
Dr. Christian Sonnendecker zersetzt mit seinem Friedhofsenzym den Plasteabfall. Foto: Swen Reichhold für die Uni Leipzig
Bio-Wirkstoff zerlegt PET-Abfall in wiederverwertbare Grundstoffe für einen neuen Kunststoff-Zyklus
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Leipzig, 16. Mai 2022. Ein Team um den Forscher Dr. Christian Sonnendecker von der Uni Leipzig hat auf einem Friedhof in einem Komposthaufen ein Enzym entdeckt, das Plastemüll in Rekordzeit zersetzt. Eine Kunststoffschale aus dem Supermarkt zerlegte der Biowirkstoff „PHL7“ binnen 24 Stunden in Terephthalsäuren und Ethylenglycole, aus denen sich danach wieder neuer Kunststoff herstellen lässt. Das geht aus einer Mitteilung der Uni Leipzig hervor. Dieses biotechnologische Methode könnte womöglich dabei helfen, Abfall aus Polyethylenterephthalat (PET) viel schneller und energiesparender als bisher wiederzuverwerten, hoffen die Forscher.
Verbrennen, pyrolisieren, zersetzen
Seit China und andere Länder keinen Plastemüll aus dem Westen mehr annehmen, verbrennt die Recycling-Industrie solche Abfälle entweder, schmilzt sie auf oder zerlegt sie per Pyrolyse. Diese Prozesse funktionieren aber nur bei hohen Temperaturen und fressen meist viel Energie. Zudem ist aufgeschmolzener Kunststoffmüll nicht mehr so hochwertig wie das Originalpapier, sprich: Nach jedem Recycling-Durchlauf lässt sich der Abfall für immer minderwertige Produkte einsetzen.

Von einer Obstschale aus PET (links) blieben nach dem Versuch lediglich Farbstoff und Reste von Schnittkanten zurück. Foto: Christian Sonnendecker, Uni Leipzig
Misthaufen-Enzym arbeitet doppelt so schnell wie japanische Konkurrenz
Vor zehn Jahren entwickelten japanische Forscher eine Alternative: Auch ihr Wirkstoff „LCC“ zerlegt PET-Abfall enzymatisch. Allerdings hat sich dieses Verfahren bisher noch nicht breit durchsetzen können, weil es nicht ganz billig ist und seine Zeit dauert. Das könnte sich mit Sonnendeckers Friedhofsentdeckung nun ändern: Im Vergleich zu LCC zerlegt das sächsische Enzym PHL7 die Kunststoffabfälle doppelt so schnell. Und es braucht nur 65 bis 70 Grad Wohlfühl-Temperatur, um seine Arbeit zu verrichten. Damit ist der Energieeinsatz im Vergleich zu Schmelzeverfahren niedriger.
Erhebliche Energieersparnis erhofft
„Das in Leipzig entdeckte Enzym kann einen wichtigen Beitrag bei der Etablierung von alternativen energiesparenden Plastikrecyclingverfahren leisten,“ kommentierte Prof. Wolfgang Zimmermann von der Uni Leipzig die neuen Befunde. „Aufgrund der enormen Probleme, die durch die weltweite Belastung der Umwelt mit Plastikabfällen entstanden sind, gewinnen umweltfreundliche Verfahren zur Wiederverwendung von Plastik in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft immer mehr an Bedeutung.
Prototyp soll 2025 betriebsbereit sein
Allerdings hat der Wirkstoff noch Probleme mit PET-Flaschen. Das Leipziger Team arbeitet nun daran, dieses Manko zu beseitigen. In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen sie einen Prototypen bauen, der das Potenzial künftiger Plastemüll-Zersetzungsfabriken mit ihren Friedhofsenzym zeigen soll. Um ihre Recycling zur Praxisreife zu führen, suchen sie nun nach Industriepartner.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Uni Leipzig, Oiger-Archiv
Wissenschaftliche Publikation:
Christian Sonnendecker u. a.: „Low Carbon Footprint Recycling of Post-Consumer PET Plastic with a Metagenomic Polyester Hydrolase”, doi.org/10.1002/cssc.202101062
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