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EU-Chipgesetz nimmt letzte größere Hürde

Die EU-Kommission plant ein europäisches Chip-Gesetz, um in der Mikroelektronik wieder etwas an Boden zu gewinnen. Foto: Christophe Licoppe für die EU-Kommission

Die EU-Kommission plant ein europäisches Chip-Gesetz, um in der Mikroelektronik wieder etwas an Boden zu gewinnen. Foto: Christophe Licoppe für die EU-Kommission

Politiker in Dresden rechnen mit Milliarden-Zuschüssen für Sachsens Mikroelektronik

Dresden/Berlin/Brüssel, 25. Juli 2023. Als wichtigen Baustein, um die Leistungsfähigkeit der europäischen Industrie zu sichern, hat der sächsische Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) das europäische Chipgesetz („European Chips Act“) begrüßt, das heute mit einem entsprechenden Beschluss des EU-Ministerrates nun die letzte Hürde genommen hat.

Regionalminister Schmidt: Müssen auch regulatorische Wettbewerbsnachteile abbauen

„Bei der Herstellung von Halbleitern muss sich Europa dringend besser aufstellen“, forderte Schmidt, der bei den Verhandlungen um das Chipgesetz nicht nur Sachsen, sondern als Regionalberichterstatter generell auch die Interessen der anderen europäischen Mikroelektronik-Standorte in Brüssel vertreten hatte. „Der Chips Act ist eine Investition in die Zukunft. Ich bin überzeugt, dass die Stärkung dieser Schlüsseltechnologie die Basis dafür ist, dass unsere Wirtschaftsstandorte wettbewerbsfähig bleiben. Das gilt für Sachsen, für Deutschland und für Europa.“

Regionalminister Thomas Schmidt. Foto: Foto-Atelier-Klemm für das SMR

Regionalminister Thomas Schmidt. Foto: Foto-Atelier-Klemm für das SMR

Die versprochenen Subventionen für neue Chipwerke seien aber nur eine Seite des Chipgesetzes. „Wir müssen in Europa auch regulatorische Wettbewerbsnachteile abbauen“, sagte Schmidt. Hintergrund: Erst kürzlich hatten Branchen-Vertreter Schmidt noch einmal auf die praktischen Probleme für die Halbleiterindustrie gerade auch in Sachsen aufmerksam gemacht, wenn die EU aus ökologischen Gründen immer mehr Chemikalien verbiete. Dies betrifft beispielsweise das Arsen in Galliumarsenid-Spezialschaltkreisen, aber auch das Fluor in vielen Ätzgasen für die Chipproduktion.

Blick in die Kristallzucht bei Freiberger Compound Materials. Abb.: FCM

Blick in die Kristallzucht bei Freiberger Compound Materials. Abb.: FCM

Bloomberg: Deutschland steckt 20 Milliarden Euro in Chipfabrik-Subventionen

Dennoch ist es aber vor allem das Geld aus Brüssel und vor allem aus Berlin, auf die die Branchenvertreter schielen: Das Chipgesetz erlaubt weit höhere Subventionsquoten als im normalen EU-Wettbewerbsrecht vorgesehen – und in diesem Zuge machen neben der EU vor allem auch die jeweiligen Regierungen der Mitgliedsstaaten erhebliche Steuergelder locker, um ihre nationalen Mikroelektronik-Standorte zu stärken. In Deutschland fließen in diesem Zuge laut „Bloomberg“-Angaben insgesamt 20 Milliarden Euro an Chipfabrik-Subventionen, vor allem in Sachsen-Anhalt, Sachsen und im Saarland.

TSMC will angeblich über die Hälfte seiner Fab in Dresden vom Staat bezahlt bekommen

So wird beispielsweise Intel für seine beiden geplanten, insgesamt 30 Milliarden Euro teuren Chipfabriken in Magdeburg voraussichtlich knapp zehn Milliarden Euro Zuschüsse bekommen. Infineon kann mit einer Milliarde Subventionen für seine fünf Milliarden Euro teure Fabrik 4 in Dresden rechnen. Weitere fünf Milliarden Euro sind laut aktueller Gerüchteküche für TSMC avisiert: Die Taiwanesen wollen demnach gemeinsam mit weiteren Partnern eine zehn Milliarden Euro teure Chipfabrik in Dresden bauen – dies wäre dann mit 50 % auch die bisher höchste Zuschussquote überhaupt, die in Deutschland für neue Halbleiter-Ansiedlungen bezahlt werden. Außerdem kann Wolfspeed mit rund einem Viertel Zuschüsse – also etwa 750 Millionen Euro – für seine Fabrik für Siliziumkarbid-Leistungshalbleiter im Saarland rechnen. Bleiben rechnerisch noch rund drei Milliarden Euro Verfügungsreserve für weitere Ansiedlungen, wenn die Bloomberg-Informationen zutreffen. Im Regelfall finanziert der Bund im jeweiligen Einzelfall von solchen Chipgesetz-Subventionen 70 Prozent, den Rest das jeweilige Bundesland.

Infineon als Steinmosaik auf dem Chipfabrikgelände in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Infineon als Steinmosaik auf dem Chipfabrikgelände in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Deutschland dotiert EU-Chipgesetz gewissermaßen nach

In Summe wären diese 20 Milliarden Euro im Chipgesetz-Rahmen zuzüglich der Zuschüsse für „wichtige Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse“ in der Mikroelektronik (Ipcei ME 2) dann doch schon eine beachtliche Summe – und bedeutend mehr, als die EU selbst in den Topf zu werfen gedenkt. Im internationalen Wettbewerb um Mikroelektronik-Ansiedlungen, der inzwischen in einen Subventions-Wettlauf ausgeartet ist, dürften diese speziellen deutschen Anstrengungen durchaus spürbar die Waagschale bei Investitionsentscheidungen beeinflussen. Derweil stecken auch Frankreich, Italien und Spanien derzeit nicht unerhebliche Subventionen in den Auf- beziehungsweise Ausbau ihrer nationalen Halbleiter-Industrien.

Autor: hw

Quellen: SMR, Bloomberg, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt