Sachsen münzen die 30 % Abwärmeverluste von Brennstoffzellen in Heizung und Klimakälte um
Dresden, 7. Oktober 2022. Um die Reichweite von wasserstoff-betriebenen Bahnen um ein Fünftel zu erhöhen, arbeiten Ingenieure aus Dresden und Chemnitz an einem neuartigen Abwärme-Verwertungssystem. Das nutzt bisherige Energieverluste mobiler Brennstoffzellen, um Straßenbahnen und Eisenbahnwaggons im Winter zu heizen und im Sommer zu kühlen. Denn heutige Brennstoffzellen wandeln nur 60 bis 70 Prozent der im Wasserstoff enthaltenen Energie in Strom um – der Rest verpufft als Abwärme.
Rund ein Viertel des Stroms geht bislang für Heizung und Klimaanlage drauf
Bisher müssten die Betreiber wertvollen Strom einsetzen, um ihre Wagen zu heizen und zu kühlen, erklärt der Maschinenbau-Ingenieur Dr. André Schlott vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung (Ifam) aus Dresden. „Dafür gehen heute noch etwa 25 Prozent der gewonnenen elektrischen Energie von Brennstoffzellen drauf.“ Einen großen Teil davon könnten Verkehrsbetriebe und Bahnbetreiber künftig dank der neuen Technik aus Sachsen in die Reichweite der Fahrzeuge stecken.
Fraunhofer-Ifam, Zuse-Institut ILK, Hörmann und Wätas formen sächsisches Forschungskonsortium „Heat2Comfort“
Um dies zu ermöglichen, haben sich die Fraunhofer-Ingenieure mit den Chemnitzer Schienenfahrzeug-Spezialisten von „Hörmann Vehicle Engineering“, dem Dresdner Zuse-Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) und die Wärmetauscher Sachsen GmbH (Wätas) aus Olbernhau im – vom Bundeswirtschaftsministerium bezuschussten – Projekt „Heat2Comfort“ (deutsch etwa: Hitze für den Komfort) zusammengeschlossen. Das fokussiert sich vor allem auf wasserstoff-betankte Regionalzüge, die künftig womöglich auf Strecken ohne Oberleitung die Dieseltriebwagen und -loks ablösen könnten. Das System wollen wiederum die Chemnitzer so ähnlich auch in Europas erster Wasserstoff-Straßenbahn einsetzen – diese „H2-Tram“ entwickelt Hörmann derzeit gemeinsam mit Heiterblick Leipzig und weiteren Partnern.
Metallschäume, Fasern und Phasenwechselmaterialien sollen für Effizienzschub sorgen
Und so sollen die Abwärme-Verwerter funktionieren: Zellulare Systeme aus Metallschaum oder -fasern mit besonders großer Wirkoberfläche und eingebetteten Kupferrohren fangen die Abwärme der Brennstoffzelle auf. Sie leiten sie diese thermische Energie dann entweder weiter zu Heizungen, in Kältemaschinen oder in Wärmespeicher. Letztere bestehen aus Phasenwechselmaterialien („PCM“), die thermische Energie in den Wechsel vom festen in den flüssigen Zustand und umgekehrt stecken. Die Heizungen wiederum sind keine gewöhnlichen Radiatoren: Vielmehr leitet das System die Abwärme der Brennstoffzellen besonders effizient in spezielle Fußboden-, Wand- oder Tischplatten, die den Fahrgastraum erwärmen. Und um die Klimatisierung im Sommer kümmern sich eine Absorptionswärmepumpe.
60 % der Bahnstrecken sind bisher noch auf Diesel-Lok & Co. angewiesen
Gerade auch in Sachsen könnten wasserstoff-betankte Eisenbahnen mit hoher Reichweite einen erheblichen Beitrag zum Umwelt- und Lärmschutz leisten. Denn im Freistaat sind nur 40 Prozent der Schienenwege elektrifiziert, den Rest bedienen größtenteils Diesel-Loks oder Triebwagen. Brennstoffzellen-Züge sind zwar noch teuer und meist auch noch im Erprobungsstadium. Dafür arbeiten Brennstoffzellen aber eben besonders leise und stoßen – bei reiner Wasserstoff-Betankung – auch nur Wasser statt Kohlendioxid oder andere Abgase aus.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Fraunhofer-Ifam, Hörmann, Oiger-Archiv
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