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Akku-Markt für Hybrid-Schifffahrt legt zu

Vor allem Fährbetreiber haben in den vergangenen Jahren für Akku-Nachfrage gesorgt. Künftig sind auch mehr Aufträge für Hybrid-Frachter zu erwarten. Foto: Heiko WeckbrodtMalta

Vor allem Fährbetreiber haben in den vergangenen Jahren für Akku-Nachfrage gesorgt. Künftig sind auch mehr Aufträge für Hybrid-Frachter zu erwarten. Foto: Heiko Weckbrodt

IDTechEx rechnet mit 26 % Umsatzwachstum pro Jahr

Cambridge/Stralsund/München, 6. August 2023. Der Markt für Groß-Akkumulatoren in elektrischen und hybriden Schiffen und Booten wird in den nächsten Jahren wohl dynamisch wachsen: Mit jährlichen Umsatz-Wachstumsraten von 26 Prozent im Laufe der 2020er Jahre rechnet das britische Marktforschungs-Unternehmen „IDTechEx“ aus Cambridge.

Luke Gear. Foto: IDTechEx

Luke Gear. Foto: IDTechEx

„Potenzial ist riesig“

„Das Potenzial ist riesig“, ist IDTechEx-Analyst Luke Gear überzeugt. Auf der einen Seite treiben die EU, speziell auch die Skandinavier, aber auch viele außereuropäische Akteure die Dekarbonisierung der Schiffs- und Fährflotten weltweit voran. Immer mehr Häfen verlangen von Schiffen, die anlegen wollen, umweltfreundliche Antriebe. Und die 175 Mitglieder der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO haben sich im Juli darauf geeinigt, die globale Seeschifffahrt bis 2050 komplett zu dekarbonisieren, dann also vollständig auf Mineralöl und daraus abgeleitete fossile Treibstoffe zu verzichten. Auch der „Verband Deutscher Reeder“ (VDR) hat diese Weichenstellung begrüßt.

Die Gründe sind vor allem umweltpolitischer Art. Denn der weltweite Schiffstransport ist laut der „Internationalen Seeschifffahrts-Organisation“ für knapp 2,5 Prozent der gesamten Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich und verursacht jährlich eine Milliarde Tonnen CO2. „Doch weniger als ein Prozent der weltweiten Handelsflotte wird derzeit mit alternativen Kraftstoffen, einschließlich Batterien, betrieben“, berichtet IDTechEx-Analyst Gear.

Die meisten Schiffs-Akkumulatoren sind bisher für elektrische Fähren gedacht. Künftig werden aber auch Hybrid-Frachter für viele Aufträge an Akku-Fabriken sorgen. Grafik: IDTechEx

Elektro-Schifffahrt beschränkte sich bisher vor allem auf Fähren

Mittlerweile seien Akkumulatoren für Schiffsantriebe mit einer Gesamtleistung von einer Gigawattstunde (1 GWh) weltweit auf Gewässern unterwegs, was einem Branchenwachstum von 72 % im Jahr 2022 entspreche. Doch ein Großteil dieser Zuwächse kam bisher durch den Umstieg auf elektrische Fähren zustande. Als weltweit erste vollelektrische Autofähre ging 2015 die 80 Meter lange „Ampere“ in Norwegen in Betrieb. „Bei jedem 10-Minuten-Stopp der Fähre werden die Akkus kurz aufgeladen, über Nacht dann vollständig“, berichtet Infineon. „Der Strom stammt aus Wasserkraft.“ Ein weiteres Beispiel verkehrt in Deutschland: „Eine vollelektrische Fähre verbindet seit Frühjahr 2018 die deutschen Orte Wasserbillig und Oberbillig auf der Mosel.“ Die „Sankta Maria II“ bezieht ihren Strom teilweise von 15 Solarmodulen – gebaut wurde sie übrigens von der Werft „Ampereship“ in Stralsund.

Solarelektro-Fähre der Strahlsunder werft  "Ampereship" für eine Fährverbindung in Lübeck. Foto: Ostseestaal / Ampereship

Solarelektro-Fähre der Stralsunder Werft „Ampereship“ für eine Fährverbindung in Lübeck. Foto: Ostseestaal / Ampereship

Sättigung im Fährmarkt erwartet

„Die Märkte für Elektroschiffe in der Vergangenheit durch Bestellungen für Elektrofähren gestützt, die zwischen 2019 und 2022 insgesamt 37 Prozent der Lieferungen von Batteriekapazitäten auf See ausmachten“, schätzt der Analyst ein. „Norwegen ist mit rund 100 in Betrieb befindlichen Elektrofähren ein wichtiger Treiber die meisten auf der Welt. Allerdings erwartet IDTechEx hier bald eine Marktsättigung, da die Regierungsziele im nächsten Jahr übertroffen werden sollen.“

Nächster großer Schub für Akku-Produktion durch hybride Frachter

Die größten Potenziale sehen die Marktforscher daher nun vor allem in der Hybridschifffahrt auf hoher See. „Die Zukunft der Elektroschiffindustrie liegt bei Hybridfrachtschiffen“, ist Gear jedenfalls überzeugt. Er geht davon aus, dass „Anforderungen an emissionsfreie Ankerplätze, kommende IMO- und EU-Vorschriften und größere Batteriesysteme pro Schiff die Installation von Batterien vorantreiben werden.“

Hybride Schiffe: Meist erzeugt Dieselgenerator den „Saft“ für den Elektromotor

Mit „Hybriden“ sind Schiffe mit elektrischen Antrieben gemeint, die für Anlegemanöver in Häfen ihre Akkus nutzen und sie dort auch wieder aufladen, für längere Strecken aber die Elektromotoren mit Verbrenner-Generatoren speisen oder Brennstoffzellen als Energiequelle nutzen. Technologisch sind viele Frachter auf diesen Schritt bereits vorbereitet: 80 Prozent der Hochseeschiffe fahren heute mit einem dieselelektrischem Antrieb. Dabei erzeugen dieselbetriebene Generatoren erzeugen den Strom, der anschließend einen Elektromotor antreibt. Dieser bewegt wiederum die Schiffsschraube. Im Vergleich zur traditionellen Lösung, bei der Diesel oder Schweröl direkt die Verbrennungsmotoren für die Schiffsschrauben versorgen, lassen sich durch dieselelektrische Antriebe fünf bis 20 Prozent Brennstoff einsparen. Solche Antriebe lassen sich in aller Regel auch mit Kraftstoff betanken, der mit Ökostrom aus Wasserstoff und Kohlendioxid synthetisiert wurde. Allerdings sind solche „E-Fuels“ bisher erst in homöopathischen Mengen verfügbar, zudem auch noch spürbar teurer als mineralischer Diesel. Aber falls diese Synthese-Treibstoffe in absehbarer Zukunft wirklich in größeren Quantitäten verfügbar sein sollten, wären Hybrid-Antriebe für Schiffe weit interessanter als bisher. Und der Einbau eines Groß-Akkus als Zwischenspeicher für die elektrische Energie ist dann nur ein weiterer Schritt hin zu vollelektrischen Antriebssystemen.

Leise Fahrt durch die Fjörde

Praktische Beispiele dafür gibt es vor allem in Skandinavien, aber auch in Deutschland. So fahren zum Beispiel die Fähren der „Vogelfluglinie“ zwischen Deutschland und Dänemark mit Hybrid-Technik. „Auch die ,Vision of the Fjords’ auf dem norwegischen Nærøyfjord ist ein Hybridschiff“, heißt es in einem Elektroschiff-Exposé von Infineon: „Die Elektrizität für den Antrieb stammt von zum einen von Dieselgeneratoren, zum anderen von Akkus. Diese haben eine Kapazität von 600 Kilowattstunden. Geladen werden die Akkus unterwegs durch Überschussenergie des Dieselmotors, im Hafen durch sauberen Strom aus Wasserkraft. Das Schiff kann ganze drei Stunden mit dem Strom aus den Batterien fahren.“ Auch das Expeditionsschiff „MS Roald Amundsen“ der norwegischen Reederei Hurtigruten hat einen Hybridantrieb mit Lithium-Ionen-Akkus, der eine leise Fahrt entlang der Fjörde und Eisberge erlaubt.

Zunehmend auch Frachter mit Akkus der Megawattklasse unterwegs

Diese Beispiele stammen aber alle aus der jüngeren Vergangenheit. Denn frühere Schiffs-Akkus hatten einfach zu wenig Leistungsdichte und Leistung, um für große Schiffe wirklich eine Option zu sein. Heute haben manche Seegefährte aber Akkumulatoren mit mehreren Dutzend Megawattstunden (MWh) an Bord. Diese Entwicklung, die nicht zuletzt auch durch die technologischen Fortschritte in der Elektroauto-Industrie ermöglicht worden ist, hat mittlerweile zu 70 MWh-Installationen in machen Containerschiffen geführt. Für ozeanweite Fahrten reicht das in der Regel aber immer noch nicht.: Tiefseeschiffe würden Akkus mit Hunderten Megawattstunden brauchen – dies geht bisher über die Möglichkeiten reiner Elektroantriebe immer noch hinaus, so IDTechEx. In China ist inzwischen ein erstes vollelektrisches Containerschiff im Probebetrieb. Aber über solche Einzelbeispiele ist die elektrische Großfrachter-Schifffahrt bisher kaum hinaus gekommen.

Elektroboote sind die E-Autos der Meere

Dagegen werden Hybridfrachtschiffe schon in Serie gebaut, wenn auch immer noch in eher niedrigen Stückzahlen. Bisher sind laut IDTechEx erst einige Hundert Hybrid-Hochseeschiffe im Einsatz. Volumenmäßig sei dagegen das elektrische Freizeit- und Freizeitbootfahren mit Zehntausenden verkauften Exemplaren pro Jahr der größte Markt. „Das sind die Autos der Meereswelt“, meint Gear. Denn diese Boote brauchen nur einige Dutzend bis Hundert Kilometer Reichweite statt mehreren Tausend bei großen Übersee-Frachtern. Dennoch habe der Frachter-Sektor mittel- und langfristig „aufgrund der Schiffsgrößen und des hohen Energiebedarfs in Zukunft den größten Marktwert und die größte Nachfrage nach Schiffsbatterien, was zu riesigen Batteriesystemen pro Schiff führt“.

Chinesische Hersteller stark positioniert

Wie in vielen anderen Industriesektoren wird hier laut der IDTechEx-Analyse auch der Wettbewerbsdruck durch chinesische Anbieter im Markt für elektrische und Hybrid-Schiffe wachsen: Die Chinesen haben technologisch führende Akku-Fabriken, die mit vergleichsweise niedrigen Kosten produzieren, zudem beherrschen sie viele unterschiedliche Akku-Typen und haben Skalierungsvorteile durch die Nachfrage aus der rasch wachsenden chinesischen Elektroauto-Industrie. Marktführer wie das Unternehmen „Contemporary Amperex Technology“ (CATL) haben zudem eigene Tochtergesellschaften ausgegründet, die sich dezidiert auf Akkus für Schiffe spezialisiert haben.

Bessere Leistungshalbleiter sollen für schnelles Laden und mehr Reichweite sorgen

Marktchancen rechnen sich aber auch europäische Hersteller von Leistungshalbleitern wie Infineon in diesem Segment aus. Denn gerade bei den großen Energiemengen, die für Seefrachter zu verteilen sind, dürfte jeder Prozentpunkt mehr oder weniger Effizienz bei der Leistungselektronik die Reichweite eines elektronischen oder Hybrid-Schiffs recht spürbar beeinflussen. Und auch die Ladestationen in den Häfen werden künftig bessere Leistungshalbleiter brauchen, die für kurze Ladezeiten und wenig Abwärme sorgen. Hier hofft der deutsche Mikroelektronik-Konzern insbesondere auch seine neuen Siliziumkarbid-Bauelemente, für die das Unternehmen jüngst erst große Fabrikinvestitionen angekündigt hatte, wichtige Marktanteile zu gewinnen.

Autor: hw

Quellen: IDTechEx, Infineon, Oiger-Archiv, VDR

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt