Comarch rechnet aber mit einer gewissen Verschiebung des Cloud-Geschäfts gen Asien
München, 29. November 2021. Die meisten europäischen Unternehmen, die ihre elektronische Datenverarbeitung (EDV) an Externe auslagern, bevorzugen dafür Dienstleister im eigenen Land. Das hat eine Umfrage des polnischen Unternehmens „Comarch“ ergeben, das selbst solche Auftrags-Rechenzentren betreibt. Dies trifft demnach auf 35 Prozent der befragten Unternehmen zu. Jeweils rund 18 Prozent setzen auf Nachbarländer oder auf das außereuropäische Ausland. Knapp 29 Prozent nutzen eine Standort-Kombination.
Die meisten deutschen Rechenzentren sind in Frankfurt konzentriert
Speziell in Deutschland sind die meisten Rechenzentren, nämlich 69, in der Finanzmetropole Frankfurt am Main installiert, gefolgt von München, Düsseldorf, Berlin, Nürnberg und Hamburg mit jeweils rund 20 Rechenzentren. Zu den kleineren Datacenter-Standorten gehören beispielsweise Stuttgart mit elf sowie Dresden und Leipzig mit jeweils sechs Rechenzentren.
Kosten- und Fachkräfte-Argumente sprechen für Asien, Rechtslage eher dagegen
In Zukunft sei allerdings damit zu rechnen, dass mehr Betriebe aus Kostengründen und vor allem wegen des Fachkräftemangels in fast ganz Europa verstärkt ihre Daten auch an Rechenzentren in Asien auslagern werden, schätzt Comarch-Manager Bartlomiej Kluska ein. Allerdings seien dieser Verlagerung nach Asien rechtlichen Grenzen gesetzt, vor allem für Unternehmen, die mit personenbezogenen Daten zu tun haben: „Je weiter die Anbieter geografisch entfernt sind, desto ferner sind sie mitunter auch in kultureller Hinsicht und gerade auch, was die rechtlichen Regelungen angeht“, argumentiert Comarch nicht ganz uneigennützig.
Europäischer Datenschutz stellt immer wieder auch Austausch mit USA in Frage
Eines der Hauptargumente gegen asiatische Rechnerwolken („Clouds“) ist die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die nämlich verbietet es europäischen Unternehmen, personenbezogene Daten in Ländern speichern oder verarbeiten zu lassen, die nicht das gleiche Datenschutz-Niveau wie die DSVGO bieten. Laut der aktuellen Rechtsprechung des „Europäischen Gerichtshofes“ (EuGH) trifft das beispielsweise nicht auf die USA zu. Und diese rechtliche Sichtweise hat sich noch verfestigt, seit die Vereinigten Staaten mit dem „PATRIOT Act“ und dem „CLOUD Act“ selbst auswärtige Tochterfirmen von US-Unternehmen dazu verpflichten, US-Behörden Zugriff auf ihre Rechenzentren und die darin gespeicherten Daten zu gewähren – selbst wenn die nationalen Gesetze dort dies gar nicht zulassen. Zwar nutzen die Europäer die US-Clouds wegen deren dominanten Marktposition weiter, aber eher mithilfe rechtlicher Provisorien.
Immer mehr Unternehmen setzen auf externe Rechnerwolken
Im Jahr 2020 nutzten bereits 82 Prozent der deutschen Unternehmen Cloud-Dienste – ein deutlicher Sprung im Vergleich zur Zeit vor Corona (76 Prozent), wie aus einer Umfrage von „Bitkom Research“ aus Berlin hervorgeht. Für diese Auslagerungstrends gibt es neben dem Corona-Schub mehrere langfristige Gründe: Ohne Cloud-Dienste, wie sie beispielsweise Amazon, Microsoft und Google anbieten, wären viele heutige Geschäftsmodelle gar nicht möglich. Andererseits haben die hohen Stromkosten und der Fachkräftemangel viele Unternehmen schon vor Jahren dazu gebracht, ihre EDV an spezialisierte externe Dienstleister weiterzudelegieren. Und seit es auch leistungsstarke Internetverbindungen gibt, hat sich dabei wiederum das Cloud-Konzept, bei dem eine scheinbar lokale EDV in Echtzeit durch entfernte Rechenzentren simuliert wird, als Hauptkonzept dabei durchgesetzt.
Video: Comarch-Rechenzentrum in Dresden:
Zwischen Onshoring, Nearshoring und Offshoring
Geografisch gibt es dabei drei Ansätze: Die EDV-Auslagerung an Rechenzentren im eigenen Land heißt im Branchen-Slang „Onshoring“. Offshoring steht für die Auslagerung ins (meist entferntere) Ausland. „Nearshoring“ wiederum meint meist die Auslagerung ins europäische Ausland. Hier sind insbesondere skandinavische Länder gut im Geschäft, in denen die Kühlung der Computer einfach und der Strom – zum Beispiel aus Wasserkraftwerken in Norwegen – billig ist. Diese Wettbewerbsvorteile der Skandinavier relativieren sich allerdings bei Konzepten wie Heißwasserkühlungen und Konzepten wie denen von „Cloud & Heat“, die die Abwärme von Rechenzentren nutzen, um zum Beispiel Bürogebäude zu heizen. Diese Wärmeverwertung ist in dichtbesiedelten Gegenden womöglich sinnvoller möglich als neben einem Wasserkraftwerk im hohen Norden.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Comarch, Bitkom, Oiger-Archiv
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