafür nun die beiden Wissenschaftler Ronny Brünler und Phillip Schegner vom Dresdner „Institut für Textilmaschinen und textile Hochleistungswerkstofftechnik“ (ITM) für den diesjährigen Otto von Guericke-Preis nominiert. Das haben die AiF und das ITM mitgeteilt.

Verzicht auf lebenslange Medikamenten-Einnahme möglich

Die textilen Herzprothesen sollen die Vorteile mechanischer und biologischer Klappen vereinen. Die ITM-Forscher gehen davon aus, dass ihre gewebten Implantate durch schonende Schlüsselloch-Operationen einsetzbar sind und unbegrenzt haltbar sind. Und ein weiterer Vorteil gegenüber den gängigen Alternativlösungen ist absehbar: Damit behandelte Patienten und Patientinnen müssen nicht mehr lebenslang Antigerinnungs-Präparate (Antikoagulations-Medikamente) einnehmen. „Ferner können die textilen Herzklappen zeit- und kostensparend mit hoher Reproduzierbarkeit und Qualität gefertigt werden“, hieß es vom Textilinstitut.

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Tompographie liefert Daten für Herz-Computermodell

Um die Herzklappen maßzuschneidern, kommt der oder die Herzkranke zunächst in den Computertomographen. Aus den dort gewonnenen Daten generieren die Forscher dann ein 3D-Computermodell, das sie schließlich als maschinenlesbaren Code in eine Webmaschine übertragen. Die Anlage webt dann aus gerinnungshemmenden Polymer-Fasern kostengünstig und in hoher Qualität die individuellen Herzprothesen. Auch künstliche Blutgefäße wie etwa „Stentgrafts“ gegen Aneurysmen und Schlaganfälle lassen sich so fertigen.

AiF-Porträt des Projekts:

Wahrscheinlich 5 bis 7 Jahre bis zu den ersten Webklappen-OPs

„Wir haben gemeinsam mit unseren Industriepartnern und in Kooperation mit dem Uniklinikum Dresden eine geeignete Technologieplattform und Demonstratoren entwickelt“, skizziert ITM-Wissenschaftler Ronny Brünler den bisher erreichten Stand. Wie bei allen Medizinprodukten werde es eine Weile dauern, bis die gewebten Herzklappen in die ersten Patienten eingepflanzt werden können. Die dafür nötigen Studien werden als nächstes vorbereitet. „Bis zum klinischen Einsatz wird es wahrscheinlich noch fünf bis sieben Jahre dauern.“

Jährlich rund 25.000 Herzklappen-Prothesen

Pro Jahr setzen Ärzte in Deutschland rund 25.000 Herzklappen-Prothesen ein. Das geht aus einer Übersicht des statistischen Bundesamtes (Destatis) in Wiesbaden hervor. Hinzu kommen demnach jährlich etwa 2000 OPs, bei denen Herzklappenprothesen gewechselt werden müssen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: ITM, Telefon-Kurzinterview R. Brünler, AiF, Destatis

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt