Ifo-Forscher haben Abschwung zwar abgesagt – aber vor allem in der sächsischen Autoindustrie wittern sie elektrische Risiken.
Dresden, 18. Dezember 2019. Ifo Dresden hat die Rezession für Sachsen abgesagt: Ganz so schlimm wie erwartet werde die wirtschaftliche Abschwächung im Freistaat wohl doch nicht ausfallen, informierte der Konjunkturexperte Joachim Ragnitz von der Dresdner Niederlassung des Wirtschaftsforschungs-Instituts Ifo. „Die Risiken aber bleiben“, warnte er heute in Dresden. Speziell die Industrie als Rückgrat der sächsischen Wirtschaft schwächele spürbar.
Auch 2020 nur wenig echte Impulse
Folge: Laut Ifo Dresden ist die Wirtschaft im Freistaat im Jahr 2019 zwar nicht geschrumpft, wie zunächst befürchtet, aber sie trat nahezu auf der Stelle. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs um nur noch um magere 0,3 Prozent. Für 2020 rechnen Ragnitz und seine Kollegen dann mit einem Plus von 1,2 Prozent – das aber zu einem Drittel nur dadurch zustande kommt, dass 2020 mehr Arbeitstage im Kalender stehen.
Sachsen fällt unter ostdeutschen Schnitt
Damit wächst die Wirtschaft im Freistaat spürbar langsamer als im ostdeutschen Schnitt: Für 2019 haben die Ifo-Prognostiker für den Osten Deutschlands 0,8 Prozent Wachstum ausgerechnet. Für 2020 gehen sie von 1,4 Prozent Zuwachs aus. Dass Sachsen diesmal schlecht abschneidet, hat einen scheinbar paradoxen Grund: Der Freistaat ist stärker als die anderen ostdeutschen Flächenländer industriell geprägt. Das führt in Zeiten einer expandierenden Weltwirtschaft zwar meist dazu, dass Sachsen schneller als der Rest von Ostdeutschland wächst. Nun aber, da die Handelskriege der USA, Chinas, Südkoreas und Japans sowie der Endlos-Brexit und andere Faktoren den Welthandel hart ausgebremst haben, hängt die deutsche Konjunktur nur noch an der Binnennachfrage, insbesondere an der Konsumlust der Ostdeutschen und an Bauaufträgen. Die exportorientierte sächsische Industrie hingegen ist in diesem Jahr sogar um 1,6 Prozent geschrumpft – und das dämpft das Wirtschaftsklima im Freistaat stärker als in anderen, weniger industriell geprägten Bundesländern.
Automobilindustrie muss sich „neu erfinden“
Zudem hängt auch die weitere wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat an einem seidenen Faden: Viel wird davon abhängen, wie die in Zwickau, Dresden und Leipzig produzierten Elektrofahrzeuge einer neuen Generation nach ihrem Marktstart Mitte 2020 bei den privaten Autofahrern und den Flottenmanagern ankommen. „Der gesamte Sektor steckt mitten in einer Umstrukturierung mit weichreichenden Folgen nicht nur für die Autohersteller selbst, sondern auch für die Zulieferer“, betonte Ragnitz. „Sachsens Automobilindustrie wird sich neu erfinden müssen.“
VW setzt in Sachsen fast alles auf die Stromer-Karte
Insbesondere VW setzt im Freistaat fast alles auf eine Karte und hat nach der gläsernen Manufaktur in Dresden inzwischen auch das Werk Zwickau vollständig auf die Elektroautoproduktion umgestellt. Wenn die dort hergestellten ID-Fahrzeuge bei den deutschen und internationalen Konsumenten nicht ankommen sollten, hätten die sächsischen Konzernstandorte ein ganz ernstes Problem. Zudem knabbern deren Zulieferer ohnehin schon an einem grundsätzlichen Problem: Getriebe, Einspritzpumpen und viele andere Komponenten, die für einen Verbrenner wichtig waren, sind in einem E-Auto schlicht überflüssig. Die Zulieferer für viele elektrische Bauteile sitzen aber nicht unbedingt in Sachsen. Erst kürzlich hatte das „Chemnitz Automotive Institute“ (CATI) in einer Studie vorgerechnet, dass durch den Schwenk zur Elektromobilität –per Saldo etwa 850 Jobs in Sachsens Autozuliefer-Industrie verloren gehen werden.
Hoffnung auf die Flottenmanager
Volkswagen setzt aber dem Vernehmen nach stark darauf, dass vor allem viele Flottenmanager die ID-Autos kaufen werden, um die selbstgesteckten oder verordneten Umweltschutz-Ziele ihrer Unternehmen erfüllen zu können. Wenn diese Rechnung aufgehe, dann sei VW gar nicht mehr so darauf angewiesen, dass auch Otto Normalverbraucher sofort vom Verbrenner auf den Stromer umsteigt, erklärte ein Branchen-Insider.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Ifo, AMZ, vertrauliche industrienahe Quellen
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