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Wenigstens unsere Leber bleibt ewig jung

Dr. Olaf Bergmann. Foto: CRTD

Dr. Olaf Bergmann. Foto: CRTD

Dresdner Regenerationsforscher: Organ erneuert sich alle drei Jahre

Dresden, 31. Mai 2022. So sehr unser Körper auch altert: Unsere Leber hält sich über Jahrzehnte jung und wird nie älter als drei Jahre – solange wir es mit unserem Lebenswandel nicht übertreiben. Das hat ein Team um Dr. Olaf Bergmann vom „Zentrum für Regenerative Therapien Dresden“ (CRTD) herausgefunden. Demnach regeneriert sich dieses Organ stetig wieder, auch im fortgeschrittenen Lebensalter, hieß es von der TU Dresden. „Egal, ob man 20 oder 84 Jahre alt ist, die Leber bleibt im Durchschnitt unter drei Jahre alt“, erklärte Dr. Bergmann.

Die Leber entgiftet unseren Körper und ist lebenswichtig. Ohne dieses Organ können wir nicht lange überleben. Kleine Verletzungen kann die Leber aber selbst wieder flicken. Und während ansonsten unsere Fähigkeit, uns selbst zu heilen, mit dem Alter abnimmt, behält laut den CRTD-Befunden die Leber eben diese Fähigkeit.

Radiokarbon-Methode von den Archäologen abgeguckt

Um dies nachzuweisen, untersuchten die Forschenden die Lebern von mehreren Menschen , die im Alter zwischen 20 und 84 Jahren gestorben waren. Um die Organe zu datieren, setzten sie die Radiokohlenstoff-Methode ein, bei der der Zerfall bestimmter Kohlenstoff-Isotope seit der Gewebebildung bestimmt wird. Diese Methoden wird sonst vor allem in der Geologie und Archäologie eingesetzt, um das Alter von Gesteinen, alten Knochen oder ausgegrabenen Städten zu bestimmen. Überraschenderweise stellte das CRTD-Team mit dieser Technik fest, dass die Leberzellen aller Probanden mehr oder weniger das gleiche Alter hatten.

Die menschliche Leber besteht aus Zellen mit unterschiedlichen Mengen an DNS. Die meisten Zellen haben nur zwei Erbgut-Sätze, wie die mit einem weißen Pfeil markierte Zelle. Einige Zellen haben mehr DNS-Sätze, wie die mit gelben Pfeilen markierten Zellen. Diese verschiedenen Zelltypen in der Leber erneuern sich unterschiedlich schnell. Mikroskopfoto (bearbeitet): Paula Heinke für das DRTD der TU Dresden

Die menschliche Leber besteht aus Zellen mit unterschiedlichen Mengen an DNS. Die meisten Zellen haben nur zwei Erbgut-Sätze, wie die mit einem weißen Pfeil markierte Zelle. Einige Zellen haben mehr DNS-Sätze, wie die mit gelben Pfeilen markierten Zellen. Diese verschiedenen Zelltypen in der Leber erneuern sich unterschiedlich schnell.
Mikroskopfoto (bearbeitet): Paula Heinke für das DRTD der TU Dresden

Erbgut-reiche Zellen erneuern sich langsamer

Allerdings erwiesen sich nicht alle Zellen in der Leber als gleich jung. Ein Teil der Zellen könne bis zu zehn Jahre alt werden, bevor sie sich erneuern, teilte die TU Dresden mit, zu der das CRTD dazugehört. Diese Unterpopulation von Leberzellen trage mehr DNA als die typischen Zellen. „Die meisten unserer Zellen haben zwei Chromosomensätze, aber einige Zellen akkumulieren mit zunehmendem Alter mehr DNA“, erklärte Dr. Bergmann. „Am Ende können solche Zellen vier, acht oder sogar mehr Chromosomensätze tragen. Typische Zellen erneuern sich etwa einmal im Jahr, während die DNA-reicheren Zellen bis zu einem Jahrzehnt in der Leber verbleiben können.“ Und der Forscher mutmaßt: „Da dieser Anteil im Laufe des Lebens allmählich zunimmt, könnte dies ein Schutzmechanismus sein, der uns im Alter vor der Anhäufung schädlicher Mutationen bewahrt. Wir müssen herausfinden, ob es ähnliche Mechanismen bei chronischen Lebererkrankungen gibt, die sich in einigen Fällen zu Krebs entwickeln können.“

Auch Hirn- und Herzzellen bilden sich ein Leben lang – aber nicht im Leber-Tempo

Ähnliche Mechanismen untersucht das Bergmann-Team auch für andere Organe. Zwar können sich beispielsweise Gehirn und Herz nicht so effizient selbst heilen wie die Leben – aber auch hier gibt es Regenerationsprozesse. So bilden sich neue Gehirn- und Herzzellen das ganze Leben über – bloß eben nicht so viele, um etwa komplexe Hirnschäden reparieren zu können. Dennoch hoffen natürlich viele Regenerationsforscher, die phänomenalen Selbstheilfähigkeiten etwa von Lurchen oder eben der Leber letztlich auch auf andere menschliche Organe und Gewebe übertragen zu können.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: CRTD der TUD

Wissenschaftliche Publikation:

Paula Heinke, Fabian Rost, Julian Rode, Palina Trus, Irina Simonova, Enikő Lazar, Joshua Feddema, Thilo Welsch, Kanar Alkass, Mehran Salehpour, Andrea Zimmermann, Daniel Seehofer, Göran Possnert, Georg Damm, Henrik Druid, Lutz Brusch, Olaf Bergmann: Diploid hepatocytes drive physiological liver renewal in adult humans. Cell Systems (Mai 2022)
Link: http://doi.org/10.1016/j.cels.2022.05.001

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt