Angelerntes Expertensystem erkennt Organe im Bauch nun ähnlich gut wie erfahrene Operateure
Dresden, 29. August 2023. Künstliche Intelligenzen (KI) sollen künftig Chirurgen bei kniffligen OPs unterstützen. Sie können beispielsweise die genaue Lage von Organen im Patientenkörper orten und dem Operateur dann per „Augmentierter Realität“ (AR) wie „Hilfslinien“ vor Augen führen. Dies könnte für präzisere Eingriffe sorgen und das Kunstfehler-Risiko senken. Mediziner, Ingenieure und Forscher in Dresden haben nun in einer gemeinsamen Studie nachgewiesen, dass gut trainierte intelligente Computerprogramme die Organe im Patienten-Bauch ähnlich gut wie erfahrene menschliche Operateure erkennen können. Ab 2024 wollen sie ihr neues System erstmals im Operationssaal testen. Das geht aus einer Mitteilung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) am Uniklinikum Dresden hervor.
Künstlicher Assistent könnte vor allem Chirurgen mit wenig Erfahrung helfen
„Dies könnte in Zukunft dazu beitragen, dass die Qualität einer Operation weniger stark als bisher von der Erfahrung des chirurgischen Teams abhängt“, erklärte Prof. Jürgen Weitz, der am Uniklinikum Dresden die Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie leitet. „Sehr erfahrene Chirurginnen und Chirurgen erkennen auch diffizile anatomische Strukturen problemlos. Intelligente computerbasierte Systeme sollen dieses Wissen auch Kolleginnen und Kollegen an Zentren mit weniger chirurgischer Expertise beziehungsweise Erfahrung zur Verfügung stellen.“
KI landet bei Bauchspeicheldrüsen-Erkennung auf Platz 3 von 28
Für ihr Experiment trainierten die Forscher eine KI mit über 13.000 markierten Einzelbildern darauf, Bauchspeicheldrüse, Harnleiter, Dünndarm oder Dickdarm und sieben weitere für Darmkrebs-OPs besonders wichtige Strukturen zu erkennen. Denn wenn der Chirurg hier danebenschneidet, kann dies drastische Folgen für die künftige Lebensqualität des Patienten haben. Danach ließen die Entwickler ihre Künstliche Intelligenz am Beispiel der Bauchspeicheldrüsen-Erkennung gegen 28 menschliche Probanden antreten. Ergebnis: Die KI identifizierte die Drüse ähnlich gut wie zwei Operateure mit über zehn Jahren Erfahrungen in minimalinvasiver Chirurgie – alle anderen menschlichen Teilnehmer schnitten schlechter ab.
Direkter Vergleich Mensch und Maschine war bisher selten
„Unsere Studie ist eine der ersten, die im direkten Vergleich zwischen Mensch und Maschine zeigt, dass intelligente Assistenzsysteme anatomische Gegebenheiten auf klinisch relevantem Niveau identifizieren“, betonte Studien-Erstautorin Dr. Fiona Kolbinger vom Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Digitale Gesundheit (EKFZ) in Dresden. „Das ist ein vielversprechendes Ergebnis, das wir künftig unter realen Operationsbedingungen weiter testen wollen.“
Zunächst 15 Test-OPs mit KI- und Roboter-Hilfe an Uniklinik Dresden geplant
Ab 2024 wollen die Studienpartner die KI in einem echten OP-Saal bei 15 robotergestützten minimalinvasiven Enddarmkrebs-Eingriffen mithelfen lassen – wenn die Patienten zustimmen. Die Chirurginnen und Chirurgen bekommen dann parallel zum Video der Operationskamera Bilder aus dem Körperinneren sehen, auf denen die KI Organe und andere wichtige Strukturen im Bauch markiert. „Wir wollen zunächst evaluieren, ob die Operateure während des Eingriffs gut mit den eingeblendeten Hilfestellungen zurechtkommen“ erläuterte Dr. Sebastian Bodenstedt, der am NCT wie auch am TU-Exzellenzzentrum Ceti forscht. „Diese werden nahezu in Echtzeit angezeigt, was eine große Stärke unseres Systems ist.“
Ingenieure und Mediziner arbeiten zusammen
An der KI-OP-Studie hatte sich ein interdisziplinäres Team beteiligt. Dazu gehörten Chirurgen mit OP-Roboter-Erfahrung, Ingenieure, KI-Experten und andere Wissenschaftler vom Uniklinikum Dresden, NCT, EKFZ und vom Zentrum für taktiles Internet mit Mensch-Maschine-Interaktion (Ceti) der TU Dresden.
Autor: hw
Quelle: NCT
Wissenschaftliche Studie:
„Anatomy segmentation in laparoscopic surgery: comparison of machine learning and human expertise – an experimental study“ von Kolbinger FR, Rinner FM, Jenke AC, Carstens M, Krell S, Leger S, Distler M, Weitz J, Speidel S und Bodenstedt S., in: Int J Surg. 2023 Aug 1. DOI: 10.1097/JS9.0000000000000595, Fundstelle im Netz hier
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