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Plastemüll-Pyrolyseure der Biofabrik Dresden gehen in Serie

Container mit einer "Wastx Plastic"-Pyrolyse-Anlage. Foto: Biofabrik

Container mit einer „Wastx Plastic“-Pyrolyse-Anlage. Foto: Biofabrik

Weltverbesserer aus Sachsen wollen Abfallberge abtragen und daraus Öl für die Kreislaufwirtschaft machen

Dresden/Straßgräbchen, 5. Februar 2021. Die Ingenieure der Biofabrik Dresden haben sich ein hehres Ziel gesteckt: Sie wollen die Plastemüllberge rund um den Erdball abtragen. Rund zehn Jahre lang haben sie an einer Lösung getüftelt – und sie schließlich gefunden: containergroße Pyrolyse-Anlagen, die hochautomatisiert alten Verpackungsabfall schlucken, den Kunststoff bei rund 400 Grad in kleine Moleküle zerlegen und damit synthetisches Rohöl („Synthetic crude“) sowie andere verwertbare Stoffe erzeugen. Die Serienproduktion dieser „Wastx Plastic“-Maschinen beginnt nun in Sachsen – bald sollen sie weltweit im Einsatz sein. Das hat Biofabrik-Sprecher Hendrik Oeser angekündigt.

Mehr Umweltschutz und Einkommen für Schwellen- und Entwicklungsländer

Die Pyrolysereaktoren sollen nicht nur in die Umwelt entlasten, sondern in Indonesien, Kambodscha, auf den Philippinen und in anderen Ländern auch für mehr Wohlstand sorgen: „Unsere Vision ist, dass wir dort, wo unsere Anlagen im Einsatz sind, auch für Arbeit und Einkommen sorgen“, erklärte Hendrik Oeser.

Hendrik Oeser. Foto: Biofabrik

Hendrik Oeser. Foto: Biofabrik

Pilotprojekt in Afrika: Pyrolyse als Geldquelle für arme Müllsammler

So ist noch in diesem Jahr ein Pilotprojekt in Nigeria geplant: Ein Partnerunternehmen will dort die thermischen Spalter aus Sachsen an einer Müllhalde aufstellen. Mensch, die bisher die Abfallberge nach Brauchbarem durchwühlt haben, sollen dann Geld dafür bekommen, wenn sie Plasteverpackungen dem Pyrolysereaktor geben, der daraus Öl macht. Das wiederum wollen die Partner nachverfolgbar in Kreislaufprozesse wieder einschleusen – zum Beispiel in Fabriken, die Mehrweg-Kunststoffprodukte herstellen.

Weg von der Wegwerf-Plaste – hin zum Plastekreislauf

„Plastik hat keinen allzu guten Ruf mehr“, weiß der 31-jährige studierte Psychologe. Andererseits sei Kunststoff für viele Zwecke ein sinnvolles Material. „Wenn wir mit unserer Technologie von Einwegplastik wegkommen, das irgendwo weggeworfen oder verbrannt wird, und statt dessen zu Mehrweg-Plastik kommen, dessen Rohstoffe wiederverwertet werden, wir also den Kreislauf schließen könnten, dann wäre viel gewonnen.“

Werbevideo über die Pyrolyse-
Anlage (Biofabrik, englisch):

Grundtechnologie Pyrolyse ist altbekannt

Die Technologie dahinter ist eigentlich bereits altbekannt: Schon unsere steinzeitlichen Vorfahren nutzten Vorstufen der Pyrolyse, um zum Beispiel Teer zu gewinnen. Das Grundkonzept: Statt Holz, Kohle oder andere organische Materalien zu verbrennen und dabei – meist auf recht schmutzigem Wege – Energie zu gewinnen, kann man solche Stoffe alternativ auch nur soweit erhitzen, dass sich ihre langen Moleküle spalten und andere verwertbare Stoffe entstehen: Holzkohle zum Beispiel, Teer oder eben Öl. Auch für die Altmetall- und Abfallverwertung gibt es schon ein paar Pyrolyse-Anlagen am Markt, beispielsweise in Asien, aber auch in kleinerem Format in Freiberg. Doch die Technik galt bisher als wenig effizient und viel zu energiehungrig, zudem entstanden doch immer wieder Restabfälle dabei.

Automatischer Pyrolyse-Prozess entwickelt

Deshalb haben die Biofabrik-Spezialisten neuartige, eher kleine Pyrolysesysteme konstruiert, die mit wenig Energiezufuhr auskommen, bei vergleichsweise niedrigen 400 Grad Celsius funktionieren und die Plasteabfälle kontinuierlich unter Luftabschluss einziehen und verarbeiten. Sie werden in sieben Meter lange Container eingebaut und sind dadurch leicht per Schiff und Bahn weltweit umsetzbar. Zudem können sie durch ihre hochzuverlässige Konstruktionsweise pausenlos durchlaufen – 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche, wie die Biofabrik-Macher versichern.

Biofabrik-Projektleiter und Ingenieur Paul Foth zeigt ein Messglas mit einem Kraftstoff-Gemisch, das der Pyrolyse-Container im Hintergrund aus Plastemüll erzeugt hat. Foto: Heiko Weckbrodt

Auf dieser Archivaufnahme von 2019 zeigt Biofabrik-Projektleiter und Ingenieur Paul Foth ein Messglas mit einem Kraftstoff-Gemisch, das der Pyrolyse-Container im Hintergrund aus Plastemüll erzeugt hat. Foto: Heiko Weckbrodt

200-Tonnen-Fabrik für 40 Millionen Euro geplant

Gedacht sind diese Systeme einerseits für den dezentralen Einsatz in Entwicklungs- und Schwellenländern. Andererseits lassen sich aber auch Dutzende oder Hunderte solcher Anlagen zu Pyrolyse-Großanlagen koppeln, die auch nicht gleich komplett ausfallen, wenn einmal ein einzelner Reaktor lahmt. In den kommenden fünf Jahren wollen die Dresdner gemeinsam mit einem Schweizer Partner solch eine vernetzte Großpyrolyse mit einer Tageskapazität von bis zu 200 Tonnen Plasteabfall als Pilotmodell in Deutschland aufbauen. Die Gesamtinvestition schätzen die Partner auf etwa 40 Millionen Euro.

1 Liter Öl pro Kilo Plastemüll

2019 hatte die Biofabrik ihren ersten Prototypen in Dresden-Rossendorf zum Laufen gebracht. Der konnte damals bis zu 250 Kilo Plastemüll am Tag in goldgelbe und dunkelbraune Öle verwandeln. Inzwischen sind die Anlagen serienreif und schaffen täglich eine Tonne. Auch in puncto Effizienz haben die Pyrolyse-Anlagen zugelegt: Aus jedem Kilo Müll erzeugt sie einen Liter Synthie-Crude-Öl. Als ein Nebenprodukt entsteht energiereiches Nutzgas, das bei Bedarf Generatoren antreiben kann oder in Flaschen abfüllbar ist. Ein weiteres Nebenprodukt ist Asche, die für den Straßenbau geeignet ist. „Abfall entsteht so gut wie keiner mehr“, betont Hendrik Oeser. Zudem haben die Ingenieure den Stromhunger des Pyrolyse-Reaktors auf eine halbe Kilowattstunde gedrückt.

Auftragsfertiger übernimmt Serienproduktion

Die Biofabrik selbst konzentriert sich nun auf die Weiterentwicklung der Technologie, damit die Anlagen zum Beispiel auch in der Wüstenhitze in Arabien und in der Salzwassergischt der Ozeane funktionieren. Außerdem ebtsteht in Straßgräbchen ein Standort für die Prototypen-Erprobung. Die Serienproduktion, die nun anläuft, übernehmen dagegen regionale Auftragsfertiger. Für 2021 sind bis zu 100 „Wastx Plastic“-Anlagen des Typs „P1000“ avisiert. 2022 soll die Produktion auf ein paar Hundert Stück wachsen.

"Wastx Oil"-Aufbereiter. Foto: Biofabrik

„Wastx Oil“-Aufbereiter. Foto: Biofabrik

Seit China seine Grenzen für Plastemüll-Importe dicht gemacht hat, sucht Industrie nach Alternativlösungen

Die ersten Abnehmer werden voraussichtlich Entsorgungsunternehmen sein sowie Industriebetriebe, die ihre Plasteabfälle gleich auf dem eigenen Werkgelände recyceln wollen. „Seit China die Importe von Plastikmüll unterbunden hat, ist die Nachfrage nach anderen Verwertungsmöglichkeiten weltweit groß“, versichert der Biofabrik-Sprecher. Weitere Einnahmen erhoffen sich die Dresdner von den „Wastx Oil“-Ölreinigungsanlagen, die sie parallel zu den Plastemüll-Verwertern konstruiert haben und die nun auch in Serie gegangen sind.

Wastx Plastic-Technik könnte schwimmende Müllsammler dieselautark machen

Doch die Fachleute in der Biofabrik denken längst schon weiter: Eher oder später wollen sie ihre dezentralen Plasteverwertungsanlagen auch mobil einsetzen: auf jenen schwimmenden Plattformen, die sich an den großen Ozeanstrudeln positionieren wollen, um dort den weggeworfene Plasteflaschen, Kunststoffbeutel und anderen Müll aus dem Meer zu fischen. Denn wenn mobile Pyrolyse-Reaktoren an Bord diese „Beute“ gleich verflüssigen, könnte mit ein paar Erweiterungen gleich auf hoher See Schiffsdiesel gewonnen werden, der Sammelplattformen wie die die deutsche „Seekuh“ nahezu autark machen könnte.

Wollen unseren Kindern eine bessere Welt hinterlassen

„Solche Visionen sind es, für die wir alle gerne zur Arbeit gehen“, meint Hendrik Oeser, der Vater eines kleinem Sohns ist. „Wir wollen etwas verändern: Der Plastikmüll soll von der Erde verschwinden“, sagt er. „Vielleicht können wir mit unserer Technologie etwas helfen, unseren Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Biofabrik, Oiger-Archiv, Wikipedia, North Data

Biofabrik-Gründer Oliver Riedel. Foto: Biofabrik

Biofabrik-Gründer Oliver Riedel. Foto: Biofabrik

Über die Biofabrik:

Der Internetunternehmer Oliver Riedel gründete 2013 die „Biofabrik Technologies GmbH“ in Dresden. Das Unternehmen finanzierte sich zunächst durch Kapitaleinlagen, Auftragskonstruktionen im Maschinenbau und die Umwandlung von Grasabfällen in Dünger. Schrittweise entwickelte die Biofabrik dann auch komplexere eigene Anlagen: Altöl-Reinigunger zum Beispiel, die zum Beispiel bei Öltankdienstleistern, in der Autoindustrie und Luftfahrt gefragt sind, und eben die Pyrolyse-Reaktoren. Die Gruppe ist dafür in drei Geschäftsbereiche geteilt: „Green Refinery“ beschäftigt sich weiter mit der Pflanzenverwertung, „The White Refinery“ vor allem mit der Plastemüll-Pyrolyse sowie der Altöl-Reinigung und „Automation Systems“ mit Ingenieurdienstleistungen und Prototypenbau. Letzerer Sektor wird allerdings wegen der eigenen Produktentwicklungen nun schrittweise in die anderen Geschäftsbereiche integriert. Die Biofabrik beschäftigt 25 Mitarbeiter.

Zum Weiterlesen:

Biofabrik Dresden frisst Müllinseln

Sachsen wollen mit Pyrolyse Alu den Stromhunger austreiben

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt