Neuronale Netze von „Symate“ helfen Autozulieferern, Qualität, Wiederverwertung und Kosten in Echtzeit auszubalancieren
Dresden, 28. November 2022. Damit die deutsche Industrie mehr Kunststoffe wiederverwerten kann, statt dafür noch mehr Erdöl zu verbrauchen, können sehr erfahrene Maschinenbediener helfen – oder Künstliche Intelligenz (KI). Wie das geht, hat die Dresdner Uni-Ausgründung „Symate“ inzwischen schon mehrfach in der Autoindustrie, im Plastebehälterbau und anderen Branchen vorexerziert: Die sächsische KI balanciert nämlich in in den Werkhallen in Echtzeit genau aus, wieviel Altplaste Spritzgießmaschinen ohne Qualitätseinbußen in der Produktion vertragen.Dadurch lassen sich deutlich mehr dieser „Rezyklate“ genannten Kunststoff-Abfälle wiederverwenden.
Druck auf Autoindustrie wächst – und die verlangt nun von ihren Zulieferen eine besser Öko-Bilanz
Erst kürzlich habe Symate solch einen KI-Qualitätswächter bei einem westdeutschen Zulieferer eingerichtet, der aus Kunststoff Auto-Kühlergrille herstellt und dann metallisiert, berichtete Geschäftsführer Martin Juhrisch kürzlich während des Netzwerktreffens „Innovationstreiber Künstliche Intelligenz in Sachsen“ im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Hintergrund war – wie bei so vielen Unternehmen aus dem Automobilsektor – der wachsende Druck der Autohersteller selbst und letztlich von Politik und Bürgern, die deutsche Fahrzeugindustrie möge doch bitte mehr für den Umwelt- und Ressourcenschutz auf unserem Planeten tun.
Ausschuss-Kandidaten noch vor dem Chrom-Bad aussortieren
Beim konkreten Symate-Kunden in Nordrhein-Westfalen sorgt die KI aus Dresden unter anderem dafür, die Balance aus Neu-Granulat und Rezyklat richtig zu dosieren, so dass am Ende immer noch fehlerfreie Teile die Spritzgießmaschine verlassen. Dafür analysiert sie eine Vielzahl von Sensorwerten, ordnet sie zu Punktwolken, die sie dann mit Ziel-Wolkenformen vergleicht. Ein neuronales Netzwerk erstellt damit eine Art komplexen Qualitäts-Fingerabdruck von jedem einzelnen Teil, das die Spritzgießmaschinen auswerfen. In der Folge sortiert die Künstliche Intelligenz innerhalb der Fertigungskette gleich jene Rohlinge aus, die wahrscheinlich bei einer Weiterverarbeitung doch nur im Ausschuss-Container landen würden. Dadurch verplempert letztlich die Galvanik-Abteilung weniger Energie und Chrom an fehlerhaften Teilen – zudem ist das Recyling von Ausschuss-Elementen erst nach der Metallisierung ohnehin schwieriger, als wenn die Arbeiter die noch nicht verchromten Grille gleich wieder einschmelzen lassen.
CO2-Ausstoß um 85 % vermindert
Letztlich spare der Kunde durch diese KI-Aufwertung seiner Maschinen Geld und Material in der Produktion und verbessere in seiner Umweltbilanz den Ausstoß von Kohlendioxid um 85 Prozent, berichtete Juhrisch. Vor allem aber habe das Unternehmen den Reziklat-Anteil im Kühlergrill auf ein Viertel steigern können, wie von namhaften deutschen Autoherstellern als Auflage gefordert.
„Unser Fokus ist die intelligente Maschine“
Die Expertise für derartige KI-Praxiseinsätze hatte das Symate-Gründerteam im Instituts für Werkzeugmaschinen und Steuerungstechnik (IWM) an der TU Dresden in mehrjährigen Projekten akkumuliert. 2012 gründete das dahinterstehende Trio auf dieser Basis ein eigenes Unternehmen. Das residiert mitten im Stadtzentrum gegenüber der Kunstakademie und beschäftigt mittlerweile 30 Menschen. Die entwickeln vor allem die Betriebssysteme für industrielle KIs. Diese Systeme veredeln gewissermaßen all die Sensor-Daten vor, die viele Maschinen massenhaft sammeln, so dass der Kunde sich um diese Roh-Datenfluten gar nicht erst kümmern muss. „Unser Fokus ist die intelligente Maschine. Wir wollen unser System im gesamten deutschen Maschinenbau einführen“, skizzierte Juhrisch seine unternehmerischen Ziele. Und auf diesem Weg sind die Dresdner schon ein ganzes Stück vorangekommen: Der erster Auftrag kam von einer Spritzgießerei aus der Lausitz – mittlerweile ist Symate auch international aktiv und betreut laut eigenen Angaben über 100 Kunden beim KI-Einsatz.
Anomalien in der Chipfabrik entdecken
Und neben dem Maschinen- und Automobilbau schaut sich das Team inzwischen auch in weiteren technologielastigen Branchen um, in der Mikroelektronik beispielsweise. „Wir haben auch ein Projekt bei Infineon Regensburg“, so Symate-Chef Juhrisch. „Da geht es um die Anomalie-Erkennung beim Draht-Bonden.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Symate, Vortrag KI-Treffen in Rossendorf
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.