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Ambartec puffert Ökostrom für Wasserstoffwirtschaft in blankem Eisen

Ambartec-Chef Matthias Rudloff. Foto: Heiko Weckbrodt

Ambartec-Chef Matthias Rudloff. Foto: Heiko Weckbrodt

Ostdeutsche Ingenieure haben in Dresden eine DDR-Technologie rekonstruiert und auf eine neue Stufe gehoben

Dresden, 26. Oktober 2021. Das junge Hydrotech-Unternehmen „Ambartec“ aus Dresden hat eine verschollenen geglaubte Energiespeichermethode auf eine neue technologische Stufe gehoben: Statt den Wasserstoff in Hochsicherheitsbehältern, Riesentankern oder Pipelines von Norwegen oder Chile nach Deutschland zu transportieren, will Ambartec die nötige Ökoenergie für eine „saubere“ Wasserstoff-Wirtschaft in purem Eisen zwischenspeichern und in dieser Form über Weltmeere und Ländergrenzen transferieren. „Wir packen das ins Eisen und kommen damit auf eine sehr hohe Energiedichte“, fasst Ambartec-Chef Matthias Rudloff das Konzept zusammen.

Energiedichte und Wirkungsgrad verdoppelt

Rechne man das Volumen beziehungsweise Gewicht von Flüssigwasserstoff-Tanks und ähnlichen klassischen Transportlösungen ein, dann komme das reine Eisen im Vergleich zu solchen klassischen Wasserstoff-Transportspeichern auf die doppelte Energiedichte, erklärt der Geschäftsführer. Und durch den Einsatz von Hochtemperaturtechnik erreiche das Ambartec-Verfahren auch einen doppelt so hohen Wirkungsgrad wie klassische Methoden, wenn man die gesamte Kette von der Wasserstoff-Erzeugung bis zur Rückgewinnung betrachte. Sprich: Die Sachsen holen laut eigenen Angaben etwa 60 Prozent der eingesetzten Energie „am Ende des Tages“ wieder heraus.

Speicher „entrostet“ Eisen im Eiltempo

Das Konzept dahinter: Die Sachsen wollen angerostete Eisenabfälle aus Stahlwerken einsammeln, sie in eine heiße Speicheranlage und dann Wasserstoff durch die Metallpellets leiten. Der reaktionsfreudige Wasserstoff reagiert dort mit dem Eisenoxid und reduziert es zu blankem Eisen. „Wir entrosten gewissermaßen die Eisenabfälle“, sagt Rudloff. Und weil sich dieser Prozess bei Temperaturen bis zu 800 Grad abspielt, geschieht das auch in hohem Tempo. Seine Vorteile spielt die Technologie vor allem aus, wenn die Anlage beispielsweise in die Nähe eines skandinavischen Wasserkraftwerks oder chilenischen Solarkraftwerkes steht und mit Hochtemperatur-Elektrolyse-Anlagen gekoppelt ist, wie sie zum Beispiel Sunfire Dresden konstruiert.

„Entladung“ des Eisens mit Wasserdampf setzt Wasserstoff frei

Ist das Eisen einmal „aufgeladen“, kann es als Schüttgut ins Zielland gebracht werden. Dort steht dann eine zweite Ambartec-Anlage, die heißen Wasserdampf durch den frisch importierten ehernen Energieträger leitet. Dabei entzieht das Reinsteisen dem Wasser den Sauerstoff – und übrig bleibt Wasserstoff, der dann zum Beispiel eine Brennstoffzelle antreiben kann.

Auch als Zwischenpuffer für Windparks nutzbar

Nutzbar ist diese Technik vor allem für den Transfer von Wind-, Solar- oder Wasserenergie als ungefährliches „Schüttgut“ über viele Tausend Kilometer hinweg, aber auch als stationärer Zwischenspeicher, der zum Beispiel Lieferspitzen von Windparks puffert.

Europäische und deutsche H2-Strategie wird von Importen abhängen

Hintergrund sind die ehrgeizigen Ziele für den Auf- und Ausbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft, die sich Bundesregierung und EU-Kommission gesteckt haben: Das energiereiche Gas soll künftig große Lasterflotten antreiben, den Koks in Stahlwerken ersetzen und ganze Wertschöpfungsketten dekarbonisieren. Und statt in umweltbelastenden Erdgas-Dampfreformatoren soll das energiehaltige Gas künftig in ökostrom-betriebenen Groß-Elektrolyseuren entstehen. Klar ist aber auch: Viele Industrieländer werden dann einen Großteil ihres Wasserstoffbedarfs aus Regionen importieren müssen, die dank riesiger Solar- oder Wasserkraftwerke viel überschüssigen Ökostrom produzieren.

Technologie wurde bereits zu DDR-Zeiten eingesetzt, geriet aber in Vergessenheit

Kawasaki zum Beispiel baut dafür gerade eine Flotte aus riesigen Spezialtankern, die in Zukunft Wasserstoff aus Australien nach Japan bringen sollen. Reineisen als alternativen Energieträger zu verwenden, wie es Ambartec vorschlägt, ist dabei noch nicht einmal eine völlig neue Idee: Schon die DDR-Industrie setzte diese Technologie punktuell zum Beispiel für die Veredelung von Stadtgas und Erdgas ein. Das Know-how ging nach der Wende jedoch verloren – bis eine Handvoll ostdeutscher Ingenieure um den Energietchnikexperten Uwe Pahl diese Methode wieder ausgrub. Die Tüftler zogen sich in eine Garage zurück, rekonstruierten das verschollene Wissen und probierten solange, bis sie eine Versuchsanlage zum Laufen gebracht hatten. 2020 gründeten sie auf dieser Basis in Dresden das Unternehmen „Ambartec“,

225 Kilowatt leistet dieser Wasserstoff-Erzeuger und ist damit laut Sunfire der weltweite größte Hochtemperatur-Elektrolyseur. Er soll künftig als Teil einer größeren Anlage Wasserstoff für Nestes Raffinerie in Rotterdam liefern. Foto: Sunfire

Hochtemperatur-Elektrolyseur von Sunfire im Containerformat. Foto: Sunfire

Größere Versuchsanlagen sollen Praxisreife nachweisen

„Nun bauen wir eine größere Versuchsanlage in Freiberg“, teilte Rudloff mit. Im nächsten Schritt wird der Speicher um einen Hochtemperatur-Elektrolysator und eine Brennstoffzelle ergänzt. Damit will das Team den Beweis antreten, dass die gesamte Prozesskette auch im industriellen Maßstab funktioniert. Auf den „Hightech Venture Days“ will Matthias Rudloff nun das Interesse und letztlich das Kapital von Risikoinvestoren für diese Technologie gewinnen: Rund 3,7 Millionen Euro möchte er für eine größere Anlage einwerben.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Ambartec, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt