Fraunhofer IWS Dresden hat neuen Weg gefunden, um auch unter der Meeresoberfläche mit Lasern zu schneiden
Dresden, 30. August 2023. Angesichts der steigenden Nachfrage nach erneuerbaren Energiequellen wächst auch der Bedarf an modernen Demontage-Technologien für den Unterwassereinsatz. Um beispielsweise ein Windkraftwerk im Meer auf mehr Leistung zu bringen, müssen alte Stahlgestelle zunächst unter dem Meeresspiegel zerlegt werden, um sie später größer wiederaufzubauen. Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden hat laut eigenen Angaben nun einen technologischen Ansatz gefunden, Laser als Schneidwerkzeuge im Wasser einzusetzen. Die sollen effizienter und umweltfreundlicher im Meer arbeiten als beispielsweise die heute noch oft verwendeten Sägen.
Meereswasser wird zum Werkzeug
Um unterhalb der Wasseroberfläche Stahl und andere Metalle zu zerteilen, setzen die Fraunhofer-Forscher besonders kurzwellige, grüne Laser ein. Die nämlich können auch Wasser passieren, ohne zu sehr gestreut zu werden wie etwa langwellige, rote Lichtverstärker. Zudem nutzen sie das Wasser selbst als Werkzeug, um die beim Lasertrennen entstehende Schmelze mit Druck aus der Schnittfuge auszutreiben. Dadurch fallen unter anderem Kraftverluste und Extra-Gasleitungen weg. Im Labor funktioniert dies bereits. Im September stellt das Fraunhofer IWS das innovative Verfahren auf der Messe „Schweißen & Schneiden“ in Essen vor, um es gemeinsam mit Industriepartnern zur Einsatzreife zu führen.
Laser-Zuschnitt bisher nur im Trockenen üblich
Der Zuschnitt von Stahl und anderen Metallen mit Lasern ist zwar nicht grundsätzlich neu. In der Regel geschieht dies jedoch im Trockenen. Dabei schneiden Infrarot- oder andere eher langwellige Laser das Metall auf. Rings um den Strahl schießt dabei zusätzliches Hilfsgas aus dem Laser-Kopf, um die Metallschmelze wegzudrücken. Im Meer funktioniert das so allerdings nicht: Wasser streut langwelliges Licht in alle Richtungen. Dadurch verpufft ein Großteil der Laserleistung nach kurzer Distanz. Auch sind für das Hilfsgas aufwendige Leitungssysteme nötig.
Grüne Laser der Kilowatt-Klasse als Schlüssel zum Unterwasserschneiden
Diese Nachteile erledigen sich mit der neuen Lösung aus dem IWS. Die Dresdner Ingenieure setzen grüne Laser mit weit kürzeren Wellenlängen ein als die meisten heute üblichen Industrielaser. Möglich ist dies allerdings erst, seitdem grüne Laser der Kilowatt-Klasse verfügbar sind, um die nötige Schneidleistung zu erzielen. Perspektivisch sind noch kurzwelligere Varianten mit blauen Lasern denkbar. Solche Kurzwellenlaser durchdringen selbst Wasser ohne große Verluste und lassen sich somit auch in Gewässern einsetzen. Das in trockener Umgebung notwendige Schneidgas lässt sich durch das im Meer reichlich vorhandene Medium ersetzen: Wasser. So fallen unter anderem die bisher nötigen Gasleitungen weg. Ein weiterer Vorteil: Gase und Gasgemische wie Luft lassen sich bis zu einem gewissen Punkt erst mal zusammenpressen, bevor sie die Metallschmelze wegdrücken können. Wasser hingegen lässt sich kaum komprimieren. Daher schiebt Wasser die Schmelzreste an der Schnittstelle schneller und mit mehr Kraft beiseite.
Wenig Energieverlust und mehr Kraft
Gegenüber heute üblichen Trennverfahren mit Sägen, Sägeseilautomaten und Plasmaschneidern hat das Unterwasserlaserschneiden gleich mehrere Vorteile: „Das Verfahren benötigt vergleichsweise wenig Energie und die Kraftübertragung ist effizienter“, betont Projektleiter Dr. Patrick Herwig, der im IWS die Gruppe „Laserschneiden“ leitet. Dieser Ansatz erlaube zudem die Konstruktion besonders kompakter Unterwasserroboter mit Laseraufsatz. Diese recht kleinen Laserroboter könnten auch schwer zugängliche Stellen von Unterwasserstrukturen erreichen. Anders als etwa beim Sägen müssten die Demontage-Teams solcher Unterwasser-Laser nicht fortlaufend mit neuen Blättern oder anderen Verbrauchsmaterialien bestücken.
Forscher plädieren für Lasereinsatz beim Abriss von Kernkraftwerken
Zudem erzeugt solch ein System keine Abfälle und entlässt keine gefährlichen Stoffe in die Atmosphäre. Dieser Vorteil fällt besonders beim Abriss alter Kernkraftwerke ins Gewicht. Denn auch dort sind oft stählerne Bauteile zunächst unter Wasser zu zerlegen. Würde man hier mit Schneidgas arbeiten, könnten mit den Blasen radioaktive Abfälle an die Wasseroberfläche gelangen. Auch dieses Problem erübrigt sich beim Laser-Unterwasserschneiden.
Wasser wird vom „Feind“ zum „Freund“
Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz der innovativen Technologie beschreibt Instituts-Chef Prof. Christoph Leyens: „70 Prozent der Erde bestehen aus Wasser. Diese Offshore*-Reserven muss die Menschheit künftig verstärkt nutzen, um umweltfreundliche Energiequellen zu erschließen und auszubauen“, argumentiert er. „Dafür brauchen wir neue Unterwasser-Fertigungstechnologien wie unsere Laserschneidlösungen. Bisher wurde das Wasser dabei als ,Feind’ verstanden. Wir kehren das um und verstehen es als ,Freund’.“
Quelle: Fraunhofer-IWS
* „offshore“ = vor der Küste, also im Meer
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