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IG Metall gründet Halbleiter-Branchennetzwerk in Dresden

Mit Kupfer beschichteter Wafer im Enas-Reinraum in Chemnitz. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto: Heiko Weckbrodt

Gewerkschafter pochen auf Tarifbindung im Gegenzug für Milliarden-Subventionen in ostdeutschen Technologie-Fabriken

Dresden, 10. April 2024. Die IG Metall will sich stärker als bisher in der erstarkenden deutschen Chipindustrie verankern und vernetzen. „Wir stellen aufgrund der Dynamik in der Halbleiterindustrie und der Digitalwirtschaft unsere Branchenarbeit auf neue Füße“, kündigte Stefan Ehly an, der „Erste Bevollmächtigter der IG Metall Dresden und Riesa“. Daher gründe die IG Metall heute ein bundesweites Branchen-Netzwerk gründen, das Gewerkschaftler in den Chipfabriken verbinden und für mehr Mitbestimmung von Arbeitsnehmern in der Mikroelektronik sorgen soll.

Gespräche mit der IGBCE über neue Wertschöpfungsketten in Deutschland

Als Konkurrent zur „Industriegewerkschaft Bergbau Chemie und Energie“, die sich ebenfalls seit geraumer Zeit als Halbleiter-Gewerkschaft profiliert, sehen sich die Metaller allerdings nicht – eher als Bündnisgenossen, betonen sie. „Am Ende geht es um gute Arbeitsbedingungen für alle“, hieß es auf Oiger-Anfrage von Gewerkschaftsvertretern auf einer bundesweiten „Halbleiter-Konferenz“ der IG Metall in Dresden. „Je mehr Tarifbindung, umso besser.“ Mit der IGBCE sei man bereits im Gespräch, um sich über die neuen Strukturen industrieller Wertschöpfung in Deutschland abzustimmen.

IG Metall ist in vielen Hightech-Töchtern der „alten“ Industrieriesen präsent

Hintergrund: Über traditionelle europäische Industrieriesen wie Siemens oder Philips ist gerade die IG Metall auch in deren einst ausgegründeten Chiptöchtern wie Infineon, NXP oder Litho-Anlagenhersteller ASML seit Jahren vertreten. Bei AMD oder Tesla, die in den vergangenen Dekaden Fabriken in Ostdeutschland gebaut haben, hatten die deutschen Industriegewerkschaften dagegen lange Zeit Probleme, überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Erst kürzlich war es aber der IGBCE gelungen, im Dresdner Chipwerk von Globalfoundries – das früher AMD gehörte – nun doch zu Tarifverträgen zu kommen. Von daher wollen die Industriegewerkschaften nun diesen Schwung nutzen, um in ostdeutschen Technologiebetrieben, in denen sich bisher eher schwach vertreten waren, nun endlich richtig Fuß zu fassen.

Chipfabrik-Kapazitäten für 40 Milliarden Euro entstehen derzeit in Ostdeutschland

Die heutige Halbleiterkonferenz in Dresden ist dafür als Signal zu verstehen. „Die Halbleiterindustrie in Deutschland entwickelt sich in einem rasanten Tempo“, argumentieren die Metaller. „In Ostdeutschland entstehen momentan neue Fertigungskapazitäten in Höhe von 40 Milliarden Euro.“ Unterstützt mit hohen Subventionen entwickele sich Deutschland zum einem wichtigen internationalen Halbleiter-Standort – und aus eben diesen öffentlichen Zuschüssen erwachse für die Empfänger-Konzerne auch eine besondere Verpflichtung, sich an die „gewerkschaftlichen Spielregeln“ in Deutschland zu halten, argumentieren die Arbeitsnehmer-Vertreter. Besonderes Augenmerk richtet die IG Metall dabei auf Sachsen und die Hauptstadt: „Zwei dieser Cluster liegen in Dresden und Berlin: Infineon, Bosch Halbleiter, ESMC (TSMC) und ASML sind nur einige Unternehmen, die in Dresden und Berlin angesiedelt sind oder werden und eine Strahlkraft auf die Ansiedlung weiterer Unternehmen haben.“ Das decke sich industriepolitisch in wesentlichen Teilen mit den Zielen der IG Metall: „Wir wollen eine klimaneutrale und digitale, zukunftsfeste Industrie“, betont

„In dieser Zukunftsbranche müssen auch die Arbeitsbedingungen stimmen“

Christiane Benner, die „Erste Vorsitzende“ der IG Metall. „Dafür brauchen wir größtmögliche Teile der Wertschöpfungskette für Halbleiter in Deutschland. In dieser Zukunftsbranche müssen auch die Arbeitsbedingungen stimmen: Tarifbindung, Tarifverträge und Mitbestimmung durch Betriebsräte. Denn Mitbestimmung ist auch gelebte Demokratie im Betrieb. Demokratische Werte, Solidarität und Offenheit braucht es auch, um Fachkräfte, kluge Köpfe und geschickte Hände zu gewinnen, die die Branche dringend benötigt.“

In diesem Punkt ist sie sich auch mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) einig. Der unterstrich während der Halbleiter-Konferenz mit Blick auf die jüngsten Mikroelektronik-Investitionen von TSMC, Intel, Infineon, X-Fab & Co. in Mitteldeutschland: „Wir schaffen damit Perspektiven für die, die hier in Sachsen geblieben sind, die hier nach der Wende geboren worden sind – und für all die, die auf der Suche nach neuen Perspektiven hierher kommen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IG Metall, MP Kretschmer, Oiger-Archiv, Wikipedia

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt