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Dresdner wollen mit künstlichen Nasen Corona erschnüffeln

Forscher um Professor Gianaurelio Cuniberti von der TU Dresden arbeiten an künstlichen Nase von der Größe eines Computerchips. Foto. Steffen Füssel für die TUD

Forscher um Professor Gianaurelio Cuniberti von der TU Dresden arbeiten an künstlichen Nase von der Größe eines Computerchips. Foto. Steffen Füssel für die TUD

TU Dresden arbeitet an „psychologischen“ Riech-Chips

Dresden, 18. September 2020. Corona-Infizierte zu erriechen, erscheint unmöglich. Doch genau daran arbeiten Forscher der Technischen Universität Dresden (TUD) gemeinsam mit Kollegen: Sie wollen mit „olfaktorischer Perzeptronik“ – konkret mittels lernfähiger Chemie-Sensorik– künstliche Spürnasen entwickeln, die es mit dem empfindlichen Geruchssinn eines Hannibal Lecter oder eines Spürhundes aufnehmen können. Das geht aus einer Mitteilung von Projektkoordinator Professor Gianaurelio Cuniberti vom TUD-Lehrstuhl für Materialwissenschaft und Nanotechnologie hervor.

Internationale Expertentagung in Dresden

Cuniberti hat nun 25 Kollegen aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien und den USA zu einer Tagung „Intelligente Nasen“ in Dresden zusammengetrommelt. Hier wollen die Experten gemeinsam beratschlagen, wie sie diese anspruchsvolle Technologie am Kreuzungspunkt von Medizin, Materialwissenschaft, Psychologie und Elektronik entwickeln und breit nutzbar machen können. „Dabei wird auch die Frage diskutiert, inwieweit es mit technischen Mitteln möglich ist, in der ausgeatmeten Luft einer Person festzustellen, ob Hinweise auf eine Covid19-Erkrankung vorliegen könnten“, kündigte die Uni an.

Dresdner wollen Sensorchips menschliche Intuition beibringen

Zwar gebe es vereinzelt schon „künstliche Nasen“ zu kaufen, erklärt Dr. Alexander Croy vom Cuniberti-Lehrstuhl auf Oiger-Anfrage. Diese seien aber noch recht sperrig, teuer und auf eher analytische Ergebnisse ausgerichtet. Sie funktionieren meist als ein Kombinationsgitter verschiedener Chemie-Sensoren, die jeweils einzeln verschiedene Moleküle erkennen – und dann gemeinsam eine Zusammensetzungs-Liste ausgeben. „Wir dagegen versuchen, den Sensoren menschliche Wahrnehmung beibringen“, erläutert der Wissenschaftler. Dabei gehe es um intuitive Einschätzungen, die jeder Mensch sehr rasch treffen kann: Dieses Ei ist verdorben, diese Blume duftet köstlich, dieser Patient ist krank und dergleichen mehr.

Menschliche Superschnüffler sollen Maschinen anlernen

Um dieses psychologisch verknüpfte Wissen auch Maschinen beizubringen, wollen die Dresdner Forscher auf Schnüffel-Experten zurückgreifen, wie es sie beispielsweise in der Lebensmittelindustrie gibt. Deren Riech-Urteile wollen die Wissenschaftler mit chemischen Signaturen verknüpfen, in Datenbanken ablegen – und damit dann ihre Sensorsysteme anlernen, die „Maschinelles Lernen“ beherrschen.

„Durchbruch der Wahrnehmungselektronik“ erwartet

„Das visionäre Konzept einer künstlichen Nase bringt physiologische und psychologische Aspekte der Wahrnehmung mit den jüngsten Entwicklungen in der Elektronik zusammen“, betont Professor Cuniberti. „Ein Durchbruch der Wahrnehmungselektronik, wir sprechen hier von der Perceptronics, kann nur in einer konzertierten Anstrengung von Wissenschaft, Technik und Medizin, die stringent auf den jüngsten Fortschritten in Nanotechnologie und künstliche Intelligenz aufbaut, gelingen.“

Sehr kleine und preiswerte Kunstnasen erwartet

Letztlich steht dahinter die Hoffnung, mit dieser Technologie in Zukunft besonders preiswerte, kleine und schnell urteilende Kunstnasen in der Größe von Computerchips bauen zu können. In Frage komme durchaus eine Firmengründung, informiert Dr. Croy. Womöglich könne man die Forschungsergebnisse aber auch in einer frühere Ausgründung des Lehrstuhls transferieren. Diese junge Firma kann bereits mit speziellen Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNTs) Nano-Gassensoren und Labormuster von Riechsensoren konstruieren.

Mediziner, Ingenieure und Psychologen beteiligt

Mit Kunstnasen der neuen Generation könnten womöglich bald Roboter oder künstliche Hygienekontrolleure an Flughäfen kranke Passagiere erschnüffeln. Denkbar wäre es auch, solche Nasenchips später einmal in Smartphones zu integrieren. Dann könnte künftig jedermann und jedefrau mit dem Handy verdorbene Lebensmittel, schlechte Luft in einem Büro oder virendurchseuchte Busse erkennen. „Und wir hoffen auch, damit Menschen zu helfen, die vorübergehend oder dauern ihr Riechvermögen verloren haben, wie es beispielsweise kürzlich vielen Covid19-Kranken passiert ist“, erzählt Dr. Croy.

An der Entwicklung der Sensor-Nase sind das TUD-Institut für Werkstoffwissenschaft sowie das Zentrum für Riechen und Schmecken und die Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“ beteiligt. Außerdem unterstützt Volkswagen-Stiftung diese Forschungen.

Autor: hw

Quelle: TUD

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