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Das sächsische Dreieck der Dünnschichttechnologie

Ein Fraunhofer-Experte bereitet ein Werkzeug für die Bipolarplatten-Fertigung vor. Foto: Fraunhofer IWU

Ein Fraunhofer-Experte präpariert ein Werkzeug für Bipolarplatten für Brennstoffzellen. Foto: Fraunhofer IWU

Hauchdünne Superschichten aus Sachsen spielen wachsende Rolle in der Industrie

Dresden, 30. Juni 2021. Hauchdünne Schichten, die Reibungsverluste von Motoren nahezu auf Null drücken, effizienzsteigende Schichten für Energiesysteme, Antireflex-Schichten für Saphir-Uhren und andere Dünnschicht-Innovationen werden in Zukunft wohl eine wachsende Rolle in der Industrie spielen. Denn Dünnschicht-Technologien können helfen, wichtige technologische und ökologische Herausforderungen zum Beispiel in der Energietechnik, im Automobilbau und Maschinenbau zu meistern. Das hat Professor Andreas Leson von der „Europäischen Forschungsgesellschaft Dünne Schichten“ (EFDS) in Dresden eingeschätzt.

Dr. Volker Weihnacht, Prof. Andreas Leson und Dr. Hans-Joachim Scheibe (v.l.n.r.) vor einer Laser-Arc-Anlage, die Bauteile mit einem fast diamant-harten Überzug versehen, der die Motor-Reibung drastisch senkt. Foto: Dirk Mahler, FHG

Das Archivfoto zeigt Dr. Volker Weihnacht, Prof. Andreas Leson und Dr. Hans-Joachim Scheibe (v.l.n.r.) vor einer Laser-Arc-Anlage, die Bauteile mit einem fast diamant-harten Überzug versehen, der die Motor-Reibung drastisch senkt. Foto: Dirk Mahler, FHG

Dünnschichttechnik hilft, Hightechmaterial sparsam zu dosieren

„Dünnschichttechnik ist eine Querschnittstechnologie“, betonte der an der TU Dresden und im Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) tätige Physiker. „Dünnschichten finden wir heute überall: an der Türklinke, an Verschleißteilen im Auto, in der Mikroelektronik…“ Und der Anwendungsradius dieser Technologie vergrößere sich, ergänzte EFDS-Geschäftsführerin Grit Köckritz. „Derartige Schichten sind wichtig, wenn ein besonders hochwertiges Material besonders sparsam eingesetzt werden soll“, erklärte sie. Dabei geht es einerseits um einen ökologisch bewussten Ressourcenverbrauch, aber auch um wichtige Innovationen, die etwa über den Markterfolg „sauberer“ Energiewandler mitentscheiden können. „Dünne Schichten können beispielsweise helfen, Brennstoffzellen effizienter und preisgünstiger zu machen“, sagte Köckritz.

Dr.-Ing. Teja Roch vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) zeigt in Dresden die neuartigen Bipolarplatten für Brennstoffzellen-Lasterantriebe. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Archivfoto zeigt Dr.-Ing. Teja Roch vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) mit einer neuartigen Bipolarplatten für Brennstoffzellen-Lasterantriebe. Foto: Heiko Weckbrodt

Von der schmierfreien Motorradkette bis zur Brennstoffzelle

So arbeitet das IWS an Bipolarplatten für Brennstoffenzellen, die aus simplen Stahl bestehen und dünn mit Kohlenstoff statt Gold beschichtet sind – bei halbierten Beschichtungskosten. Andere Fraunhofer-Schichten vermindern die Reibungsverluste von Laster-Kolbenringen deutlich. Transferiert haben die Fraunhofer-Ingenieure diese Technologie in das Dresdner Kolbenring-Werk von „Federal Mogul“. Die Beschichtungs-Anlagen dafür stellte ebenfalls ein Dresdner Unternehmen her.

BMW-Motorrad mit einer schmierfreien Kette, die mit einer diamantähnlichen Dünnschicht überzogen wurde. Dabei handelt es sich um sogenannten "tetraedisch amorphen Kohlenstoff (ta-C). Foto: BMW

BMW-Motorrad mit einer schmierfreien Kette, die mit einer diamantähnlichen Dünnschicht überzogen wurde. Dabei handelt es sich um sogenannten „tetraedisch amorphen Kohlenstoff (ta-C). Foto: BMW

Ein anderes Beispiel, wie Dünnschichttechnologien das Leben einfacher machen und dabei die Umwelt schonen, wurde auf einer Motorradfahrt von Fraunhoferforschern und BMW-Ingenieuren geboren: „Viele Motorräder haben spezielle Ketten, die regelmäßig geschmiert werden müssen.“ Das ist lästig für die Biker, sorgt für dreckige Hände und nicht zuletzt sind die Schmierstoffe nicht wirklich gut für die Umwelt. „Durch unsere Dünnschichttechnologien gibt es inzwischen wartungsfreie Motorradketten“, erzählt der Professor. Eingebaut werden die mit einer diamantähnlichen Schicht versehenen Endurance-Ketten in BMW-Kräder.

Kolbenringe mit einer Fraunhofer-Dünnschicht, die Verluste durch Reibungwärme im Motor vermindern. Foto: Fraunhofer IWS

Kolbenringe mit einer Fraunhofer-Dünnschicht, die Verluste durch Reibungwärme im Motor vermindern. Foto: Fraunhofer IWS

Dünnschicht-Tradition reichen bis in die DDR zurück

Gerade im Raum Dresden sind viele Unternehmen und Institute in der Dünnschichttechnologie aktiv, beispielsweise VTD, die Ardenne Anlagentechnik, FHR, die TU Dresden, die Fraunhofer-Institute IKTS, IWS und FEP und im weiteren Sinne auch die zahlreichen Halbleiterunternehmen im Silicon Saxony. Das ist kein Zufall: „Dresden war schon in der DDR ein wichtiger Standort der Dünnschichttechnologie“, betont Andreas Leson. Dazu gehörten das private Forschungsinstitut des Fernseherfinders Manfred von Ardenne und das Zentralinstitut für Festkörperphysik und Werkstofforschung der DDR-Akademie der Wissenschaften und viele andere. „Auch an der TU Chemnitz gab es schon zu DDR-Zeiten wichtige Forschungen auf dem Gebiet, aus denen später auch Unternehmen wie Roth & Rau hervorgegangen sind“, ergänzt Dr. Thomas Chudoba, der einst an der Chemnitzer Uni forschte und dann in Dresden die Messtechnik-Firma „Asmec“ gründete. „Dresden-Chemnitz-Mittweida galt schon damals als Dreieck der Dünnschichttechnologie.“

Manfred von Ardenne. Foto: Mittelstädt, ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

Manfred von Ardenne im Jahr 1986. Foto: Mittelstädt, ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

Dünnschicht-Forschungsgesellschaft entstand 1992 in Dresden

Und viele dieser wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Traditionslinien haben sich bis heute im Freistaat erhalten. Schon vor 30 Jahren hatte sich die EFDS in Dresden angesiedelt. Wieviel Umsatz und Jobs heute an der sächsischen Dünnschicht-Wirtschaft und -Forschung hängen, hat zwar noch niemand so richtig ausgerechnet. Aber der Kreis der Akteure, die hier kooperieren, ist auf jeden Fall groß. „Wir haben etwa 200 Mitglieder aus Industrie und Forschung im EFDS“, so Grit Köckritz. Und dieses Netzwerk kooperiert wiederum oft mit der „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen“ (AiF), das die „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ (IGF) von wissenschaftlichen Instituten und Mittelstand organisiert – darunter in Sachsen auch viele Dünnschichttechnologie-Projekte.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IWS, EFDS, BMW, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt