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Wasserstoff statt Eisen: Energie-Upgrade für die alte Gießerei Chemnitz

Stapel (Stacks) aus beschichteten Platten sind die Herzstücke für Brennstoffzellen. Hier im Foto ist der Stack einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle bei Bosch zu sehen. Foto: Bosch

Stapel (Stacks) aus beschichteten Platten sind die Herzstücke für Brennstoffzellen. Hier im Foto ist der Stack einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle bei Bosch zu sehen. Foto: Bosch

Fraunhofer und Unternehmer arbeiten in Chemnitz an Ökoenergie-Nachrüstungen für Altbauten

Chemnitz, 2. Januar 2022. In Sachsen wächst das Interesse von Unternehmen und Institute, eine ökologischere Energieversorgung vor Ort aufzubauen. Das hat Hauptabteilungsleiter Mark Richter vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Chemnitz berichtet. Dabei seien gerade auch anspruchsvolle und komplexe Lösungen gefragt, bei denen Solar- oder Windkraftanlagen mit einer Wasserstofferzeugung durch Elektrolyseure sowie einer Rückverstromung durch Brennstoffzellen gekoppelt werden. „Wir sind gerade dabei, in Chemnitz eine grüne Kette aufzubauen“, informierte er während der virtuellen Fachdiskussion „Energie-Talk“ des sächsischen Energietechnik-Verbandes „Energy Saxony“ aus Dresden.

Debatte: Lohnt sich Wasserstoff als Energiepuffer in Gebäuden?

Das Institut wolle am praktischen Beispiel untersuchen, wie sich solch eine Anlagenkette in bestehende Energiesysteme einbauen lässt, wie die Betriebsführung dann aussehen können, wieviel das unterm Strich kostet und welche Fördermittel dafür nutzbar seien. „Wir nehmen wahr, dass viele von unseren Partnern mit solchen Fragen auf uns zu kommen: Wir kann ich auch ältere Gebäude fit für die Zukunft machen – mit nachhaltigen Energieversorgungssystemen? Und da spielt zunehmend auch Wasserstoff als saisonaler Speicher eine Rolle.“

Technisch-künstlerisches Zentrum in Ex-Gießerei geplant

Um zu zeigen, was energietechnologisch und mit vertretbarem finanziellen Aufwand bei der Altbau-Aufrüstung heute möglich ist, will beispielsweise der Unternehmer Lars Faßmann von der Chemmedia AG die alte Eisen-Gießerei von „Huster & Höhne“ an der Gießerstraße am Chemnitzer Hauptbahnhof zum Niedrigenergie-Haus umbauen. Dabei möchte er die aufs Jahr 1865 zurückreichende Industriearchitektur erhalten, aber das Gebäude dämmen, mit einem Solardach versehen sowie mit Wärmepumpe, Brennstoffzelle und Elektrolyseur ausrüsten. Die beiden letzteren Anlagen sollen die überschüssige Sonnenenergie vom Sommer in Form von Wasserstoff in den Winter hinüberretten. Bis zum Herbst 2024 will der Unternehmer das Haus sanieren und dann als Zentrum für künstlerisch-technische Forschung wiedereröffnen. Sein Ziel: Die alte Gießerei soll energieautark werden – „allerdings nicht zu jedem Preis“. Daher will Faßmann zunächst die Fördermöglichkeiten sowie Anschaffungs- und Betriebskosten für solch ein komplexes Energiesystem mit Wasserstoff-Rückverstromung ausloten.

Strombetriebene Wärmepumpen - hier ein Vaillant-Modell - könnten die Heizungs-Umwelt-Bilanz von Eigenheimen verbessern. Sie sind aber auch nicht ganz billig. Foto: Vaillant

Strombetriebene Wärmepumpen – hier ein Vaillant-Modell – könnten die Umwelt-Bilanz von Gebäuden verbessern. Sie sind aber auch nicht ganz billig. Foto: Vaillant

Ambartec Dresden plädiert für Reinsteisen-Puffer statt H2-Tank

Konkret sieht sein Konzept eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der einstigen Gießerei vor, die pro Jahr etwa 250 Megawattstunden liefert, eine 65-Kilowatt-Wärmepumpe, ein 10-Kilowatt-Elektrolyseur in PEM- oder Alkali-Technologie, eine 20-Kilowatt-Brennstoffzelle und ein Zwei-Tonnen-Tank für Wasserstoff. Als Alternative für den Energiepuffer hat Matthias Rudloff vom Dresdner Unternehmen „Ambartec“ vorgeschlagen, den Energiegehalt des erzeugten Wasserstoffs im Energieträger „Reinsteisen“ zwischenzuspeichern, um zu einer sicheren Lösung ohne Druckspeicher und mit hohem Wirkungsgrad in einer dichtbesiedelten Stadt zu kommen.

Ambartec-Chef Matthias Rudloff. Foto: Heiko Weckbrodt

Ambartec-Chef Matthias Rudloff. Foto: Heiko Weckbrodt

Akku-Lösung preiswerter als Wasserstoff-Rückverstromung

Unter finanziellen Gesichtspunkten könnte zudem ein Akkumulator als Strompuffer die wirtschaftlichere Lösung sein als das Gespann Elektrolyseur-Wasserstofftank-Brennstoffzelle, um in einem lokalen Altbau Energie zwischenspeichern. Vorher sei eben die Frage zu klären: „Was will man mit so einen Projekt erreichen?“, betonte Gebäudeenergietechnik-Professor Clemens Felsmann von der TU Dresden. „Will man Sichtbarkeit erreichen und erst einmal Erfahrungen sammeln, dann ist Wasserstoff sicherlich die richtige Wahl. Denn darauf springen viele an.“ Inzwischen habe auch sein Lehrstuhl vom Bundesbauministerium einen Forschungsauftrag bekommen, um eben den noch wenig erproben Einsatz von Wasserstoff als Energiepuffer für Altbauten beziehungsweise Plusenergie-Häusern einmal praktisch zu untersuchen.

Die Dresdner Ingenieure wollen ihre MyReserve-Energiespeicher zu Clustern zusammenschaltbar machen. Foto: Solarwatt

Puffer-Akkus für Sonnenstrom, der in Hausanlagen gewonnen wird, sind inzwischen bereits im Markt etabliert und lassen sich auch zu größeren Speichern koppeln. Foto: Solarwatt

Es gebe aber eben auch andere, preiswertere Lösungen ohne Wasserstoff – wie eben Batterien. Dazu müsse man eben wissen; „Das Thema Wasserstoff ist absolut interessengetrieben.“ Es gebe Studien, in denen dieser Energieträger für den Gebäudesektor überhaupt keine Rolle spiele, und dann wieder andere Studien von der Gas- und Heizungsindustrie, die sagen: Wasserstoff brauchen wir in der Gebäudeenergietechnik unbedingt, das wird so kommen.

Prognose: Kosten für Öko-Wasserstoff halbieren sich bis 2050

Die Kosten für die Herstellung von sogenanntem „grünen“ Wasserstoff, der nur mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, hängen stark vom lokalen Stromkostenpreis und dem gewählten Verfahren ab. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat 2020 die aktuellen Preise dokumentiert und eine Prognose abgegeben. Demnach kostet es derzeit zwischen 7,2 und 21,5 Cent, „grünen“ Wasserstoff mit einem Energiegehalt von einer Kilowattstunde (kWh) herzustellen. Den Durchschnitt bezifferte das Statistikportal „Statista“ für 2019 auf 16,6 Cent pro kWh. Bis 2050 werden sich diese Kosten demnach halbieren.

Der klassische Weg, Wasserstoff zu erzeugen, ist die Zerlegung von Wasser in Wasser- und Sauerstoff. Hier zu sehen ist eine vom Fraunhofer-Institut ISE nachgebaute Wasserelektrolyse-Messzelle (Nachbau) aus transparentem Kunststoff. In Görlitz soll nun ein Labor für Wasserstofftechnologien auf dem Siemens-Campus entstehen. Foto: Fraunhofer ISE

Vom Fraunhofer-Institut ISE nachgebaute Wasserelektrolyse-Messzelle (Nachbau) aus transparentem Kunststoff. Foto: Fraunhofer ISE

Zu beachten ist ferner, dass sich bei einer Rückverstromung des mit einem Elektrolyseurs erzeugten Wasserstoffs in einer Brennstoffzelle der Gesamt-Wirkungsgrad in der Kette Strom-Wasserstoff-Strom noch einmal deutlich reduziert. Klassische Lösungen kommen oft nur auf einen Gesamtwirkungsgrad von 30 bis 40 Prozent. Neuere Systeme, die sich teils noch in der Entwicklung befinden, könnten diesen Wirkungsgrad auf 65 bis 80 Prozent erhöhen. Außerdem lässt sich der Wirkungsgrad erhöhen, wenn man die Abwärme der elektrochemischen Prozesse vor Ort verwerten kann. Zum Vergleich: Moderne Akkus auf Lithium-Ionen-Basis kommen mit ihren Lade-Entlade-Zyklen schon heute auf Wirkungsgrade über 90 Prozent.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Energy Saxony, Fraunhofer IWU, TUD, chemmedia, Statista, WD Bundestag, Bundesnetzagentur

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt